Sicher wird uns Künstliche Intelligenz bereichern, und verarmen. Also beides. Wir müssen uns nur darauf einstellen und dann fest daran glauben, dass mehr von uns nicht verlangt würde. Irrtum, der Respekt vor Fakten gewinnt an Dringlichkeit.

Nichts Neues

Plausibel heißt noch lange nicht wahrscheinlich
Es stimmt, weil es stimmen muss (Bild ©Behland)

Generative Künstliche Intelligenz (GKI) kann wohlklingende Texte binnen Sekunden anfertigen, aber sinnvollen originellen Inhalt bringt sie nicht fertig. Ihre Leistung fußt auf Unmengen von Texten, mit denen sie ernährt und trainiert wird. Sie kann nicht origineller sein als der Stoff, aus dem sie etwas macht. Sie kann Aufgaben auch missverstehen, falsch auslegen, auch Antworten frei erfinden (man nennt sie KI-Halluzinationen) und schieren Humbug verfassen. Sogar sauber hergeleitete Resultate können plausibel aussehen. Dieses nur Plausible mag in fachspezifischen Anwendungen genügen, wo aus Überfülle das Wesentliche zu destillieren ist. Das Plausible genügt aber nicht, wo wir glauben, GKI könnte aus den Tiefen des Netzes Weisheit schöpfen. Solche Texte sind banal oder schaden sogar.

Die Sprachmodelle, mit denen ChatGTP & Co. trainiert werden, dürften in drei Jahren alles gelesen haben, was im Internet zur Verfügung steht. Danach ist fast alles, was in die Modelle getrichtert wird, nur ein Wiederkäuen von Bekanntem. So gesehen, beginne 2026 der globale Inzest, meint die KI-Expertin Miriam Meckel: „Wir werden ein permanentes Wiederkäuen von Bestehendem erleben.“ Je nach Spezial¬gebiet enthält GKI den Humbug und die Lügen aus Twitter; das darin enthaltene Quentchen Wahrheit fällt dabei kaum ins Gewicht. In dem millionenfachen Textefundus überwiegen schlampig verfasste, missverständliche Texte. Zu „intuitiver“ Erkennung der brauchbaren Texte ist GKI nicht fähig, sie besitzt keine echte Intelligenz, Fehlerkorrektur geschieht durch Bewegung von Textmassen, so die Hoffnung.

Muster statt Inhalt

In der Fülle der durchkämmten Texte erkennt GKI: Was sich ähnlich wiederholt, bildet Muster. Sie sind die Daseinsberechtigung der GKI. Die Muster sind uns Nutzern vertraut, sie kommen uns glaubwürdig vor. Eben deshalb werden sie auch künftig (!) durch GKI immer öfter aufgegriffen. Dabei hat solche Häufung keinerlei Signifikanz. Plausibel klingt zum Beispiel der Satz: „Du kannst im falschen Bewusstsein kein richtiges entwickeln.“ Ob so ein Satz Sinn ergibt oder nicht, wäre diskutabel, aber die Frage stellt sich in GKI nicht. Vorderhand klingt er unwiderlegbar, und wer mit Bestätigung seiner vorgefassten Meinung zufrieden ist (die meisten von uns), fragt nicht weiter, und so erwachsen aus immer neuer Wiederholung Scheinwahrheiten, denn „wenn es so viele sagen, muss doch was dran sein, oder?“

Generative KI ist eine Technologie der künst­lichen Intelligenz, die Inhalte erzeugen kann, darunter Texte, Bilder, Multimedia. Aktuell wurde das Thema, seit neue Benutzerober­flächen den spielerisch leichten Umgang mit GKI und Algorithmen des maschinellen Ler­nens erlauben. Wo Künstliche Intelligenz eigene Inhalte generiert, ist generative KI im Spiel. Zu unterscheiden ist sie zum Beispiel von der KI in selbstfahrenden Autos.

Als Nutzer von GKI sind wir nicht genötigt, unseren eigenen Grips zu bemühen: Welchen Sinn ergibt der Text? In aller Regel sind wir von der Brauchbarkeit hinlänglich überzeugt und lassen durchgehen, was daraufhin unwidersprochen fortlebt. Wir glauben der Expertise vor Gericht, dem Gutachten über die A45-Brücke, dem Indiz für Rassismus. Plausibilität genügt, davon leben die Medien.

