Beitrag vom 14. September 2023
Was bringt’s?
Gendern muss sein, etwa in der Medizin. Fragwürdig ist das Sprachgendern. Den Frauen bringt die sprachliche Sichtbarmachung rein gar nichts, den LGBTQ+ noch weniger; sie macht die Sprache sperrig, sie erschwert die Verständigung, und Literatur wäre damit kaum noch möglich. Für Laien sind sprachwissenschaftliche Einwände schwer zugänglich, und von Genderbewegten werden sie gar nicht erst wahrgenommen. Sie kommen hier nur spärlich vor.
1 Gerechte Sprache gibt es nicht
Sprache soll gerecht sein und sensibel. Das leuchtet ein, aber kann sie das? Sprache versteht nicht, was da von ihr verlangt wird, sie ist kein Mensch. Sie meint nichts, kann auch nicht mitmeinen. Gerechtigkeit bringen nur wir Menschen fertig, wenn wir dabei versagen, nützt auch gegenderte Sprache nichts.
Manche finden es anmaßend, wenn Genderbewegte trotzdem glauben, sie schüfen so eine gerechtere Welt. Solche Illusionen unterstützen eine Lüge, statt zu nützen.
2 Sprache verändert „sich“ nicht
Das sagt sich so leicht, es liegt einem geradezu auf der Zunge. Aber die Wortwahl „verändert sich“ führt in die Irre. In Wirklichkeit wird Sprache verändert: von uns allen, von der Sprachgemeinschaft. So entsteht Sprache seit jeher. Sprache kann keine Ärmel hochkrempeln und verkünden: „Ich will nur noch gut sein!“
3 Angestrengtes Steuern
Sprache wird von allen Bürgern gebildet, verbildet, umgebildet. Das geschieht seit Jahrhunderten geradezu basisdemokratisch und unangestrengt. Gezielte Eingriffe von oben gelangen stets nur ausnahmsweise und auch dann nur im Einklang mit der Sprachgemeinschaft (Perron wurde zum Bahnsteig, als und weil die Leute das Oberschichten-Französisch satt waren).
4 Gendern schützt vor Bosheit nicht
Angenommen es stimmte, dass Sprache Frauen unsichtbar mache, und Sprachgendern würde das heilen: Wieso sind finnische Frauen besser dran als türkische, wo es doch in beiden Sprachen ein gender (grammatisches Geschlecht) gar nicht gibt? Als eine Ursache für Diskriminierung ist Sprache daher so wenig beweisbar wie die Zahl der Storchennester die Geburtenrate erklärt.
5 Mitleid und Häme – unnötig
Alle Versuche, eine Sprachweise zu erzwingen, ernten wie die Jahresendfiguren und die Winkelemente aus der DDR ein mattes Lächeln. Häme hat die Sache der Frauen nicht verdient.
Übereifer beim Sprachgendern lähmt das Gehirn: Mit Prostatapatient*innen blamiert man sich, auch mit der Witwerin. Woanders wurden Braunbären zu Veganer:innen, und Islamist*innen zählten zu den Taliban. Sorry, aber solche Blüten gelingen nur mit ausgeknipster Birne. Denken bleibt unverzichtbar.
6 Knappe Haltwertszeit
Die Leute reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Was ihnen zu lang, zu umständlich ist, lassen sie sein, das geschieht ganz von alleine. Sprachgendern ist sperrig, verschwindet wieder. Erinnern wird man sich an das Vergängliche, an eine Mode – die allerdings einigen Schaden hinterließ.
7 „Sprache schafft Wirklichkeit“
Genau! Sie wird den Ukrainekrieg beenden, so wie das schon im Jemen und in Syrien gelungen ist. Sprache wird Drogen vernichten, die Prostitution, also alles Böse. Derlei Gerede lenkt ab und bewirkt, dass Sprache weniger ernst genommen wird.
8 „Sprache macht selbstbewusst“
Klar kann Sprache dazu beitragen, aber welches Bewusstsein entsteht, wenn Mitmacher die Gendersignale nur so herunterbeten wie ein eiliges Ave Maria und die Signale abgenutzt werden wie in den Schlagern die Liebe? Oder sollen alle so pointieren wie Petra Gerster – das hielte dann länger? Wirklich?
9 Frauenrechte gelten weltweit, oder?
Diskriminierung von Frauen und LGBTQ+ muss weltweit enden, auch in Sprachen, deren Grammatik kein Genderproblem kennt. Zum Beispiel Englisch und Chinesisch kommen ohne aus und bringen das meiste Gewicht auf die Waage, gegen sie ist nichts durchsetzbar. Der Welt fehlt ein deutscher Sonderweg wie dem Bäcker eine Kreissäge.
10 Genderzwang gibt es nicht?
Es werde „keiner zum Gendern gezwungen“, heißt es in goldiger Scheinheiligkeit. Ganz Ähnliches gilt für die Pflege gewisser Körperteile: Es besteht kein Waschzwang. Aber wer nicht mitgendert, dessen Jüngste bleiben zum Kindergeburtstag ausgeladen.
