Im vorigen Sommer erlebte, wer Bescheid wusste, in Theresienstadt eine Darbietung von Dvořáks e-moll Symphonie Aus der neuen Welt des Jungen Klangforums Mitte Europa. Dieses Orchester aus jungen Polen, Tschechen und Deutschen trifft sich wiederholt zu Projekten, um durch die einzigartige Sprache der Musik dazu beitragen, die Gemeinsamkeit Deutschlands mit Polen und der Tschechischen Republik zu stärken, wie es in seinem Netzauftritt erklärt.

Auf Tschechisch finden Sie Theresienstadt mit spitzem Finger als Terezín auf der Straßenkarte, nahe Litoměřice (Leitmeritz), sofern Sie sich von der Autobahn nach Prag mit einem kleinen Schlenker verabschieden. Früher kam an dem Konzentrationslager in dieser düsteren, ehemaligen k.u.k. Kasernenstadt auf dem Weg nach Prag jeder vorbei. Der Umweg lohnt sich.

Theresienstadt galt, anders als die bekannten Vernichtungslager, als Vorzeige-KZ. Ungewollt, erwartet der Besucher vielleicht Szenen, die ihm aus Bildern von Auschwitz vertraut sind. Was ihm in Theresienstadt begegnet, ist grausam, kein Zweifel, aber er kann es mit den gewohnten Sinnen eben noch begreifen. Vielleicht beeindruckte mich Terezín um so stärker. Massenmord kann ich mir kaum ausmalen; dazu fehlt mir die Vorstellungskraft. Dass Menschen andere quälen und demütigen, zur Verzweiflung treiben, das kann ich in den Abgründen meiner Seele nachvollziehen.

Das Konzert alleine war schon die Reise wert. Seltsam berührte mich nur, dass sämtliches Werbematerial in keiner der beteiligten Sprachen, sondern auf Englisch verfasst war. Am erklärten Zweck, nämlich der Begegnung, schrammt so etwas vorbei. Die lingua franca der Betroffenheit soll eine Sprache sein, die alle drei Völker schlecht beherrschen? Dass es anders geht, beweist das Festival Mitte Europa. Es tritt heuer in seiner 15. Auflage ganz natürlich auf, wie es der Bewohner der Region Bayern / Čechy / Sachsen erwarten, auf Deutsch und Tschechisch. Der Netzauftritt begrüßt seine Besucher mit dem Satz: Ihr Freunde, kommt alle zum Feste! Pojd’me všichni slavit, přátelé!

Vom 11. Juni bis 30. Juli 2006 gibt es Konzerte, Ausstellungen, Begegnungen in der deutsch-tschechischen Grenzregion / Koncerty, výstavy, setkání v česko-německém příhraničním regionu. Also, meine Neugier weckt, wer mir so kommt. Da steck ich mir ein Wörterbuch in die Tasche und freue mich auf … Begegnung.