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Sprache in Gesellschaft und Geschäftsleben
Die Liebe und das Gendern

Beitrag vom 9. April 2018

Die sattsam bekannten linguistischen Einwände sind dagegen harmlos (Bild: © Fotolia).

Zwei kaum genannte Gründe stehen gegen gegenderte Sprache. Sie wiegen schwerer als die Motive, die für eine geschlechtergerechte Sprache angeführt werden.

Als bei sanfter Musik und Kerzenlicht zum ersten Mal das Zauberwort „Ich liebe dich!“ fällt, leuchten ihre Seelen auf. Sie rücken einander näher, sie planen das Morgen, sie sprechen die Worte erneut und immer wieder – und irgendwann, bei der elfundneunzigsten Wiederholung, wiegt die liebliche Formel kaum noch ein Quentchen ihres früheren Wertes. Immer öfter schwingt darin ein Unterton: Warum ist es nicht mehr wie zu Anfang? Schließlich, und wenn es gut geht, dämmert dem Paar, sie hätten öfter zuhören sollen, was dem anderen fehlt, statt die Blume ihrer Bindung mit Beschwörungen zu plätten. Liebe kann mit Worten sprachlos gemacht werden. Sie kann mit Worten auch nicht erzwungen werden.

Je öfter wir die gleichen Rechte der Geschlechter mit den dafür genehmigten Worten anmahnen, desto sicherer gerät die gute Absicht zur Floskel, die Worte verkommen zum Lippenbekenntnis. Die „Genossen und Genossinnen!“ verschleifen zu „G‘nossn und ‘Nossn!“, und man hört nun schon zum fünften Mal, wie die jährliche Konferenz mit „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder!“ eröffnet wird – und keiner traut sich, den Wortbläser an sein Sprachgefühl zu erinnern. Das ist kein erdachtes Beispiel. Auch keine Ente ist ein Prospektentwurf, der an die „Lieben Prostatapatientinnen und -patienten!“ gerichtet war. Gut gemeinte Ausrutscher kommen vor, man könnte mit einem Lächeln darüber hinweggehen. Aber solcher Unfug ergibt sich, wie von allein, aus dem Gebrauch von Sprache, der die Gedanken abhandenkommen.

Selbstgerecht wissen, was richtig ist

Was man nicht mehr hören mag, rutscht zum rechten Ohr so flott hinaus, wie es zum linken eindrang. Im Gehirn bewirkt die Floskel nichts mehr, nur der Unmut über das umständliche Sprechen und Schreiben wächst, er wird gespeichert und gerät am Ende noch zu einem geistigen Tumor. Dass gegendertes Gerede die Verständigung trübt, mag hartgesottenen Genderideologen noch als vertretbares Opfer erscheinen. Aber so geht dem Feminismus die Glaubwürdigkeit verloren. Wer möchte schon fortwährend bevormundet werden? Die Sprache gehört allen, nicht den Lautstarken, die sich in ihrem eigenen Eifer sonnen, und schon gar nicht Leuten, die das Wort „Mann“ als Schimpfwort verwenden. Und dem Tatbestand einer rassistischen Hetze gefährlich nahe kommen: Frauen gegen Männer – die eine Hälfte der Mennschheit gegen die andere.

Warum ist das Gendern der Sprache so unangenehm? Nicht nur wegen der Sperrigkeit der „korrekten“ Sprachhülsen. Wo wir andere bevormunden, nötigen wir ihnen unsere Denkweise auf. Je heftiger wir es treiben, desto weniger Freiheit bleibt möglich. Davon betroffen sind nicht nur die Opfer, auch die Täter verfangen sich in der gestifteten Unfreiheit. Treue entsteht so nicht. Selbst wenn die Manipulation gelingt, bewirkt sie nur, dass zwanghaftes Nachplappern mehr wiegt als die Erkenntnis aus ureigenem Antrieb. Merke: Wer sich so weit gängeln lässt, verkauft seine Seele bei Gelegenheit auch der Gegenseite.

Dass uns alle Welt mit sprachlicher Gängelei unfrei halten möchte – Politiker aus Angst vor den Wählern, Unternehmen aus Angst vor den Kunden, Angstmacher aus Angst vor der Wahrheit – bietet noch keine Rechtfertigung, dass nun die Frauen mit denselben kurzlebigen Tricks zu ihrem Recht kommen. In Wirklichkeit fordern doch die Frauen, dass die Männer ihnen aus freier Entscheidung entgegenkommen und aus eigens gewonnener Überzeugung das Unangenehme und das Schöne gemeinsam ertragen.

Gendern geht gegen die Würde

Das Gendern der Sprache vernichtet die gute Sache von innen her, es widerspricht dem Sinn und Text des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wie sollen sich Frauen als gewürdigt erleben, wenn die Männer zum Wohlverhalten, zum Absondern von Lippenbekenntnissen genötigt werden? Falls diese Fülle an Widersprüchen nicht schlüssig aufgearbeitet wurde, kann es mit der so penetrant behaupteten Wissenschaftlichkeit der Gender Studies nicht weit her sein. Ein Fachgebiet, in dem Widersprüche ignoriert werden, ist keine Wissenschaft, sondern eine Lobbyveranstaltung, bestenfalls bloß eine Pütscherei. Das mögen die moderaten Feministen (damit sind die mitlaufenden Männer mitgemeint) bedenken. Und wenn sie schon dabei sind, prüfen sie die Quellen, aus denen sich die Genderideologie speist. „Männerfeindlich“ wäre eine Verharmlosung.

Was aber fangen wir mit der bereits beschädigten Sprache an? Hier ein Vorschlag zur Güte, er ähnelt einem Kompromiss, keiner wird ihn mögen. Akzeptieren wir vorab, dass noch viel zu tun bleibt, aber viel bereits erreicht wurde, und zwar ohne die Sprache zu verbiegen. Wörter erfahren über die Zeit einen Wandel ihrer Bedeutung. Volksschullehrer waren zuerst nur Männer, inzwischen sind neun von zehn an den Grundschulen Frauen. Sie prägen unser Bild, das wir mit dem Wort Lehrer verbinden. Dass es früher anders war, nehmen wir zur Kenntnis, es ist bedeutungslos. Wir sind weitergekommen.

