Je nach Milieu, in dem wir uns bewegen, gilt als geklärt, was beispielsweise unter Frauenfeindlichkeit zu verstehen sei, sowie unter Rassismus, Populismus, Meinungsterror, Bevormundung und einigem mehr. Mit Lautstärke und durch ständiges Wiederholen sollen Wörter final mit einer Bedeutung besetzt werden, die vor allem einem dient – dem verbalen Nahkampf. So bedeutet neuerdings das Wort „rechts“ dasselbe wie „rechtsextrem“. Als könnten wir auf die Unterscheidung verzichten…

Das hat der deutsche Hund zu unterlassen (Bild Behland)
In den Medien, zumal in den sozialen Netzwerken, in der Kloake des Internets, gleichen die gängigen Kampfbegriffe einem Linolschnitt. Das Bild schwarz-weiß, die Farben muss sich jeder dazu denken. Wenn er denn will. Soll er aber nicht, denn er bleibt seinem Milieu treu. Abweichungen von der Milieumeinung werden mit Ausgrenzung bestraft. Schade, eine nuancierte Wahrnehmung, schon gar wenn man sie sprachlich ausdrückt, ist unerträglich für Leute, die ein leises Abwägen und eine taktvolle Sprache verachten – oder selber nicht beherrschen.

Nun ist freies Denken kein Problem für Leute, die noch den Schmerz beim Anfertigen eigener Gedanken erleben. Aber die meisten denken nicht. Sie wiederholen, was schon andere vor ihnen – auch schon nicht selber gedacht, sondern irgendwo abgeschrieben haben. Wiederkäuen ist aber kein Denken. Wer seine Sprache mit Blähwörtern und Kampfparolen verkleistert, verliert das Geschick, Meinung von Beobachtung zu unterscheiden. Klares Denken, so viel ist bewiesen, gelingt mit gepflegter Sprache am besten. Kein Wunder, dass Sprachbesorgte und Sprachliebhaber im Verein Deutsche Sprache zusammenkommen, nicht immer friedlich, oft leidenschaftlich, mitunter zornig.

Fragen wir uns selbst: Wenn wir jede Beobachtung, die uns nicht passt, als Meinung abtun, statt hinzuhören, ob vielleicht doch eine bisher unbeachtete Tatsache unser Weltbild durchrütteln könnte, ähneln wir dann nicht Donald Trump? Und gilt nicht das Gleiche, wenn wir eine Meinung als populistisch abtun, als sei sie gar nicht erst der Rede wert? Derlei Tricks aus unteren Schubladen sollten unter unserem Niveau liegen. Bequem sind sie nur für Leute, die das Denken ihrem Schlaufon überlassen. Aber selbst diese könnten es mal versuchen, den eigenen Grips wiederzubeleben.

Zwischen der taktlosen Entgleisung eines Clemens Tönnies und der Mail an eine Kitaleiterin: „Ich bringe dich um!“ findet sich viel Spielraum. Wenn wir versäumen, diesen Spielraum mit offener Verständigung zu füllen, brauchen wir uns über den Drang zu unappetitlichen oder gar gewaltbereiten Gruppierungen nicht zu beschweren. Zählen nicht zu den Verursachern des Rechtsrucks die von der Rechtschaffenheit ihrer Sprache begeisterten Blasierten? Und haben vielleicht die nicht minder blasierten Polemiker auf der Rechten das brutal missionarische Auftreten der Linken zu verantworten? Folgt nicht auf jede Aktion eine Reaktion? Müssten wir uns nicht vorsichtiger ausdrücken?

Stattdessen vergreift man sich schon mal im Ton, links wie rechts – immer öfter auch in der Mitte, die den Missbrauch der Sprache besonders schmerzvoll erlebt. Dennoch, damit muss leben können, wer noch zum Gedeihen einer Zivilgesellschaft beitragen möchte. Sprache ist mehr als ein Bolzplatz für Linguisten und Feministen, für Gutmenschen und Betonköpfe, für Klimaleugner und Klimabetroffene, für Politiker und ihre – nicht ganz so dummen – Wähler. Da tut ein Verein gut, der verhindern will, dass Muttersprachen auf Kreolniveau absacken. Auf ein Niveau, wo keiner mehr merkt, wie er hinters Licht geführt wird, weil er mit der Muttersprache sein Denkvermögen entsorgt. Die Gesellschaft der Bürger, die Zivilgesellschaft, lebt von dem Bemühen um zivile Sprache, und in dieser sind rechts und rechtsaußen nicht dasselbe.


Dieser Beitrag wurde im Herbst 2019 in den Sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache (3/2019) veröffentlicht, und hier im Blog der baerentatze umständehalber erst heute.