11 Apropos Taktgefühl
Während auf dem Fußweg nach Dschidda äthiopische Frauen von saudischen Grenzern niedergemetzelt werden und Tausende ukrainischer Kinder von den Russen verschleppt bleiben, kann einem schon mal peinlich vorkommen, wie wir echte Probleme hierzulande mit fadenscheinigen Lösungen überkleben.
12 Genuschelte Gendersprache
Man muss Olaf Scholz nur zuhören, wenn er die Bürer und Bürer beschwört, aber Bürger und Bürger:Innen meint. Kein Vorwurf, so reden viele ohne Absicht, auch Katarina Barley klingt so. Im normalen Sprachgebrauch werden Laute verschliffen, deshalb geht Sprachgendern zum einen Ohr herein, zum anderen hinaus, und es hinterlässt kaum Spuren – außer Gleichgültigkeit.
13 Eine Pein für Auge und Ohr
Dagegen sorgen Eifrige durch me-ga-deut-li-che Be-to-nung, dafür, dass „Genossinnen und Genossen“ im Radio und Fernsehen unterscheidbar bleiben. Das ist gut gemeint, aber es erfreut nur die Ohren und Augen der sowieso schon Überzeugten, alle Übrigen schreckt es ab, die man für gerechteres Handeln noch gewinnen könnte.
14 Abgehobenes Gendern
Sprachgendern ist den Bürgern zu akademisch und es gilt – wenn sie es überhaupt wahrnehmen – als Nötigung durch „die da oben“. Wie klug ist es, Frauen- und Minderheitenrechte gegen die Alltagswahrnehmung auszuspielen, statt Verbündete zu gewinnen? Rechthaberei ist jedenfalls respektlos.
15 Böse beschimpfen Böse als Böse
Sprachpolizisten beschimpfen Sprachpolizisten als Sprachpolizisten. Und Recht hat, wer es zuerst schreit?
16 Unter dem Deckmantel munkeln
Diskriminierung lässt sich unter dem Deckmantel des Sprachgenderns bequem und tüchtiger fortsetzen: „Was wollen Sie denn: Wir gendern doch!“ Dass Sprachgendern oft nur Lippenbekenntnis ist, lässt sich eigentlich am Tonfall erkennen – sofern man überhaupt noch hinhört.
17 Auf die Knie die Männer!
In der Sprachgemeinschaft hält sich der – natürlich total abwegige – Verdacht, dass es nicht um Gerechtigkeit ginge, sondern um eine Geste der Unterwerfung, um den Kotau der Männer vor den Frauen. Wie Wilhelm Tell den Hut des Geßler zu grüßen hatte.
18 Um des lieben Friedens willen
Sprachgendern aus Taktgefühl wäre z.B. die Beidnennung wie Liebe Österreicherinnen und Österreicher, aber liebe Deutsche und Deutschinnen? Man könnte Damen und Herren! durch Menschen! ersetzen. Mancher wäre bereit zum Femininum (die Arzt) oder zum Neutrum (das Arzt). Oder für ein generisches Femininum. Viele Ideen, alles Kopfgeburten. Denn so funktioniert Sprache nicht: Die Leute machen mit, oder auch nicht, in diesem Fall tut es die Mehrheit genau: nicht. Darunter Millionen Frauen.
19 Symbole verheizen
Wenigstens wegen der Symbolik solle man mitmachen! Aber die Symbolik wird in den Medien rund um die Uhr plattgebügelt. So verramscht man Symbole, denen man wohl selber nicht traut. So zerstören die Genderbewegten eigenhändig Chance, die das Sprachgendern vielleicht noch gehabt hätte.
20 Wem das Sprachgendern schadet
Sprachgendern diskriminiert Behinderte, Flüchtlinge, Grundschüler, Legastheniker, Analphabeten – so darf man sie selbstverständlich nicht nennen, aber sie mit Sprachgendern zu piesacken geht in Ordnung?
21 Sprich weiter, ich hör eh nicht hin
Alte Weisheit guter Redner: Je sperriger die Rede, desto eher schwindet die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Zu vermeiden sind Fremdwörter, Bandwurmsätze und Sprachgendern. Oder soll keiner genau hinhören?
22 Futter für den Amtsschimmel
In Ämtern und Behörden wird Sprache besonders pflichtbewusst gegendert. Dabei ist der Schimmel schon schlimm genug zu verstehen. Das erleben Steuerzahler als Überheblichkeit, und Ausländer verstehen kein Wort. Aber die spielen keine Rolle?
23 Sprachwissenschaft, gibt’s die?
Genderbewegte widerlegen die ausführlichen Einwände renommierter Sprachwissenschaftler nicht, sie hören sie gar nicht erst. So arrogant kann man sein, aber es zeigt, auf welch schwachen Füßen die Sprachgenderfreunde herum stolpern. Nebenbei zeugt es vom mangelnden Respekt, den umgekehrt sie aber einfordern.
