Krause Rede kostet Geld. Wer so spricht, sucht keine Zusammenarbeit, er möchte sein Ego streicheln: „Es wurde eine Prozeßkostenbewertung durchgeführt, und wir machen Kostenplausibilisierungen durch den Einsatz von Schattenkalkulationen. Der Projektfortschritt wird durch Quality Gates überwacht.“
Fast wäre er ohne Englisch ausgekommen und trotzdem versteht ihn keiner. Die Quelle soll echt sein, Markus Reiter hat sie aufgetan und in der FAZ dazu etwas Lesenswertes gesagt: Wild wucherndes Wirtschaftskauderwelsch. Es kommt nämlich noch dicker.
Solcher Jargon aus der Führungsriege macht Mitarbeiter mutlos. Dabei sind sie es, die dafür sorgen, dass bei der Schattenplausibilisierung ein paar Qualitätstore geschossen werden. Oder so ähnlich. Sie müssen sich also in den Schmus vertiefen, müssen zweimal lesen, was gemeint sein könnte und missverstehen am Ende doch … was von Anbeginn so genau nicht gemeint war, sonst hätte man gleich sagen können, was Sache ist. So beschäftigt man Menschen mit Leerlauf und bei Gelegenheit setzt man sie dann frei. Mittelständler möchten sich solchen Luxus nicht erst genehmigen.
Aber das Kauderwelsch der Manager ist nicht das Problem. Legen sie den Jargon trocken, indem Sie nachhaken: „Ich bin von schlichtem Gemüt. Mir erklären Sie das bitte mit kurzen Wörtern, in der Muttersprache und ohne Fremdwörterbuch.“ Klarheit ist Chefsache.
Schwieriger wird es mit einem Virus, den wir im deutschen Sprachraum nicht mehr als Schädling erkennen. Er verklebt unsere Synapsen aber schon so lange, dass wir meinen, er gehörte zum guten Ton. Er hat einen lateinischen Namen, wie es sich gehört: Lingua tertii imperii, kurz LTI, die Sprache des Dritten Reiches. Vermutlich ist es dieser Virus, der unser Unbehagen mit der Muttersprache verursacht, sodass wir uns mit so vielen Placebos aus dem Englischen versorgen.
Das gab es schon vor dem Dritten Reich
Es gab diese Sprache schon vor den Nazis, aber dem Klumpfuß im Propagandaministerium gelang es, sie zum Betäubungsmittel zu formen. Ein ganzes Volk hat er beim Anfertigen eigener Gedanken behindert. Peinlich ist nur, dass wir bis heute vom Sekretariat bis zur Werkbank, in der Politik wie im Privaten, sogar beim Liebesgeflüster mit Schablonenwörtern hantieren wie aufziehen, ausrichten, einsetzen und umsetzen. Sie sehen harmlos aus, jeder benützt sie, aber sie stammen aus der Verrichtung mechanischer Vorgänge wie das Wort hämmern zum Nagel passt. Oder sie stammen vom Kasernenhof einer Epoche, als den Rekruten nahegelegt wurde: „Das Denken können Sie den Pferden überlassen, die haben größere Köpfe.“ Die Sprache aus dieser Lebenswelt vernagelt den Zugang zu Spielräumen, die wir benötigen um Zusammenhänge zu begreifen. Mit einem Denkgerät, das die Fragen von heute nur aus dem Bewusstsein von gestern erfasst, ist uns nicht gedient.
Bezeichnend war die Reaktion einiger Leser auf den Beitrag Eliten scheuen die deutsche Sprache. Vom Inhalt unbeeindruckt, beschwerte sich einer, dass der Bezug auf die Nazis nur störe und nichts nütze: Mit politischer Korrektheit hat Sprache nichts zu tun. Der Leser konnte auf die Kernaussage zur LTI nicht eingehen, weil er sie nicht wahrnahm. Aber ich nehme ihn gerne in Schutz, habe ich doch selbst erlebt, dass sich mir die Tragweite der LTI erst erschloss, als ich Viktor Klemperers Tagebücher 1933 bis 1945 las. Die LTI ist bis heute unser täglich Brot.
