Trendforscher bilden Trends ab und vermuten öffentlich, wohin der Zeitgeist wehen könnte. Matthias Horx ist so einer, den man ernstnehmen möchte. Sein Umgang mit dem Werkzeug weckt aber Zweifel.

Das Werkzeug des Denkers ist seine Sprache: „Eine unserer wichtigsten Aufgaben als Trend- und Zukunftsforscher ist es, neue Wörter vorzuschlagen und auszuprobieren –“ Wörter, die Wandel und Veränderung ausdrücken können.“ erläutert Matthias Horx, weshalb er sich aus dem Englischen bedient. Beispielsweise schöpft er das Wort Selfness per Analogieschluss aus dem bereits gut eingeführten, aber bescheuerten Wellness.

Die Wortwahl des Trendforschers könnte einem zu schaffen machen. So widerstandslos frisst, wer mitdenkt, englische Neuwörter nämlich nicht mehr. Im Gegenteil, sie stehen unter Spontanverdacht, denn „… gerade wo Begriffe fehlen, stellt zur rechten Zeit ein Wort sich ein“, verhöhnte Mephisto den Wissenschaftsbetrieb (Goethe, Faust I, Schülerszene). Es spricht sich herum: Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf Englisch.

Protest gegen seine Sprachwahl bügelt Horx ab: „Wollen wir wirklich Kokonieren statt Cocooning sagen? Haben wir es besser, wenn Wellness als Wohlfühlsein verplüscht wird?“ Hübsch formuliert, aber so widerlegt er sich selbst –“ das bildkräftige Wort verplüschen schöpft er aus dem Deutschen. Aber fragen wir: Was ist denn am Cocooning besser, wertvoller, praktischer, verständlicher oder sonstwie vorteilhafter als am Kokonieren? Nach Wichtigtuerei klingt beides.

Horx bedient sich aus einer Begriffswelt, die sich eindeutig qualifiziert, nämlich als Mode. Millionen Menschen glauben an Wellness, aber schon mehren sich die Meldungen, dass der zahlenden Kundschaft die Wellness zum Halse heraushängt. Wörter wie dieses bebildern den Zeitgeist. Als Fundament für Trends, deren Entfaltung in der Zukunft liegt, wünscht man sich jedoch mehr Ingenieurdenken, schon der Statik wegen. Horx geht den umgekehrten Weg, aus Talmi baut er neue Begriffe. Vorsicht: Ich kenne englische Muttersprachler, die stecken sich lieber den Finger in den Hals, als „wellness“ zu sagen – bei „selfness“ kämen sie aus dem Spucken nicht mehr heraus.

Wenn schon aus der Luft gegriffen: Warum bedienen wir uns nicht beim Mandarin, der vielleicht wichtigsten Handelssprache des Jahrhunderts? Vermutlich, weil uns der Beitrag neureicher Chinesen –“ in ihrem gegenwärtigen Geisteszustand – noch mehr anödet als das Gedröhn um Enduring Freeedom aus Amerika.

Ein Trendforscher, der ernstgenommen werden möchte, sollte die Reihenfolge einhalten: Erst den Begriff bilden, dann das passende Wort dazu finden. Was Horx macht, zuerst die Verpackung, dann den Inhalt, führt geradewegs zu McDonalds: Das Marketing ist smart, das Produkt … erübrigt jeden Kommentar. Horx extrapoliert die Zukunft aus der Gestalt des Whoppers. Wozu der Krampf? Aus dem Deutschen zu schöpfen, ist unendlich viel ergiebiger! Die Angelsachsen beneiden uns um die grenzenlose Fähigkeit des Deutschen, Wörter zu bilden wie Liebreiz, Rührseligkeit, Wahrnehmung.

Auf dem gemeinsamen Fundament der Muttersprache besteht immerhin eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit, dass wir einander verstehen, sprich: dass wir uns zur Tat verständigen. Trendforschung gerinnt nunmal leicht zur Vorhersage billigster Art. Vorhersagen bieten die Chance, Taten anzustoßen, die dazu führen, dass das Vorhergesagte eben nicht eintrifft. Gottseidank, sonst ergäben Vorhersagen keinen Sinn.

Wo die Dinge so ungewiss sind, sollten wir das Werkzeug nicht aus dem Baumarkt beziehen. Vielleicht bin ich zu deutsch um so Ungründliches zu tolerieren. Ich ziehe eine ernsthafte, durch Zurückhaltung gekennzeichnete Trendforschung vor, bspw. von der Sinus-Sociovision, auch wenn der Zeitgeist Trendangeber wie Horx vorzieht. Es blättern halt mehr Menschen in der BILD-Zeitung als sie die Frankfurter Allgemeine lesen.