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wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Kann Spuren von Information enthalten

Dienstag 1 November 2022

Spuren von Information sind zu erahnen

Spuren von Information sind zu erahnen

Die Sprache versagt. Einfachste Information misslingt, die Leute reden aneinander vorbei. Könnte man sich das Gerede sogar sparen? Was läuft da schief, und ist die Sprache daran schuld?

Nichts ist so leicht wie andere zu informieren, sollte man meinen. Da jedoch hat Wolf Schneider die Latte hoch gelegt: „Information heißt aber nicht: Ich will etwas mitteilen, nicht einmal: Ich will mich bemühen, etwas verständlich mitzuteilen, sondern: Ich bin verstanden worden.“ Diesen letzten Satz dürfen wir getrost noch einmal lesen, ganz langsam, denn er stört so schön. Da steht: verstanden worden, nicht etwa: Ich werde verstanden, vielleicht, irgendwann, wenn alles gutgeht: „Die sollen halt rückfragen!“ Mit anderen Worten: Wurde ich nicht verstanden, hat Information nicht stattgefunden. Das tut weh. Dann würde vieles, womit wir einander in den Ohren liegen, wenig nützen. Oder schaden, falls wir glauben, wir hätten zur Verständigung etwas geleistet.

Keine Information ist zum Beispiel: „Bis 2030 werden 3000 Kilometer Radwege gebaut!“ Der Wunsch wird zwar verstanden, aber als das, was er ist: Ach ja, eine der üblichen Versprechungen, daraus wird eh nichts! Was also ist eine Information? In der Alltagssprache ist sie zunächst eine Nachricht oder eine Mitteilung, dazu zählt die Auskunft: „ICE 1711 hat 25 min. Verspätung“. Daran ist, nun ja, erst einmal nichts auszusetzen: Wenigstens sind wir informiert.

Information kann auch Unterweisung bedeuten: „Bis Freitag steht der Anschluss, sorgen Sie dafür!“ Da genügt es nicht, etwas geäußert zu haben, nur damit wir im Recht sind: „Das hatte ich Ihnen aber so gesagt!“ Wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Worte unter die Haut gehen: Da soll sich jemand verhalten – gegebenenfalls wehren, und zwar gleich: „Chef, schaffe ich nicht, wird erst in zwei Wochen fertig.“ Bei wem liegt nun die Pflicht zur Vergewisserung: Verstehen wir einander wirklich?

Schließlich kann Information Belehrung bedeuten: „Beim Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt machen wir eine Sprechpause, denn das gehört sich so.“ So wird die freundliche Frau im Fernsehen zu einem Teil von jener Kraft, die stets das Gute will, aber das Böse schafft, denn wenn die Leute eines nicht mögen, dann ist es ein Gouvernanten-Gehabe beim Gendern. Zwar versteht jeder, was gemeint ist – mithin wäre es gelungene Information – aber mit welcher Folge? Die nette TV-Person müsste ihrerseits etwas verstehen, nämlich dass sie zumeist nicht „richtig“ verstanden wird. Sie möchte, dass wir mitmachen beim Zeigen von Symbolen, zum Beispiel neu zu benennen, was anderen wehtut. Dem liegt der Irrtum zugrunde, die Belehrung müsse nur genügend kommuniziert werden, damit sich die Sprache zum Guten wandle und die Welt gerecht werde. Das aber ist falsch: Kommunikation findet statt, sobald zwischen Sender und Empfänger ein Austausch entsteht, nicht bloß als ein Abnicken: Hab’s kapiert! Symbole zu bedienen beruhigt: Ich gehöre zu den Guten und so möchte ich auch gesehen werden.

Aber Symbole wirken, wenn sparsam verwendet, am stärksten. Wolf Schneiders Bedingung wäre daher etwas hinzuzufügen, damit wir, Leser und Autor, über das Gleiche sprechen. Dass dir meine Worte unter die Haut gehen, bedeutet noch nicht, du hättest sie in meinem Sinne verstanden. Es müssen auch zwei Köpfe ins Spiel kommen, deiner und meiner – in stiller Übereinkunft, oder in einem Gespräch (dann wird aus Information Kommunikation) und wir verständigen uns zum Beispiel über den sinnvollen Umgang mit Sprache und Symbolen.

Zurück zur Plauderei, auch sie kann Spuren von Information enthalten. Für sie gelten die Gebräuche der Geselligkeit, des Humors, der Verführung, des Tratsches am Gartenzaun. Auch für die Ehe: „Der Müll müsste mal runter!“ klingt wie falsch gesungen. Klüger wäre: „Die Nachbarin ist gerade an der Tonne, da kannste flirten; und hallo: Jetzt nimmste aber die Mülltüte mit!“ So gelingt der Alltag, der Haussegen hängt im Lot und mit der Sprache gehen wir bitte behutsam um, vielleicht liebevoll – so als wüssten wir, sie ist etwas wert. Anschließend lasst uns wieder über Literatur, über Wissenschaft, über Journalismus sprechen. Übrigens versagt nicht die Sprache, das kann sie gar nicht. Das können nur wir, ihre Anwender, indem wir gelegentlich das Verstehen nicht verstehen.


In den Sprachnachrichten des VDS erschienen im November 2022


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