Unter dem Motto Kultur nützt … den Menschen in der Wirtschaft läuft eine Initiative namens Eine Stelle finden mit gepflegter Muttersprache. Als Wettbewerb läuft die Aktion, der nächste Termin gilt der Abgabe der Anschreiben zur Bewerbung – sie sind der Gegenstand, den das Preisgericht beurteilt.
Zu den Trainingstagen im März und April kamen fast zweihundert Schüler und Studenten, zu hören, wie ihnen die Muttersprache nützen könne. Sie schienen überrascht; das Arbeitsamt und manche Lehrer hatten anderes geraten: Sie sollten schwindeln, sie sollten Fremdwörter pauken, vor allem sollten sie ihr Anschreiben sauber formatieren und: nichts riskieren! Derlei Ratschläge führen dann dazu: Wenn ein Unternehmen vom Bewerber soziale Kompetenz erwartet, steht prompt in der Bewerbung: „Ich besitze soziale Kompetenz.“
Man muss sich nur vorstellen, in welcher Gemütsverfassung ein Personaler das zum zweihundertsten male liest. Wir Referenten haben in der werkstatt alle herkömmlichen Auffassungen zur Stellensuche gegen den Strich gebürstet: Mogelpackungen lohnen sich nicht; das Format ist unerheblich, wichtig ist der Inhalt und den muss man aus seiner Biografie erarbeiten: Was kann ich, was habe ich schon getan, lässt sich daraus eine Geschichte herleiten: „Siehst du, diese soziale Kompetenz habe ich bereits bewiesen!“
Die Schüler und Studenten machten mit, sie ließen sich locken, sie trauten sich zu widersprechen. Einige gingen mit dem Wissen nach Hause, nun hätten sie etwas dazugelernt. Einige dürften auch verstanden haben: Äußerst riskant ist es, kein Risiko einzugehen..