„Wie engagiert muss Literatur heute sein?“ fragt Thea Dorn in der Zeit. Der Schriftsteller tauge jedenfalls nicht zum Chirurgen, auch nicht zum Psychotherapeuten. Er ähnle eher „dem Palliativarzt, der weiß, dass sein Patient verloren ist, und gerade deshalb, um seine Würde zu wahren, Zuwendung, Ablenkung und lindernde Mittel baucht.“ Literaturschaffende sollten dennoch „klar und leidenschaftlich für Menschenrechte und Demokratie, für Vernunft und Zivilität Partei ergreifen“.
Das bedeute laut Dorn jedoch nicht, dass die Literatur selbst moralisch aufzuladen sei; der Kampf um Menschlichkeit müsse in der gesellschaftlichen Welt ausgetragen werden. „Irrationalität, Ressentiment und Hass lassen sich nicht mit Sensitivity-Lektoraten bekämpfen. Nichts wird real besser, wenn wir heute als beleidigend empfundene Wörter aus Werken der Vergangenheit tilgen oder in Romanen der Gegenwart Professoren vergangener Zeiten vorsichtshalber von ‚Studierenden‘ reden lassen. Bisweilen drängt sich mir der Verdacht auf“, fährt Dorn fort, „dass es Ausdruck objektiver Verzagtheit, ja hilfloses Symbolhandeln ist, wenn angesichts einer bedrohlicher und roher gewordenen Welt mit Eifer daran gearbeitet wird, wenigstens die Künste zum sensibilitätsgerechten safe space umzubauen.“
Man könnte auch, wennschon weniger vornehm als Dorn, sagen: Das Gequatsche über Sensibilität wirkt, angesichts der anderswo stattfindenden Massaker, wie ein Luxusproblem. Einstweilen kann man sich damit trösten, man habe die Sprache in Verwaltung, Schulen und Universitäten schon mal korrekt hingebogen. Das wird den Frieden bringen.