Alles im Griff

Muss es so schlimm kommen? Könnte man GKI nicht auf höheres Niveau züchten? Um ChatGTP zu zivilisieren, bedürfte es unbezahlbaren Personalaufwands, trotzdem würde Voreingenommenheit nicht zuverlässig eliminiert. Noch dazu werden in der Weltsprache Englisch die meisten Texte von Nichtmuttersprachlern verfasst. Der Millionenfundus, in den auch die GKI-Texte zurückgelangen, wird inhaltlich so immer flacher und fortwährend sinnfrei aufgebläht. Zugleich geht alle stilistische Fähigkeit verloren, die man benötigt, um angemessen darzu¬stellen, was wirklich erwähnenswert ist. Ähnliches wird in der Sprache geschehen, wenn auch im geringeren Ausmaß. Prüflinge müssen sich bald fragen lassen, ob sie den Sinn ihrer Arbeit selber gebildet haben – und was kam von GKI dazu? Gegen technisch hochgerüstetes Schummeln haben die Prüfer keine Chance, sie müssen auf andere Weise ermitteln, wer das Klassenziel erreicht hat.

Endlose Blödheit

Man kann den Kopf in den Sand stecken: „Wenn ich nicht hinschaue, sieht mich das Problem nicht.“ Längst wird bereits mit Hilfe von GKI gewütet, etwa zur Erfindung von medizinischen Versuchsreihen mit unwiderlegbaren Ergebnissen. Leicht beweisbar wäre zum Beispiel die These: Gegenderte Sprache produziert Gehirnströme, die zugleich glücklich und unbesiegbar machen (wie Kokain). Anschließend beweisen andere, genauso gelogene Studien, dass die Gehirnströme zur erektilen Dysfunktion führen. Was nun mal gerade zu beweisen wäre. Die beste Frage lautet also schon nicht mehr, wie man Lügner überführt, sondern: Wie schütze ich mich davor, dass ich nicht getäuscht werde? Zweimal bin ich gefordert, und das sieht nicht gut aus. Nichts glauben, das tun viele schon heute, mit Ausnahme der Quellen, denen „man“ selbstverständlich glauben kann. Fragt sich nur, wer ist „man“?

Möglich, aber unwahrscheinlich

Wirklich originell kann nur der Mensch sein. Seine Intelligenz beruht auf biochemischer Anziehung und Abwehr, die über Jahrtausende in unseren Gehirnen und Nervensystemen, in unserer Physis gezüchtet wurden. GKI kann das nachvollziehen, aber nicht originär ausbilden. Der Mensch kann, wozu keine GKI fähig ist: aus sich selbst heraustreten, sich neu definieren. GKI kann es nachahmen, aber es wird nichts Originales, nichts Geniales, nichts was die Menschheit voranbringt. Wer sich mit Schwachsinn füttern lässt, war schon immer mit Orban und Trump zufrieden, mit der Vereinfachung von Wirklichkeit. Welches Quentchen Wahrheit im Plausiblen steckt, oder ob er mit einer Mischung aus Lüge und Tatsache aufs Kreuz gelegt wird, das kann nur unterscheiden, wer sich darum bemüht. Durch GKI wird sämtlicher tausend mal wiederholter Müll mitsamt aller Irrtümer in die Nährlösung gespült, aus der GKI weiter gemästet wird. So entsteht dummes Pulver: „Die grünen Männchen sind da – aber sie sind nicht grün, sie sind durchsichtig, unsichtbar!“

Naht Rettung? Eher nicht, es sei denn wir lernen, das scheinbar Passende vom Sinnstiftenden zu unterscheiden. Das beginnt mit Wertschätzung der Sprache, mit der Auswahl von Lesestoff – damit die Eigenintelligenz aufwacht und die Antwort findet: Wie sieht unmanipulierter Text aus? Wer aber schon damit ausgelastet ist, „Flüchtlinge“ durch „Geflüchtete“ zu ersetzen, zählt zum Problem, nicht zur Lösung. Schablonen sind keine Intelligenz.

© Oliver Baer 2023
Redigierte Fassung vom 15. Februar 2024