24 Studien ohne Beweiskraft
95 % der Grundschullehrer sind zwar Frauen, aber die Kinder denken bei „Lehrer“ nur an Männer? Ist das wahr? Mit so viel Übereifer manipulierte Studien der Psycholinguistik halten aber keiner Überprüfung nach wissenschaftlichen Kriterien stand: Sie sind nicht repräsentativ, sie enthalten Vermutungen statt Beweise. Die Psycholinguistik gegen die Sprachwissenschaften auszuspielen, kann man getrost den Wissenschaftsleugnern überlassen.
25 Es wimmelt von alten Männern
Gegner des Sprachgenderns seien vorwiegend ältere Herrschaften, die ihre Sprachgewohnheiten verletzt sehen, wahlweise auch: … die um ihre Dominanz über die Frauen fürchten. Das klingt ja so schlüssig, es kann nur stimmen! Wenn einem nichts Intelligenteres einfällt. Auch wenn es, nebenbei gesagt, die Alten diskriminiert. Nach dieser Logik hätte auch Arthrose, wer dreimal niest. Oder Recht hätte, wer am lautesten telefoniert. Sagt mal, geht’s noch?
26 Homophob, frauenfeindlich usw.
Auch Wer nicht gendert, ist frauenfeindlich ist kein Argument, sondern eine Unterstellung aus der untersten Schublade. Demnach wäre gegen Gemüse, wer Sauerkraut ablehnt. Kann man in der Debatte tiefer sinken? Verleumdung musst du oft betreiben, es wird dann auch was hängen bleiben.
27 Karl Marx rechtsradikal
Wer sich für Deutsch einsetzt, ist ein Nazi. Das ist zwar kein Argument, aber hinlänglich bewiesen: Es galt bereits für Bertolt Brecht, Erich Kästner, Heinrich Böll, Max Frisch, schon vorher für Heinrich Heine, Karl Marx, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin – alles rechtsextremes Gesocks, und von Sprache keine Ahnung…
28 Sprache ist im Wandel
Stimmt, aber wer wandelt da? Die Sprachgemeinschaft, oder einige Wenige? Dass es schon immer Eliten gewesen sein sollen, ist eine Annahme, und zwar eine falsche. Schon immer war es das Volk. Das Wort deutsch ist abgeleitet vom althochdeutschen thiutisk, das bedeutete zum Volk gehörig, also nicht zu einer Minderheit, die sich für besser hält. Auch das ist eine Tatsache.
29 Beifall ändert keinen Sachverhalt
Dass auch Braune das Sprachgendern ablehnen, ist als Killerargument zu dürftig. Sonst müsste man die Demokratie ablehnen, weil im Bundestag die AfD vertreten ist; diesen Gefallen muss man ihr nicht tun.
30 „Neutral“ bleiben
Neutral sind Gegner des Sprachgenderns: Sie verteidigen die Landessprache gegen Sprachmissbrauch rechts- und linksaußen.
31 Verlogenheit
Klimaleugnende gibt es keine, nur Klimaleugner. Da wird selektiv gegendert, wie schon bei den Nationalsozialistinnen und Terroristinnen – unter Verzicht auf Genderkorrektheit. Absicht? Aber nein, nichts weiter als Sprachgebrauch ohne Hirn und Verstand.
32 Jeder gegen alle
Ein Beispiel für viele: Jeder/jede/jedes soll wegen der Endung /er/ wegfallen und stattdessen soll alle gesagt werden. Ein feiner, wichtiger Unterschied. Wer diesen nicht erkennt, leidet bereits an Sprachverarmung, die durch Sprachgendern schlimmer wird.
33 Warum gendern so wenige Frauen?
Warum wohl? Nele Pollatschek, Svenja Flaßpöhler, Elke Heidenreich und Millionen andere möchten nicht auf ihr Frausein beschränkt werden. Übrigens möchten auch Männer nicht pausenlos an Sex denken müssen. Nele Pollatschek nennt das Sprachgendern eine „sexistische Praxis, deren Ziel es ist, Sexismus zu bekämpfen.“
Das Wort gender ist englisch, es kommt aus dem Lateinischen genus = Typ, Rasse. Es hat dieselbe Wurzel wie genre. Das Geschlecht der Habsburger hat mit dem biologischen Geschlecht (lateinisch sexus) nichts zu schaffen. Gender bezeichnet das grammatische Geschlecht. Auch die Musik hat zwei Geschlechter: dur und moll.
Verwechslungen mit dem biologischen Geschlecht sind verständlich, aber man muss sich dabei nicht erwischen lassen. Auch wenn die Biologie nur zwei zulässt, können „gefühlt“ doch viel mehr Geschlechter existieren, kein Problem – sie aber auch sprachlich unterzubringen, ist zu viel verlangt. Sicherlich hätte es mehr genützt, den grammatischen Geschlechtern Farben zuzuweisen.
Was der Genderdebatte fehlt, ist der gute Wille, den es bei Don Camillo und Peppone auch unter ideologischen Gegnern noch gab.
©Oliver Baer 2023
Problemzonen des Sprachgenderns v6