Auf dieser Basis bietet sich eine Verständigung an: Wir erklären den Bedeutungswandel für sämtliche Bezeichnungen schlichtweg als erledigt, wir bekennen uns dazu, dass stets alle gemeint sind, niemand ist mitgemeint. Wir neutralisieren die Begriffe: Wir sprechen Frau Müller als Frau Lehrer, Frau Präsident, Frau Richter an, fertig, denn Frauen besetzen jetzt oder bald alle Positionen, die uns bisher als männlich vorkommen. Die letzten Ausnahmen verschwinden bereits: Putzfrauen, Krankenschwestern, Bardamen werden Putzkräfte, Krankenpfleger, Tresenkräfte …

Auf diese Weise gewinnen wir Ausdruckskraft zurück, die wir beim Gendern verlieren: Wo es beispielsweise darum geht, Frauen ausdrücklich zu nennen, greifen wir – bis dereinst das gleiche Recht für alle ohne Rest verwirklicht ist – auf die grammatisch weibliche Form zurück: „Für die Dozentinnen brauchen wir fünf beleuchtete Parkplätze!“ Man findet die veraltende Form im Wahrig oder Duden, dafür halten wir sie reserviert, so auch für die Bitte: „Für die Vorstandswahlen mögen bitte ein paar Juristinnen kandidieren!“ Frauen sind uns mehrheitlich normalen, psychopathisch unverdächtigen Männern willkommen. Sie werden bitter benötigt, denn in aller Regel bringen sie mehr Teamfähigkeit mit. Vive l’égalité et vive la différence!

Oliver Baer @ 13:32
Rubrik: Gesellschaft
Kaltschnäuziges Gerede

Beitrag vom 9. April 2018

Freedom is a word I rarely use without thinkin‘ …(Bild © Behland)

Spottolski, zuständig für die Erkundung des Volksmundes und anderer Lästigkeiten, bekam von der Redaktion den Auftrag zu einer Meinungsunfrage.

„Wieder eine Kompjuta-Erhebung? Endlich!“ Nein, keine Kästchen zum Ankreuzen; er solle die Leute frei sprechen lassen: Was ihnen an der Sprache nicht gefällt, was besser sein könnte.

„Frei sprechen sollen die?“ – „So ist es, sie sollen sagen, was man wohl noch sagen dürfe.“ – „Das wird bös enden.“ – „Spotto, deine Masche zieht hier nicht: Anhauen, draufhauen, abhauen.“ – „Ist aber total angesagt.“

Kurzum, er ließ sich überzeugen. Wen er befragen solle: „Die Kunden der Friseuse?“ – „Die maßgeblichen Leute, hier von der Bäckerei bis hinauf zur katholischen Kapelle.“ – „Alles klar, die Influenzas, aber keine mit einem gelben Hund.“ Das mochte er jedoch nicht weiter ausführen.


Die Gesprächsverläufe hat Spottolski eigenhändig mit einem Schlaufon aufgezeichnet und an drahtloser Leine direkt in die Redaktion übertragen. Damit hat er bei der Mieze der Friseuse gepunktet. Das fällt unter Nebennutzen, aber sie kam nicht mit zu den Interviews, die er wie folgt eröffnete:

„Sie sind ein Influenza. Was missfällt Ihnen an der Sprache, was soll sich ändern?“

MK ♂
„Gegenfrage: Ist Influencer weiblich oder männlich? Klär das mal! … Ein linker Kater, das fehlte mir noch.“ (Geräusch eines zugeknallten Fensters)

LW ♀
„Gut, dass Sie das sagen. Wir sind gar keine Sachsen. Wir sind eigentlich vom Stamm der Thüringer, vermischt mit Slawen. Und Fremden.“ – „Was?“ – „Ausm Westen. Die reden komisch.“ – „Soll das verboten werden?“ – „Man möchte ja unter sich bleiben, oder?“

BWS ♂
„Wie war nochmal die Frage? Was mir an der Sprache nicht passt? Dazu hab ich meine eigene Meinung.“

KE ♂
„Das kann ich dir sagen. Ich und die Kollegen fordern: Dummes Geschwätz muss verboten werden. Da muss die Regierung leuchtend voranschreiten. Noch was: Die Petry muss weg!“ – „Die ist schon weg.“ – „Echt? Ist nicht wahr.“ – „Ist es.“ – „Richtig weg? Na gut, dann diese Andere, wie heißt sie nochmal.“ – Spottolski verspricht, den Namen ausfindig zu machen. KE ist es zufrieden.

SP ♂
„Ich sage nur: Jeder, dem nichts einfällt, bekommt seine eigene Verschwörungstheorie, darf er selber formulieren.“ – „Das tun die Leute bereits.“ – „Sollen sich mehr Mühe geben. Sag das der Regierung.“ – „Mach ich“, verspricht Spottolski, „gleich nachher.“

An dieser Stelle fragte Spottolski, ob er weitermachen solle. Wir ließen das nicht zu: „Du machst dich gut. Durchhalten, wir schaffen das.“

PL ♀
„Wir wollen mehr männliche Wörter: Wie ‚der Frieden‘, ‚der Anstand‘, ‚der Seehofer‘. Die Männer brauchen Selbstwertgefühl. Wär doch besser, wenn es ‚der Gefühl‘ heißt, ‚der Sex‘ und so.“ – „Sex ist bereits männlich: der Sex.“ – „Stimmt. Na, dann geht‘s ja noch. Haben Sie Hunger“ – „Ich krieg gleich Krabben. Zusatzfrage: Sie wollen aber nicht ‚der Hebamm‘, ‚der Bardame‘?“ – „Will mich da einer auf den Arm nehmen, was!“ (an dieser Stelle der Aufzeichnung ein Knirsch- beziehungsweise Knutschgeräusch;, haben wir knallhart zensiert)

GFS ♀
„Ich bin für die Umwolkung.“ – „Was meinen sie damit?“ – „Ich sag ja nichts. Ich meine bloß.“ – „Was hat das mit der Sprache zu tun?“ – „Gute Frage. Aber was anderes: Seit wann stromern Sie hier oben herum, Sie stehen doch auf die Friseuse?“ – „Dazu habe ich meine eigenen Fakten.“ – „Kann man gar nicht genug von haben.“

Darauf erneut Spottolskis an uns: Ihm stehe die Sache bis hierhin. Worauf ihm die Volontärin (das ist die mit dem kurzen Rock, mehr darüber ein andermal) Mut zusäuselt: „Spotto, Du schaffst es.“ Was Frauen halt so sagen. Und er schafft es. Schon das nächste Gespräch belebt ihn.

