Was wir Kunden und Kollegen mit der Sprache antun, grenzt an Körperverletzung. Wir vergiften unsere Fähigkeit, das Wesentliche vom Banalen zu unterscheiden. Wir belasten unsere Beziehungen, statt sie durch behutsamen Ausdruck zu erneuern. Wir verabschieden uns von eigenen Gedanken, wir lassen denken. Mit den Begriffen, die wir –beispielsweise Management – aus dem völlig fremden Kultur- und Rechtsraum der USA einholen, übernehmen wir nicht nur neue Ideen, sondern auch Denkweisen. Was an sich nichts Übles ist, aber vieles würde hier keine fünf Tage überlebten, wenn unser Englisch auf der Höhe wäre.
Leicht angewidert nannte einmal die Londoner Times unsere Liebedienerei „linguistic submissiveness“, sprachliche Unterwerfung. An den Anglizismen, die unsere Sprache garnieren, wäre nichts auszusetzen, stünden sie nicht als Symptom für ein Leiden, das nicht so trivial ist, wie es zunächst erscheint. Denn auch ohne Anleihen aus dem Englischen muten wir einander eine schauderhafte Sprache zu. Kein Wunder, dass Zuhören aus der Mode kommt. Dieser Trend wird ein teurer Spaß, denn Sprache ist mehr als Kulturgut, sie ist ein Wettbewerbsvorteil. Für den, der ihn nutzt.
Anglizismen, schön und schaurig
Anglizismen sind eine feine Sache, wie Pralinen. Zuerst schmecken sie, dann haben wir uns überfressen. Sie kommen, wie alle Fremdwörter, mit dem Reiz des Neuen. Tatsächlich sind manche, wie das Händi, ausgesprochen witzig und gehören schleunigst eingedeutscht, damit uns im Telefonladen ein Hinweis wie dieser erspart bleibe: Handie’s sind keine Echtgeräte sind Dummies. Dagegen ist der Bratwurst Point bloß albern und Marketingblähungen wie Wellness und Nordic Walking beginnen bereits peinlich zu werden. Wenn die Sparkasse ihren jungen Kunden Styling für die Finanzen anbietet, gewinnt sie vielleicht neue Kunden, aber keine treuen Kunden. Die jungen Leute nehmen die Lockzinsen mit und sind so flott weg, wie sie angeworben wurden.
Lautes Vorlesen verdient die Schlagzeile: „Nach der Wellness-Welle kommt jetzt die Healthness-Welle“, die ein paar Zeilen weiter bereits zur Wealthness-Welle anschwillt; da muss dem Schreiber der Verstand abgeschmiert sein. Das Hemd aus der Hose zieht einem der Umgang mit dem Leben: Wir kommen hierzulande schon mit Live nicht zurecht, müssen daher Life-Musik anhören; das lange AI mit dem weichen W gerät uns zu einem gepfefferten EIFF. Vollends zum Affen machen wir uns mit der Betonung von Transparency (auf dem REN) und den Executives, wo wir gleich drei Aussprachefehler in einem Wort fertigbringen: Das x in Executives ist weich auszusprechen, wie EGG mit weichem S, aber die Angeber hierzulande machen daraus ein ECK mit hartem S. Falsch ist auch die betonte vorletzte Silbe, richtig liegt der Akzent auf der zweiten Silbe. Schließlich gehört ans Ende kein knallhartes F, sondern ein weiches W. Wie unfair diese Kritik ist, erörtern wir später.
In unserer Gier nach dem Schwung des Neuen schöpfen wir den Easy Peeler, der ist nicht etwa ein Schälgerät, sondern eine leicht schälbare Orange. Ungezählte Badezimmergestalter ziehen sich selber als Bad Designer durch den Kakao. Eine Spitzenleistung bietet der Kosmetikladen Ästethic Nails – und das ist kein Tippfehler! Drive Alive, Mitsubishis Aufforderung sich lebend ans Steuer zu setzen, mag man auf Englisch lieber nicht gehört haben. Dem sprachlichen Kollaps schon bedrohlich nahe, preisen wir delicious Brötchen fresh belegt an, den Kollaps bereits hinter sich hat die Klesmermusik, deren englische Schreibweise Klezmer sogar gebildete Deutsche dazu bringt, auf der Aussprache Kletzmer zu bestehen.
