Geschlechterforschung, auch als gender studies bekannt, betrifft nicht nur das Gendern von Sprache. Neben allerlei Aktivismus, der als Wissenschaft gelten soll, gibt es Nachholbedarf für Forschung in Naturwissenschaften und Technik. Das Gendern und das Sprachgendern sind zweierlei Problemfelder, das wird deutlich an medizinischen Beispielen.

Männer haben sich schneller mit Covid infiziert als Frauen, das ist erwiesen, auch, dass Frauen mit Herzinfarkt im Durchschnitt eine Stunde später in der Notaufnahme landen als Männer. Der Infarkt wird zu spät diagnostiziert, weil Frauen oft nicht die vertrauten, anscheinend typischen Symptome wie Schmerzen in der Brust oder Kribbeln im Arm aufweisen, sondern zu Übelkeit und Rückenschmerzen neigen. Medikamente werden fast ausschließlich an Männern getestet; dadurch sind sie für Frauen häufig unwirksam oder gefährlich. Ein Maß an Nüchternheit im Genderstreit wäre also gerechtfertigt, damit wissenschaftliche Sorgfalt auch mit Bezug auf Geschlechtersensibilität geschätzt wird.
Den Zorn der Frauen kann man verstehen. Warum hat bei der Auswertung des Datenmaterials aus Tausenden Studien keiner hinterfragt, ob diese oder jene Datencluster vielleicht mit dem biologischen Geschlecht begründbar wären? Was ist aus dem ganzheitlichen Denken geworden? Findet ernsthaftes Bemühen in der Geschlechterforschung statt? Offenbar ja und nein. Aufgeben kann man die Versuche, das Sprachgendern wissenschaftlich zu rechtfertigen. Alle Liebesmüh ist umsonst, denn dort geht es um etwas, das es nicht gibt und daher nicht beweisbar ist: gerechte Sprache. Wie oft muss man es noch erklären? Sprache ist zur Gerechtigkeit so fähig wie zum Schneeschaufeln; Sprache ist kein Lebewesen, dem man die Vorurteile austreiben könnte. Sprache kommt uns ungerecht vor, das mag sein, aber nur, weil wir das, worum es wirklich geht, nicht durchsetzen. Zur Erinnerung: Gerechtigkeit, nicht Sichtbarkeit! Hören wir auf, den Tisch zu belehren, weil wir uns daran gestoßen haben.
Die Geschlechterforschung ist, wo sie wissenschaftlich betrieben wird, ein Feld, das nicht mit der Gleichstellungspolitik verschränkt werden darf, warnt der Wissenschaftsrat. Leider drückt er sich davor, den Ideologen in der Frauenforschung die gelbrote Karte zu zeigen. Zwar habe der Rat über das Spannungsfeld „zwischen Aktivismus und Forschung“ diskutiert, konnte die Frage inhaltlich aber nicht vertiefen, berichtet die ZEIT; daher die ängstliche Formulierung: „Ein emanzipatorisch-aufklärerisches Ziel zu verfolgen, steht nicht im Widerspruch zum Status als Wissenschaft.“ Moment mal. Nicht die Geschlechterforschung soll plausibel machen, wozu sie gut ist, sondern alle Fakultäten sollen erst einmal die Richtigkeit ihrer Gesinnung darlegen? Das ist Beweisumkehr, sie kommt nicht infrage. Die Diszipliniertheit, ohne die wissenschaftliches Arbeiten wertlos ist, ist selbstverständlich. Keiner soll sich dafür rechtfertigen müssen. Wir sind hier nicht in wilhelminischer Justiz: Angeklagter, Sie haben die Reinheit Ihrer Gedanken zu beweisen!
Warum diese Feigheit vor dem Furor eines übel verstandenen Feminismus? Den Sprachgenderbewegten geht es um Aufmerksamkeit, denn mehr ist für sie nicht drin, und das wissen sie. So fallen sie auf die digitale Scheinwelt herein, Hauptsache viele Klicks: Gucken, die Leute sollen gucken und ein schlechtes Gewissen bekommen! Dem fehlt aber der Sinn, dagegen haben sämtliche Geschlechter ein gemeinsames Interesse. Wenn wir die Gier nach Aufmerksamkeit mit Fortschritt verwechseln, vergeuden wir Energie, die zur Lösung der echten Probleme fehlt. Oder sind die Sprachgenderisten als U-Boote gegen legitime feministische Anliegen unterwegs, ohne es zu merken? Und was nützt das ganze Theater den „Diversen“? Mal sehen, wie lange es dauert, bis sich herumspricht, dass uns Sprechhülsen als Fortschritt angedreht werden. Bis dahin sollten wir Sprachfreunde uns korrigieren: Gendern ist wichtig, Unfug ist nur das Sprachgendern.