DD ♂
„Ich bin für die Sprache. Schreib das mal auf!“ – „Auch für Sonne im Sommer?“ – „Genau! das trifft den Nagel ins Gesicht. Und was tut die Regierung? Nichts! Gelbe Karte.“

HH ♀
„Na klar hab ich eine Meinung. Jeder soll so viel Blödsinn reden, wie er kann, Hauptsache ist am Mikrofon. Und faktenfern. Das wird man wohl noch sagen dürfen!“

KK ♀
„Gut, dass wir darauf zu sprechen kommen. Hören Sie überhaupt zu?“ Vermutlich nickt Spottolski an dieser Stelle, denn die Frau fährt fort: „Anglizismen gehören verboten, wie damals beim Führer.“ – „Da gabs keine.“ – „Sag ich doch.“ (Darauf eine sexistische Bemerkung des Katers, die wir, nach Abwägung ob sie gut klingt, gestrichen haben)

PTK ♂
„Kater, was willst du wissen, du willst die Wahrheit? Die stimmt nicht. Alles gelogen.“ – „Geht es etwas genauer? Was ist gelogen?“ – „Alles. Das weiß ich aus dem Internet.“ – „Zusatzfrage, darf ich?“ – „Nur zu!“ – „Woran erkennt man, dass wahr ist, was im Internet steht?“ – „Ich weiß, was ich weiß. Sagte schon Sokrates.“ – „Socrates, der Fußballer? Das hat der gesagt?“ – „Der Grieche.“ – „Wer behauptet denn sowas?“ – „Alle.“ – „Dann stimmt es?“ – „Dann stimmt es.“– „Er hat genau das Gegenteil gesagt: Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ – „Das ist Fäik Njuhs! Kater, du musst nicht alles glauben.“

An dieser Stelle, auf dem halben Weg zur Kapelle, kehrte Spottolski um. Wir mussten ihn mit Thunfisch laben (in Öl ohne Gemüse!) sowie Nordseekrabben und Lakritze.

Er lässt ausrichten, jetzt gehe es wieder. Bloß, dass ihn die Frauen siezen, sei neu. Wir vermuten, sie sind einfach sensibler, was die tierische Korrektheit angeht, als die Männer. Wir haben ihm versprochen, er darf demnächst dschendern: „Es ist ja angesagt.“

Oliver Baer @ 13:23
Rubrik: Von Babylon nach Globylon
Fixiert auf „Ich auch“

Beitrag vom 20. Februar 2018

Nein, zwischen Denkern und Gläubigen ist keine Mauer geplant (Bild © Fotolia)

Was unter dem Kürzel #metoo eingefordert wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Oder besser: Sie wäre es, würde sie nicht überlagert durch ein zerstörerisches Anliegen. Die zu Recht erbosten Frauen vergreifen sich an der freien Rede, und das schadet auch den Betroffenen.

„Mein Herr, Sie haben meine Dame fixiert!“ Seltsam, wie dieser Satz aus fernen Zeiten herüberweht, als würde er in diese Gegenwart passen. Wir kennen ihn aus Büchern und Filmen. Wer so sprach, forderte zum Duell. So starr waren die Sitten, und das werden sie offenbar wieder. Im Spiegel (4/2018) war zu lesen: Zusammen mit 30.000 Stimmen einer Netzpetition fordert Minnie Driver, dass Matt Damons Auftritt aus dem Film „Ocean’s 8“ geschnitten werde. Nicht wegen irgendwelcher Stellen im Drehbuch, nein, er hatte sein ausdrückliches Lob für die #metoo-Kampagne so ergänzt: „Zwischen einem Klatsch auf den Po und Vergewaltigung oder Kindesmisshandlung besteht aber ein Unterschied.“ Minnie Driver – früher mit ihm liiert – verkündete dann auf Twitter, Männer wie er seien „systemisch Teil des Problems“, gerade wegen ihrer Differenzierungsversuche zwischen sexueller Belästigung und Vergewaltigung.

Hoppla, das ist so eine Stelle, an der man ganz, ganz langsam weiterlesen darf. Auch unbescholtene Männer wie er dürfen nicht unterscheiden? So wie man Mundraub, Einbruchdiebstahl und Raubüberfall unterscheidet? Ein paar zehntausend Frauen, oder lass es Millionen sein, wollen durchsetzen, dass Matt Damon, und wir mit ihm – in der denkbar plattesten Auslegung des Digitalen in diesem Zeitalter – nur schwarzweiß denken dürfen: als gäbe es nur Null oder Eins, An oder Aus. Warum müffelt das nach „gesundem Volksempfinden“? Merken die Frauen und ihre wackeldackelnden Männer nicht, in welche Falle sie uns locken?

Sobald wir aufhören, mittels der Sprache zu unterscheiden, lassen wir uns vorschreiben, was wir denken sollen, also glauben müssen. Zum Menschsein gehört aber, dass wir klären, ob zwei Dinge dasselbe oder nur das Gleiche oder überhaupt etwas ganz Anderes sind. Der Generalangriff auf die Sprache läuft bereits. Minnie Driver ist zu danken, dass sie die Strategie so treffend entlarvt hat: Wir sollen von der Chance enteignet werden, die Dinge aus eigener Kraft wahrzunehmen, zu erkennen, zu unterscheiden, einzuordnen. Wir sollen, sprachlich kastriert, denken und sagen, was angesagt ist. Das Ansagen haben die Nationalsozialisten getan, die Kommunisten, die Faschisten. Die Islamisten tun es, die christlichen Fundamentalisten und mit ihnen viele liebe, gute Menschen, die nicht merken, was auf dem Spiel steht.

Das ist keine Verschwörung. Schlimmer, da schalten die Leute ihr Gehirn freiwillig aus. Aber wem schon die Sprache fehlt, das Gewünschte wie das Verbotene auszudrücken, der wird es nicht mehr wahrnehmen, wenn es ihm auch ins Auge springt. Der darf nur nachplappern, was als richtig gilt – und das legen andere fest. Der Verdacht besteht, dass nicht alle so unschuldig sind, wie sie tun; sie glauben an einen guten Zweck: Dieses kleine Opfer sei aus Respekt vor der weiblichen Kreatur gerechtfertigt!

Das ist es nicht, denn hier werden wir um die Substanz betrogen. Einen Wandel in meinem Bewusstsein führe ich – und nur ich selber – in mir herbei, indem ich die Klarheit meines Denkens bewahre und strapaziere. So gelingt mir der Austausch zwischen dem Denken und der Sprache. Lassen wir uns die Sprache nehmen, wird das Ergebnis keine Verbeugung sein, die wir uns leisten konnten: „Den Versuch war es aber wert!“ Beschränkte Sprache erlaubt beschränktes Denken, mehr nicht. Wenn bereits ein unbescholtener Schauspieler aus seinem Film zu schneiden ist, weil er seinen Alltagsverstand auch sprachlich noch zu verwenden imstande ist, so wird eines deutlich: Da denken zu viele Frauen so unklar, wie sie reden.

Ms Driver, sie haben uns Herren fixiert, das verbitten wir uns!


Minnie Drivers Angriff ist auch hier nachzulesen: Petition demands Matt Damon be cut from Ocean’s 8

Oliver Baer @ 15:07
Rubrik: Gesellschaft
Sei es auch Tollheit, es hat Methode

Beitrag vom 21. Januar 2018

Lesen und Schreiben – viel zu anstrengend. Der Präsident kommt ganz ohne aus, na also (Bild: ©Fotolia)

Früher hat es das auch gegeben, so gehäuft wie heute aber nicht. Die Methode ist leicht verständlich, nur der Zweck der Übung wird meist ungenau verstanden. Ein Beispiel ist die Leugnung des Klimawandels.