Denken oder Sprechen zuerst?
Klemperers Tagebücher verzeichnen den Pfad des Virus und wie sich eines zum anderen tut, bis die Wahrnehmung getrübt und die Vorstellungswelt geschrumpft ist. So etwas können wir uns in der globalisierten Wissensgesellschaft nicht leisten. Den Virus zu isolieren, wird zur wirtschaftlichen Überlebensfrage, denn „wer falsch spricht, denkt falsch,“ sagte Karl Kraus, der es sehr genau nahm. Nun streiten zwar die Wissenschaftler, ob das Denken die Sprache oder die Sprache das Denken bestimme. Dass eine Wechselwirkung besteht, mag uns daher genügen. Fest steht: Mit einer verkrüppelten Sprache gibt es keinen geistigen Hochsprung.
Geht es auch anders? Ist es praktisch für Unternehmer, im eigenen Hause zu beginnen, zählt Sprache zum Unternehmenszweck? Mehr noch als geheizte Räume dem Komfort und die Seife am Klo der Hygiene, dient die Sprache der geistigen Regsamkeit. Sonst versagt im Unternehmen die Zusammenarbeit und im Verkehr mit den Kunden und Lieferanten zergeht das Vertrauen.
Nehmen wir ein Beispiel: Statt eine Sache groß aufzuziehen (LTI), könnten wir ankündigen, was wir darbringen möchten, wir würden also bescheidener auftreten. Schon erschiene vor unseren Augen farbiger, tiefer, sinnvoller, was wir vorhaben. Statt einen Hingeher so abzufackeln, dass er nichts besseres als den Begriff Event verdient, würden wir die Mitarbeiter für eine Sache gewinnen, deren Juckreiz unter die Haut geht, dort bleibt und am besten durch Mitdenken befriedigt würde.
Besser machen
Wie möchten wir vorgehen? Wir sehen uns die Sprache im Unternehmen an und hören ihr im Alltag zu. Wir beginnen mit dem Schriftverkehr im Hause und bei der Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten. Wir schlagen Ihnen vor (auch auf Englisch), wie Sie stattdessen formulieren werden und einigen uns mit den Betroffenen. Als nächstes wecken wir die Neugier der übrigen Mitarbeiter und gewinnen sie für eine gepflegte Sprache im Hause. Standardformulierungen, wo sie möglich und nötig sind, ersetzen die ausgelutschten Floskeln. Dem dienen Schulungen und Werkstätten, da wird dann am Werkstück gearbeitet, bis es stimmt.
Was haben Sie davon? Als erstes weniger Rückfragen und weniger Leerlauf, weniger Selbstdarstellung und weniger Mobbing. Ihre Kunden bemerken den Unterschied sofort. Sie sind im Markt so wenig verwöhnt, dass sie schon Ihr bloßes Bemühen um Klarheit und Wahrheit würdigen werden.
Da Sie nun etwas zu verstehen geben, bringt man Ihnen Verständnis entgegen. Das geschieht sogar recht flott, denn wir sind alle nur Menschen: Das Außergewöhnliche fällt ins Auge, das Gewohnte macht nur müde. Und Talmi wie diesen überlassen Sie getrost der Konkurrenz, das schärft den Kontrast: People ready business: Der Mensch macht den Unterschied.
Ein Symptom für krauses Denken ist der Gebrauch von Anglizismen, wo sie keinen Mehrwert bieten. „Wir sind committed“, sagte Herr Ackermann über die Treue seiner Bank zum Standort Deutschland. Er merkt nicht, wie seine Sprache verrät, was er im Schilde führt. Kaum öffnet er den Mund, steht die Wahrheit im Freien.
Falls Sie überzeugt sind, Ihr Markt möchte nur über das Gefühl angesprochen werden, da müsse die Echtheit notfalls vorgetäuscht werden, haben Sie recht, aber nur zum Teil. Darüber lesen Sie demnächst mehr in der baerentatze.