baerentatze

wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Aufrichtigkeit kommt an

Freitag 1 Juli 2022

Es gibt Sprache, die zu verbessern ist: in den Wissenschaften, in ihrer Verständigung mit dem Rest der Welt, den Bürgern, Steuerzahlern, Wählern.

Zu wenige von uns Laien im Lande verstehen die Regeln der Wissenschaften, wir können nicht nachvollziehen, was die Wissenschaftler anstellen, und wie sie (auch wir) mit den Widersprüchen umgehen sollten. In aller Regel wird die Sprache von Wissenschaftler allenfalls von Kollegen verstanden. Vermutlich sollen wir Übrigen einfach glauben? Das passt uns intuitiv nicht, denn wer nichts weiß, muss alles glauben, also bleibt zu viel Spielraum für Blödsinn. Der halbgar zur weiteren Fütterung medial vervielfältigt wird. Die Wissenschaftler haben aber dafür zu sorgen, dass sie verstanden werden. „Der Autor soll leiden, nicht der Leser“, sagt Wolf Schneider, dem wir auch diese Klarstellung verdanken: „Information heißt nicht: Ich will etwas mitteilen, nicht einmal: Ich will mich bemühen, es verständlich mitzuteilen, sondern: Ich bin verstanden worden.“ Das tut weh, denn was wir Menschen von uns geben, davon ist das meiste kaum zur Information zu gebrauchen, geschweige denn zur Verständigung. Dazu gehören nämlich zwei, sie senden und empfangen, hoffentlich abwechselnd, ach ja, und es nützt, wenn schon mal zugehört wird.

In Sachen Klima, Corona, Krieg, Teuerung, Hunger, Flüchtlinge können Wissenschaftler dafür sorgen, dass der Bürger zur Abwägung fähig wird: Ah, jetzt habe ich im Wesentlichen kapiert, worum es geht, und für den fehlenden Rest schenke ich Vertrauen. Wem? Dem, der auf Widersprüche ernsthaft eingeht und verstanden wird. Von dieser Wirklichkeit sind wir weit entfernt, sonst kämen nicht so viele Lautsprecher mit der Verbreitung von Mythen durch. „Wenn Sie es nicht einfach erklären können, verstehen Sie es nicht gut genug“, soll Einstein vielleicht etwas übertrieben haben, aber das Bemühen wäre schon mal ein Anfang.

Liebe Wissenschaftler, verraten Sie uns Ihren Standort, sprechen und schreiben Sie in der Ich-Form, seien Sie Personen, nennen Sie Ihre Ziele, gestehen Sie Ihre Zweifel. Erzählen Sie, wie Sie zu Ihren Erkenntnissen gelange. Verwenden Sie bilderreiche Sprache, denn „Metaphern sind nicht nur unvermeidlich bei der Vermittlung von spezifischem Fachwissen an ein Laienpublikum. Sie sind in der Forschung ein wichtiges Hilfsmittel, damit neue Erkenntnisse Gestalt annehmen können“, hält Ulrike Hoffmann−Richter dem akademischen Sprachmissbrauch entgegen. Der Germanist und Linguist Harald Weinrich spottete gar: „Wehe aber, wenn er seine Sätze anders bildet als es sich für einen Wissenschaftler gehört! Wer also mehr ,ich‘ sagt, wer mehr erzählt, oder wer mehr Metaphern gebraucht, als es in wissenschaftlichen Veröffentlichungen schicklich ist, der geht ein hohes Risiko ein oder gerät doch wenigstens gegenüber seiner Zunft in einen starken Rechtfertigungszwang. Hier, nicht im Bereich der Terminologie, liegen die eigentlichen Empfindlichkeiten der Wissenschaftssprache.“

Zweierlei ist dem hinzuzufügen. Erstens ist Deutsch, nicht Stummelenglisch, die Landessprache der Bürger, Steuerzahler, Wähler, zweitens brauchen diese die vertraute Grammatik, da funkt das Sprachgendern dazwischen, es dient der Verdummung. Ohnehin ist Gerechtigkeit durch Taten, nicht Wörter zu erzielen. Es fehlt ein Drittens: Auch die Medien stehen in der Pflicht und mit ihnen die Politik. Immer nur gegen andere zu punkten, weil denen gerade die Schlagfertigkeit fehlt, oder weil sie gar nicht anwesend sind, ist Effekthascherei – mit tausendfach platt geschlagener Sprache. Kein Wunder, dass die Bürger die Lust verlieren. Aufrichtigkeit kommt an, eine Handvoll Politiker zeigt aktuell, wie das geht. Doch, das kann man als Bürger von allen verlangen! Die Wissenschaftler können die Vorbilder sein.

Wir blamieren uns doch auf die Knochen, wenn wir die Sprache behandeln wie Plastikmüll: bis zur Wertlosigkeit wiederverwerten und am Ende den Mist doch verbrennen. Wir, das sind auch die Leser und ich, der Autor dieses Beitrags. Fangen wir schon mal an: Erst denken, dann reden, auch mal die Klappe halten.

 


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