Sehen wir davon ab, dass solches auch aus Unkenntnis geschieht – die soll es ja geben. Bleiben wir bei gelenkten Interessen. Als erstes besorgt man sich eine einigermaßen glaubwürdige Quelle. Hier schon der erste Trick: Sie muss nur so aussehen, also einen Namen mit wissenschaftlicher Anmutung tragen. Ob dort Wissenschaft überhaupt betrieben wird, ist unerheblich.

Wichtig ist zweitens der PR-Rummel, der um Studien aus diesem Born des Wissens hervorquillt. Der Rummel verläuft nach dem Motto: Die Studie muss nur häufig genug zitiert werden, und zwar nicht in seriösen Fachblättern, sondern dort, wo sie der wissenschaftlich wenig beleckte Bürger zu sehen und hören bekommt, sprich: im Fernsehen, in den sozialen Medien, auch Zeitungen kommen infrage, nämlich jene, die sich keine eigene Redaktion mit Kapazität für gründliche Recherche mehr leisten können – weil die Bürger lieber glauben, was im online farbig, knallig geschieht als das, was das Lokalblatt noch zu melden weiß.

Nun der eigentliche Kniff: Es kommt gar nicht darauf an, dass der Bürger nun glaubt, was das prächtige Institut über den Klimawandel behauptet („Menschengemachten Klimawandel gibt es keinen, das haben wir nachgewiesen“). Sondern? fragt der Leser, der hier noch mitliest. Er soll es nicht glauben, er soll auch das Gegenteil nicht glauben. Er soll nichts mehr glauben können: „Die widersprechen einander doch dauernd!“

So wird der Zweck der Übung erfüllt: Wer zu nichts mehr Vertrauen haben kann, der hört im Zweifel auf Leute, die so auftreten, als könnten sie das besagte Problem (wenn es wider Erwarten doch eines wäre) noch am besten lösen. Der muss nur kraftvoll genug rüberkommen, schon glauben ihm die Leute: „Der wird es knacken, die anderen sind sowieso nur Schwätzer.“

Merke: Der Täuscher trübt das Wasser, in dem er zu fischen plant. Ähnlichkeiten mit irgendwelchen lebenden Personen sind völlig ausgeschlossen; das ist aus Laborversuchen wissenschaftlich nachweisbar geklärt.

Danke, weitermachen!

Oliver Baer @ 15:41
Rubrik: Gesellschaft
Spottolski im Winter des Zornes

Beitrag vom 23. November 2017

Die Miezen seien am Feiern, berichtet Kater Spottolski im Vorübergehen: das Wort des Jahres. Leider sei es ein weiteres Mal weiblichen Geschlechtes. „Was guckst du? Weil ich des Genitivs beherrsche? Jetzt frag mich, wie das Wort des Jahres heißt, wohlgemerkt das Katzenwort des Jahres.“

„Sag an: Was ist das Wort des Jahres?“

„Du wirst es nicht verstehen. Ich erklär dir den Felinismus!“ Ich nicke verbindlich. Ich weiß, was sich für „Herrchen“ gehört.

Wutbürger, nach dem ersten Kaffee (Bild ®Behland)

Auf einmal ist Spottolski nicht mehr in Eile. Er und die Kater aus dem Oberdorf sind es jetzt leid. Sie möchten nicht länger mitgemeint sein, wenn von den Katzen die Rede ist. „Alles dreht sich um die Miezen. Wir bestehen auf unseren felinischen Rechten.“

Vielleicht sehe ich mimisch wie „Ach ja?“ aus, jedenfalls zählt er die Forderungen der Kater auf. „Erstens die Befreiung von der sexuellen Zumutung. Du willst wissen, was die Zumutung ist?“

Ich will, ich nicke ermutigend.

„Dass wir Kater für die Vermehrung zuständig sind.“ Ich verstehe. „Die dauernde Jagd, die Klopperei mit den Kollegen, ständig so tun, als ob man geil wäre.“ Spottolski schreit: „Wenn die Miezen nicht wären, würden wir uns dann noch kloppen? Na also!“

„Das ist belastend“, bestätige ich, und warte auf zweitens. „Zweitens?“

„Zweitens erfährst du, was los ist: Wir feiern das Katzenwort des Jahres. Aber davon verstehst du …“

„… Ich bitte dich, es gibt das Wort, das Unwort, sogar ein Jugendwort des Jahres. Ich kann was einstecken.“

„Na gut, das Katzenwort des Jahres lautet ‚Miauw‘. In deiner Schreibweise“, fügt er gnädig hinzu, „mit einem W am Ende.“

„Wie sonst“, nicke ich, „aber das war schon 2016 Katzenwort des Jahres.“

„Voriges Jahr, das war Miau, ohne alles. Geschlechtsneutral, ein früher Lichtblick für Kater.“

„Verstehe“, lenke ich ein. „Offenbar ein Fall von Homophonie? Wie in Leerstelle und Lehrstelle?“

„Werd nicht ausfallend,“ rügt mich der Kater, „daran ist nichts homophob.“

„Das ist einzusehen“, versichere ich. „Und was bedeutet Miau?“ – „Welches?“ – „Das neue.“

„Miauw bedeutet:‚Du gehst mir auf die Ohrspitzen.“

„Genial. Und das vom vorigen Jahr?“

„Miau steht für: ‚Der Winter zittert auf dem Huhn‘ oder gelegentlich: ‚Dreh dich langsam um, der Hering wackelt.‘“

„Der was?“

„Der Hering wackelt.“

„Der Hering wackelt?“

„Der Hering wackelt!“ Spottolski blickt mich an, voll der edlen Sanftmut. „Was sonst? Ein toter Hering wackelt. Miau, genau genommen Miou, wenn im gegenseitigen Einverständnis.“

Ich gucke schon ganz sparsam, aber mein Kater versteht, und er fährt fort: „Selbst diese Bedeutung ist im Großen Kuden feminin notiert, ich fasse es kaum.“

Wie die Katzen die homophonen Bedeutungen unterscheiden, möchte ich nun wissen.

„Das weiß man immer nie genau“, gesteht Spottolski. „Aber im Grunde ist es ganz einfach!“ schreit er. „Wer sich im Ton vergreift, kriegt einen gepfeffert.“

„Welch semantischer Reichtum!“ entfährt es mir. „Und wieso Hering?“

„Diese Frage ist typisch, eine Belästigung, total unfelinisch. Hering ist per se nicht anzuzweifeln. Aber du bist Mensch, du kannst es nicht besser. Und bevor du fragst: Mio bedeutet eine Ferkelei, die ich nicht übersetze. Genau wie Miahu. Da geniere sogar ich mich.“

„Wie kommt ihr zu dem Wort des Jahres, durch Wahlen?“

„Wahl, Einzahl, nicht Wahlen. Wir wählen und wir notieren nicht, wie ihr, auf der Rückseite des Wahlzettels eine Wunschkoalition. Wir panaschieren und kumulieren, und platsch da isses.“

Ich staune. Was die Jungs in der Katerabendschmiede lernen!

„Außerdem sprechen wir das Wort richtig aus, nicht halb englisch, halb deutsch wie ihr mit eurem Dschameika.“

Damit ich die Oberhand zurückgewinne, erfrage ich die weiteren Forderungen im Sinne des Felinismus: „Wir waren bei Zweitens.“

„Ge-nau. Viertens verlangen wir das volle Wahlrecht, wer wen freiwillig besteigt, nämlich auch mal gar nicht. Wenn unsereins keinen Bock hat. Geile Weiber!“ Schimpfend verlässt Spottolski die Räume der Redaktion. „Noch Fragen?“ Er habe eine unaufschiebbare Begattung in petto.


Mehr über starke und schwache Argumente zum Gendern:
Vorschlag zur Gendergüte und
Symbole sind zu schätzen

Oliver Baer @ 11:21
Rubrik: Spottolski (Marketingkater)
Die Bedeutungslosigkeit der Lücke

Beitrag vom 14. November 2017

„Dafür gibt es kein deutsches Wort!“ In diese Falle tappen auch schneidige Anglizismenjäger. „Shitstorm“, „Crowdfunding“, „Refugees Welcome“ und „Fake News“ kleben in unserem Wortschatz wie Bonbons im Kinderhemd, alle waren sie Anglizismus des Jahres, weil sie „… ins Bewusstsein und den Sprachgebrauch einer breiten Öffentlichkeit gelangt“ sind und eine „interessante Lücke im deutschen Wortschatz“ füllen.

In der Tat, spontan fehlt uns ein Wort aus eigenem Schatz, in der als zutreffend geltenden Bedeutung gibt es keines. Das ist richtig und stimmt trotzdem nicht. In den Vereinigten Staaten, Chefexporteur aller Anglizismen, gibt es ein neues Wort – zunächst auch nicht. In solchen Fällen tun die Amerikaner eines nicht: Sie suchen nicht in Lettland oder Laos nach einem Lehnwort, sie schnitzen sich ein eigenes. Wie die Isländer; sie nehmen sich das Recht und bereichern ihre Sprache mit bunten Neuauslegungen alter Wörter, die sie mit neuen Bedeutungen zusammensetzen. Zum langsamen zweiten Lesen: Bei der Lehnschöpfung wird ein neues Wort aus vorhandenen Wörtern gebildet, die Bedeutung wird aus der fremden Sprache übernommen, die Form des neuen Wortes ist völlig neu. So wurde aus der Guillotine das Fallbeil.

Die Lückenlosigkeit der Stille (® Behland)

Wenn wir unsere Schatztruhe mit Lehnwörtern füllen, nur weil sie aus Amerika stammen, fällt die Leere der Lücke als Begründung flach. Schwer zu sagen, welches Verfahren mehr wert ist, Entlehnung oder Lehnschöpfung. Schlaffe Gehirne ziehen das Abschreiben vor, eigenes Denken würde die grauen Zellen erneuern. Also noch einmal: Ausdrücken können wir auf Deutsch, was wir wollen. Wenn wir es wollen.

Sicher gibt es eine Fülle willkommener Fremdwörter, warum nicht auch ein paar englische? Wegen der hirnlosen Ausrede. An der vermeintlichen Bedeutungslücke stört, dass wir auf das Gerede hereinfallen: „Dafür gibt es kein deutsches Wort!“ wiegt als Argument so viel wie die Leere in der Lücke. Und noch etwas stört. Wie breit muss eine Öffentlichkeit sein, damit ihr „Bewusstsein und Sprachgebrauch“ maßgeblich wären? Als sie beispielsweise das „Crowdfunding“ adoptierte, müssten es ja Menschenmengen gewesen sein, die es der biederen „Gruppenfinanzierung“ vorzogen.

Oder auch nicht. Die Geschichte verläuft eher so: Eine Handvoll Leute benutzen das Wort, indem sie wiederkäuen, was in Medien und Werbung aus dem Englischen abgekupfert und bis zur Gehirnerweichung wiederholt wurde, bis es schließlich in der Öffentlichkeit anlangt. Nicht etwa in irgendwelcher Breite. Auch diese besteht, wenn es hochkommt, aus hundert Leuten, die im ICE laut telefonieren, und bald hört man die Mithörer landauf sowie landab: Wir ergeben uns, übergeben haben wir uns schon!

Den Stalker zum Beispiel gab es früher nicht, auch nicht in Kalifornien, woher das Wort stammt, weil dieses Phänomen gehäuft dort zuerst bemerkt wurde. Dort bildete man aus dem Verb „to stalk“ das – zuvor nie benötigte – Hauptwort „stalker“. Genau so wäre im Deutschen aus „nachstellen“ der „Nachsteller“ abzuleiten gewesen. Wurde er aber nicht. Die Steilvorlage aus Übersee geriet zum Eigentor: Zwar nennt ihn das Gesetz den Nachsteller, aber der Volksmund sagt Stalker, wie von den Medien vorgebetet. Jüngst kam in einem SPIEGEL-Beitrag zu eben diesem Thema der Stalker dreimal, der Nachsteller einmal vor.

Dass Bedeutungslücken auf Englisch geschlossen werden, bleibt bei der geltenden Sucht nach Geltung und der Denkfaulheit der Lautsprecher nicht ganz vermeidbar. Sei’s drum, aber wir müssen den Papageien nicht jedes Gebrabbel durchgehen lassen: weder das Leerargument, dafür gäbe es kein deutsches Wort, noch die Fake News, da habe sich eine breite Öffentlichkeit durchgesetzt. Es ist ein Argument, das nichts taugt, also Finger weg!


Siehe auch Widerstand gegen Fremdwörter und Selbsternannte selbst ernannt.
Viel mehr zu diesem Thema im Buch „Von Babylon nach Globylon.

Oliver Baer @ 10:05
Rubrik: Von Babylon nach Globylon
Spielwiese der Bewegten

Beitrag vom 13. November 2017

Wir Sprachbesorgten befassen uns mit Fragen, die uns wichtig, manchen Widersachern aber gleichgültig sind. Dazu zählt das Gendern der Sprache, ein Thema, bei dem die Gegner aneinander vorbei reden. An den Scharmützeln beteiligt hat sich der Autor dieses Beitrags; es wird Zeit, genauer hinzusehen.

Die Linguisten mit ihrem Wissen und die Laien mit ihrem Sprachgefühl haben Recht, behalten es aber nicht. Das Bemühen um entpatrifizierte Ausdrucksweise mündet in Sprachhülsen, die Sprache wird so genießbar wie das Deutsch der Behörden. Die Debatte soll die Gegner des Genderns ermüden. Es gehört zum guten Ton, die Argumente des anderen gar nicht erst zu hören, geschweige denn zu lesen. Was wir jedoch verkennen: Den Genderbewegten geht es überhaupt nicht um die Sprache.

Vom Hölzchen aufs Stöckchen (® Baer)

Sie ist die Spielwiese, auf der Feministen ihre Stöckchen werfen und wir rennen. Unermüdlich bellend beflügeln wir ein Spektakel, das die Sache der anderen voran bringt, unserer aber keinen Deut weiterhilft.

Das Gendern „soll zur Sensibilisierung führen und Diskriminierung bewusst machen“, so vornehm kann man das ausdrücken. In Wirklichkeit geht es um mehr: Das Bewusstsein und der Sprachgebrauch der Bürger sollen umgestülpt werden. Diesem Zweck nützt jede Erwähnung, jeder Widerstand. Jede Kritik heizt die Debatte an, stets zu Gunsten der Gendermission, getreu der Hollywood-Weisheit: „Wenn ich mal nur erwähnt werde, Hauptsache mein Name ist richtig geschrieben!“ Tatsächlich kümmern sich die Feministen ein nasses Stöckchen um unsere Argumente, denn wir lassen sie die Regeln des Spiels bestimmen. Das dreht sich um die Gleichstellung der Frau, und was dabei aus der Sprache wird, kümmert sie nicht.

Sollte man meinen. Dass es um das Los der Frauen geht. Nicht nur wir verwechseln das Offenkundige mit dem Wahren. Sehen wir genauer hin. Um die Gleichstellung der Frau geht es den professionellen Feministen durchaus, aber nur nebenbei. Hauptsache sie finden sich in ihrem eifrigen Tun bestätigt. Sie überleben in einer Nische der subventionierten öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Suppe reicht für ungezählte Gleichstellungsbeauftragte, -bewegte und –forschende; sie bilden den harten Kern. Hinzu kommen die gutwilligen Mitläufer, die Kulisse der Sympathisanten. Das sind Millionen aufrechter Amateure, sie werden gebraucht zur Bildung einer kritischen Masse für politische Bewegtheit.

Sie verkennen die gesellschaftlichen Folgen einer ideologisch befrachteten Sprache, und wir erleichtern ihnen die Ignoranz, denn sie nehmen uns als Besserwisser wahr: Was ist schon das Gedeihen der Sprache, ein abstraktes Festhalten an Konventionen, gegenüber dem greifbaren Schicksal der weiblichen Hälfte der Menschheit? Wie können wir nur so eitel, so ungalant sein, uns der guten Sache mit semantischen und grammatikalischen Einwänden zu verweigern?

Haben wir dieses Dilemma verinnerlicht, ertragen wir auch die Weiterung. Halten wir fest: Die Profis überzeugen wir sowieso nicht, uns kann es nur um die Mitläufer gehen. Wir sollten aufhören sie zu verschrecken. Wir müssen uns besinnen, was wir Überzeugendes, Positives zu bieten haben. Setzen wir an dieser Stelle ein Lesezeichen, bevor wir im österreichischen Leitfaden (pdf) für einen „nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch“ nachschauen. Dieser gilt ausdrücklich „in Bezug auf junge und alte Menschen, Menschen mit Behinderung, Frauen und Männer, Schwule, Lesben und Transgender, Migrant/innen und Menschen mit einer anderen religiösen Zugehörigkeit.“ Aufgepasst, es geht ums Ganze, und das besteht von Anfang bis Ende leider nur aus Floskeln. Dabei ist es nicht nötig, dass irgendwer das Gerede ernstnimmt, Hauptsache, er lässt sich die Synapsen plätten, bis er die allfälligen Lippenbekenntnisse brav herunterbetet.

    Einer Sprache, die vor lauter Gehhilfen ihren geistigen Horizont verliert, hört keiner zu, ernsthaft gelesen wird sie schon gar nicht. Genau das ist Zweck der Übung: Wer die Sprache beherrscht, bestimmt das Denken.

Wer sich an dieser Übung beteiligt, ist selber schuld. Machen wir uns lieber Gedanken: Wie vermeiden wir ideologisch manipulierte Sprache? Wie verhalten wir uns einfühlend gegenüber den Betroffenen (können etwa nur Frauen putzen?), aber auch nicht scheinheilig (werden zum Schnitzel wirklich Zigeuner verarbeitet?). Unsere Kritik an der Zerstörung der Sprache beenden wir selbstverständlich nicht.

Oliver Baer @ 10:04
Rubrik: Gesellschaft
Lernen durch Schreiben

Beitrag vom 12. November 2017

Die arg strapazierten Grundschüler noch mit der Schreibschrift plagen, ist das zeitgemäß? Mittlerweile tippt doch jeder die Buchstaben einzeln auf seinen gläsernen Bildschirm, WhatsApp schlägt gleich ganze Wörter vor, sogar in der korrekten Rechtschreibung (oder auch nicht). Bald lassen wir das Tippen sein, da sprechen wir in das Flachfon, die Äpp wandelt das Gehörte in lesbaren Text um.

Wozu also vergeuden wir die Lernlust unserer Kinder damit, das Schreiben überhaupt zu lernen, geschweige denn mit der Hand? Ob in Buchstaben oder Wörtern, zusammenhängend oder getrennt, wen juckt es? Wer mit der Zeit geht, behält den Akkustand im Auge, er hofft auf Frieden rings um die Sendemasten, und dass in der Disco keiner das Flachfon klaut. Womit die griffigen Motive für eine Welt ohne digitale Krücken bereits genannt sind. Mit nassem Holz Feuer machen ohne Streichhölzer, das muss heute nicht mehr jeder können. Eigenes Denken wäre aber ganz nützlich, wenn auch nicht im Sinne der Anbieter nutzloser Produkte, denn dumme Kunden kaufen, was jeder kauft, man muss sie nur dumm halten. Dem steht eines im Weg: Eltern und Lehrer halten es lieber mit der Klugheit.

Ich kann vollkras schreim (® Fotolia)

Längst ist bewiesen, dass die Handschrift unverzichtbar ist. Kitakinder mussten Buchstaben auf dem Papier nachfahren und auf einer Spezialtastatur eingeben. An die selbst gemalten Buchstaben erinnerten sie sich besser. Das gilt auch für Erwachsene, jeder kann es zuhause probieren: Schreiben Sie Zeichen aus einer fremden Schrift auf Papier, tippen sie andere auf einer Tastatur ein. Welche bleiben stärker in Erinnerung? Wer kennt noch das Vokabelheft, in dem wir jedes neue fremde Wort notierten? Auch der Sinn und die Zusammenhänge sind besser erfassbar, wenn der Text mit eigener Hand geschrieben ist. Das konnte an Studenten nachgewiesen werden, die ihre Vorlesungsnotizen mit der Hand notierten. Sie schnitten besser ab als die mit dem Tastaturgeklapper.

Das Schreiben orientiert sich nicht an Buchstaben, sondern an Silben und Morphemen. Beim Schreiben können Kinder motorische Bewegungen ausführen, die sprachlich bedeutsamen Einheiten entsprechen. Kopf und Hand arbeiten nun mal zusammen, zu beiderseitigem Nutzen. Insofern geht es nicht nur darum, eine Kulturtechnik zu bewahren, es geht ganz handfest darum, dass motorische und kognitive Fähigkeiten trainiert werden. Das Gehirn muss schon im Alter der größten Lernwilligkeit, nämlich in der Grundschulzeit, regelrecht strapaziert werden.

Leisetreterei durch Vereinfachung, die Verschonung der Kinder vor Anstrengung führen nur dazu, dass sie als Schulabgänger weder vernünftig schreiben noch rechnen oder in größeren Zusammenhängen denken können. Je komplizierter die Abläufe im Gehirn beim Lernen sind, desto mehr wird im Gedächtnis abgespeichert. Beim Tippen von Buchstaben bleibt weniger hängen. Wer viel auf Tatstaturen schreibt, sollte es auch als Erwachsener wieder mit der Füllfeder in der Hand versuchen. Am besten rechtzeitig, bevor das Diktat das Tippen ersetzt, oder die wachsende Lust an der Gewalt den Frieden um die Sendemasten gefährdet.

In diesem Sinne lobenswert und rechtzeitig kommt die Initiative der Zeitung Deutsche Sprachwelt aus Erlangen, der Aktion Deutsche Sprache (ADS) aus Hannover und der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft (NFG) aus Köthen (Anhalt). Sie haben gemeinsam Unterschriften für eine Petition zur Rettung der Schreibschrift gesammelt und der Präsidentin der Kultusministerkonferenz Dr. Susanne Eisenmann überreicht. „Gut dem Dinge!“ hätte Walter Kempowski dazu gesagt.

Oliver Baer @ 10:04
Rubrik: Gesellschaft
Symbole sind zu schätzen

Beitrag vom 27. Oktober 2017

Gegenderte Sprache soll den Frauen zugutekommen. Tut sie aber nicht. Sie behindert die Gleichstellung der Frau, und je länger und gründlicher gegendert wird, desto weniger lässt sich der angerichtete Schaden umkehren. Geschädigt wird, außer den Frauen und unversehens, auch die Sprache. Sie wird mit Unsinnigkeiten durchsetzt, deren Gebrauch zum guten Ton gehört. An anderer Stelle werden die Klimmzüge beschrieben, die den Sprechern und Autoren zugemutet werden; hier betrachten wir eine Folge der genderbedingten Sprachverhunzung.

Was regt sich in uns, wenn da vorne am Mikrofon einer ansagt: „Liebe Kollegen und Kolleginnen!“ statt wie früher: „Liebe Kollegen!“ Nichts regt sich. Der Redner floskelt, und wir freuen uns auf sein Schlusswort. Da wir zwischendurch auch mal zuhören, bemerken wir, was bei uns ankommt. Es hört sich an wie „Liebe Kolleen und Kolleein!“ Das verzeihen wir dem Sprecher, derlei Abrieb kennen wir aus dem Alltag, er ist unvermeidbar, und wir hören, selbst wenn wir zuhören, sowieso nur die Floskel.

Lästiger ist schon der ganz Korrekte, der Silbe für Silbe artikuliert: Da sind die Mit-ar-bei-ter-in-nen kaum zu überhören. Was das bei uns bewirkt, geht nicht zugunsten der Frauen, sondern zu Ungunsten des vollmundigen Gleichstellers, der uns belehrt: „Hört her, ich trage das Los der immer noch Ungleichgestellten auf der Zunge!“ Sind wir gut aufgelegt, rufen wir im Stillen: „Is ja gut, bist ein Guter!“ Meist aber sind wir schlecht aufgelegt, uns nervt die ständige Wiederholung, da fehlt uns die Lust, überhaupt noch hinzuhören. Den Redner auszubuhen, sind wir zu höflich, außerdem gucken die Leute immer so. Was bleibt, ist eine miese Laune, und wer hat sie auszubaden? Die Frauen. Sie sind ja gottseidank schon fast gleichgestellt, den fehlenden Rest kriegen wir noch hin, also Ihr Guten, lasst es mal gut sein!

Mit feinsten Bockmist gedüngt (®Fotolia)

Im geschriebenen Deutsch liest sich das kein bisschen flüssiger. In einem fünfzeiligen Absatz kommen „die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ gleich viermal vor, obwohl wie so oft keine Rolle spielt, ob Weiblein oder Männlein. Betroffen sind Menschen, Leute, Bürger, Nachbarn, Mitglieder im Verein, Kollegen im Büro, aber wir Leser sollen sie trennen und wieder zusammenführen. Die zuvor im Sinne der Gerechtigkeit gebildeten Synapsen funken nicht mehr, sie glimmen, sie legen ganze Netze von Gedankengängen lahm, die sich ganz gerne weiter mit der Gleichstellung befassen möchten. Weil aber das Gehirn nicht stillsteht, entstehen neue Synapsen, und deren Signale sind gar nicht freundlich, da nistet sich ein Granteln ein, so dauerhaft wie der Straßenlärm vor der Tür. Der Unwillen durchkreuzt und überlagert die mit Wohlwollen vernetzten Bereiche im Kopf. Der Ingrimm wäre im Nu erlöst mit einem Klaps auf die Nuss des Schwätzers, das geht aber nicht, sein Text ist geschrieben, der Autor unerreichbar. Da hilft nur der Leserbrief, oder man pöbelt im Internet, was weder der Frauensache noch der Sprachpflege dient.

Warum machen die gleichstellungssympathischen Synapsen schlapp, kann man die nicht umschulen? Etwa durch beharrliches, noch häufiger wiederholtes Gendern? Eher nicht, denn da steht dem Erfolg eine Fähigkeit entgegen, die wir als Kinder erworben und bis ins Alter nicht vollends verschüttet haben. Wir unterscheiden trennscharf zwischen Rede, die wir schätzen und Floskeln, die wir verachten („Er schon wieder“). Kinder kann man schlecht anlügen, sie merken, wenn einer falsch singt.
Das Gehirn zweigt den Kitsch hierhin ab, das Echte dorthin. Als Erwachsene schalten wir den mentalen Kitschmelder ein, wenn wir die Netze im Gehirn mit frischen Impulsen beleben, wenn wir die aufrichtig gemeinten Symbole vom Kitsch bewusst unterscheiden. Beide, die Symbole wie der Kitsch verwenden die Sprache, manchmal sogar dieselben Worte. Der Unterschied ist wichtig, denn im Kitsch denken wir anderer Leut Gedanken, keine eigenen. Selbst wenn uns beim Lesen oder Zuhören nichts sofort auffällt – so abgehärtet wird man ja – im Stillen funken die neuen Synapsen und die sympathischen älteren lassen wir verkümmern. Schade drum, im eigenen Interesse.

Symbole sind zu schätzen, nicht zu verheizen! Als moderne Männer stehen uns die modernen, gleichgestellten Frauen näher als die Hollywood-Püppchen der Fünfziger Jahre („Streng dein hübsches Köpfchen nicht an“). Wir fühlen uns von den ach so Guten über die Kante gezogen, wir sind sogar zum Fremdschämen genötigt, denn vor unseren Augen werden die Frauen bloßgestellt: als Wesen, denen zuliebe die Sprache bis zur Ungenießbarkeit verbogen wird, damit sie zu ihrem Recht kommen. Da könnte man glatt wieder galant werden und den Frauen die Tür aufhalten: Auf in die frische Luft, in die Freiheit von sprachlicher Bevormundung! Ach ja, und nehmt die Guten, die ideologischen Artikulierer gleich mit, sie gehören gründlich durchgelüftet.

Oliver Baer @ 10:02
Rubrik: Gesellschaft
Starke und schwache Worte aus dem Bundestag

Beitrag vom 26. Oktober 2017

Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Johannes Singhammer (CSU), hat mit seinen Kollegen Axel Schäfer (SPD) und Gunther Krichbaum (CDU) einen neuen Kurs zur Stärkung der deutschen Sprache verlangt.

Insbesondere vier „Punkte mit Symbolwirkung“ nannten sie, drei davon betreffen Deutsch an den Hochschulen: Forschungsergebnisse, die mit Bundesgeldern gefördert werden, müssten demnach immer auch in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Tagungen in Deutschland dürften mit deutschem Steuergeld nur dann finanziert werden, wenn Deutsch zumindest eine der Konferenzsprachen ist. Vorlesungen und Prüfungen bei den Master-Studiengängen in den deutschen Exzellenzuniversitäten sollten immer auch in deutscher Sprache angeboten werden. Harmlose Forderungen, keiner verlangt Englisch von den Universitäten zu verbannen. Die Abgeordneten bitten darum, dass Deutsch wenigstens an zweiter Stelle stehen möge.

Regierung wiegelt ab

Von den Besten nichts Neues (® Fotolia)

Wie üblich lässt sie die Regierung auffahren. Deutschland profitiere von einem intensiven internationalen Austausch, so Kanzleramtsminister Altmaier, die Internationalisierung habe einen großen Anteil am Renommee deutscher Forschungsund Bildungseinrichtungen im Ausland.

Die immer gleiche verlogene Litanei. Hat irgendwer behauptet, der Austausch würde Deutschland schaden? Und was bedeutet Internationalisierung? Dass sie nur auf Englisch stattfindet, nämlich auf schlechtem Englisch? Dass sie nur gelingt, wenn die Universitäten auf Deutsch verzichten, weil es im Wege steht? Das ist so dürftig durchdacht, es ist peinlich. Es beweist, dass zum Denken mehr gehört als die spontanen Reflexe des Politikers. Herr Altmaier, selbst wenn alle Beteiligten ausgezeichnetes Englisch beherrschten, wäre eine geistige Monokultur abzulehnen. Sie entsteht bereits, da die Hochschulen auf die Weltsprache Englisch setzen. Sie verkennen, dass die verschleifte Weltsprache für den akademischen Diskurs nicht genügt. Englisch ist nicht wie Englisch. Und selbst wenn: Das ist, als würden wir nur Mais anpflanzen, den kann man wahlweise essen oder verheizen, wunderbar, und vergessen wir die Vitamine, die höheren Nährwerte!

Noch einmal, zum Mitschreiben

Wissenschaft blüht in der Vielfalt. Amerikaner denken anders als Deutsche, und das ist gut so: Denken und Sprache wirken aufeinander ein. Auf Englisch oder Deutsch zu Ende gedacht, kommen zum selben Problem ungleiche Lösungen zutage. Der Forschung und Lehre schadet es, wenn wir den Horizont durch einen Tunnel betrachten.

Selbst wenn wir das trotzdem für richtig hielten: Das Englisch der Wissenschaftler genügt nicht, um den Austausch auf höchstem Niveau (auf dem muttersprachlichen Niveau) zu gewährleisten, und dieser Mangel lässt sich auch mit Zwang nicht hinlänglich verbessern; Ausnahmen bestätigen die Regel. Dass Wissenschaftler mit ihrem Stummelenglisch mehr als einen zweitklassigen Austausch hinbekämen, gleicht einer Fata Morgana. Zehntausend handverlesene Dolmetscher und Übersetzer auszubilden (die ihren Beruf wie ein Geiger üben: täglich stundenlang) ist realistischer als die gesamte Wissenschaftsgemeinde auf ein Niveau zu heben, wo sie den Austausch auf Augenhöhe mit englischen Muttersprachlern betreibt.

Worauf alle gern hereinfallen

Woran liegt die Fehleinschätzung, der nicht nur Peter Altmaier verfällt? Mit seiner Illusion lebt, wer zu dem Problem nicht weiterdenkt. Das hat vier Ursachen. Man weiß es nicht besser, woher auch, wie viele Abgeordnete kennen sich in der Forschung aus? Sodann verwechseln auch Wissenschaftler die Fähigkeit zu lesen mit der des Schreibens. Dass sie einen englischen Fachartikel begreifen, ist kein Beweis, sie könnten ihn selber geschrieben haben. Sodann gilt es auch ihnen, wenn die Brüsseler Dolmetscher den Gebrauch der Muttersprache anmahnen: „Dann verstehen wir, was Sie meinen und können es übersetzen“ – vergebens, es wird weiter auf Englisch gestümpert. Womöglich wiegt am schwersten die sprachliche Eitelkeit der alten Männer, und die Frauen sind gerade zum Gendern draußen. Übrigens ein Vorgang, der den Gebrauch der deutschen Sprache unter dem Schirm englischer Begriffe wie „Gender Studies“ zu regulieren sucht.

Eine Wissenschaft, die auf ihre Terminologie in der Muttersprache verzichtet, amputiert sich selbst. Zugleich geht ihr die Fähigkeit verloren, komplizierte Vorgänge (wofür die Begriffe noch fehlen) so bildhaft zu beschreiben, dass aus dem Austausch frische Ansätze für den Erkenntnisgewinn entstehen. Offenbar begreift nur eine Handvoll universitär vernetzter Politiker, was auf dem Spiel steht. Alle Beschwichtigungen beweisen nur, dass die Bundesregierung keine Lust auf dieses Thema hat. Und so mancher Wähler keine Lust auf diese Regierung.


Nachgedruckt in Sprachnachrichten Nr. 75 des Vereins Deutsche Sprache

Oliver Baer @ 10:03
Rubrik: Gesellschaft