Englisch denken
Die Marketing- und die Medienleute schmoren halt im eigenen Saft, halten ihr Denglisch für die Landessprache und bemerken nicht, wie einfach es wäre, Alleinstellung und Ansehen bei den Kunden zu gewinnen: Sprich, dass dich die Leute ernstnehmen, versuchs auf Deutsch! Hierzulande sprechen wir nämlich kein gutes Englisch. Selbst die wenigen, die darin gut zu Fuß sind, verraten ihre Grenzen: „It is better to cut off our hands and feets than our arms and legs,“ ( „Es ist besser, wir schneiden uns die Hände und Fußen ab als die Arme und Beine“) kündigte ein deutscher Executive ein Kettensägen-Event unter seinen Mitarbeitern an. In der Muttersprache wäre ihm nicht nur die Mehrzahl von Fuß ohne Blutvergießen gelungen, er hätte eine solche Geschmacklosigkeit kaum über die Lippen gebracht.
Was soll’s, könnte man sagen, wenn es nicht im Trend läge, dass Englisch zur Konzernsprache wird. Wogegen wenig einzuwenden wäre, wenn dem nicht ein schwerer Denkfehler zugrunde läge. Die globale Konzernsprache ist nämlich nur eine glattgebügelte Abart des Englischen. Sie mag praktisch klingen, aber sie ist ungenau, sie dient der Verschleierung mehr als der Klärung, die Faust des Stärkeren setzt sich durch, nicht das Argument des Klügeren. Aber sie gurgelt und knödelt ganz harmonisch vor sich hin, ohne viel Verbindliches zu sagen. Das ist wie in der Oper: Die könnten da oben das Telefonbuch absingen, Hauptsache italienisch, das klingt immer gut.
In dem Sprachdunst, den wir für Kommunikation halten, verlieren wir den Zusammenhang zwischen Sprache, Kultur, Geschichtsbewusstsein und Denkvermögen. Machen wir die Probe aufs Exempel: Einen komplizierten Gedanken können wir in der Muttersprache, gewissermaßen im Selbstgespräch, in Worte fassen. Wir erziehen den Gedanken, verknüpfen ihn mit anderen und formen daraus neue Gebilde; das ist Innovation, das Neudenken von bereits gehabten Erkenntnissen. So entwickeln wir ein Produkt, melden es zum Patent an, verteidigen es, stellen es dem Markt vor, bauen ringsum einen Dienst am Kunden auf, horchen auf seine Einwände und verbessern uns immer weiter. Bringen wir diese Schritte in einer fremden Sprache fertig, dann beherrschen wir sie, und nur dann! Zugegeben, das ist eine strenge Prüfung, aber der englische Muttersprachler genießt nun mal seinen Vorsprung und wird den Teufel tun, ihn herzugeben.
Vorteil für Muttersprachler
Beherrschen wir das Welsche nicht, bleiben wir am besten bei der Muttersprache. „Natürlich können sich die Manager in Englisch verständigen.“ sagte Porsche-Chef Wiedeking. „Aber das ist nicht auf allen Arbeitsebenen der Fall. Ganz schwierig wird es, wenn es um Details geht, um die Einzelteile eines Motors beispielsweise, doch gerade bei diesen Themen müssen sich die Mitarbeiter perfekt verständigen.“ Wer es nicht glaubt, besitzt bestimmt einen PC. Aus der Microsoft-Wissensdatenbank kann er maschinell übersetzte Texte abrufen, mit der ausdrücklichen Maßgabe: „Microsoft stellt diese Artikel deutschsprachigen Benutzern, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, als Hilfe zur Verfügung, damit diese den Inhalt dieser Artikel verstehen können.“ Ein IT-Trainer verriet mir dazu: „Obwohl ich den technischen Hintergrund besitze, sind die Artikel schlicht unverständlich.“ Zum Beispiel dieser Satz: „Möglicherweise zeigt Sie an ‚ob die Initializestrings-Methode die falsche Nummer der Zeichenfolgen zurückgab‘ Fehlermeldung, wenn Sie FrontPage 2003 verwenden, um die Eigenschaftsfenster eines Webparts zu öffnen.“
Es ahnt der Juser, wie ihm geschieht und er ist verschnupft. Ist der deutschsprachige Markt bereits so klein, dass die Kunden für voll zu nehmen nicht mehr lohnt? Es ist ja nicht so, als seien die englischen Originale in der Sache über allen Zweifel erhaben oder wenigstens sprachlich fehlerfrei, sodass man den sachlichen Schwächen durch Hin- und Rückübersetzung auf die Schliche käme. Damit kann der englische Muttersprachler ggfs. noch umgehen, man fummelt sich so durch. Der Deutsche, der Finne, der Bulgare, der Schwede müssen sich damit anfreunden, fragwürdige, aber marktdominierende Produkte mit Bordmitteln zu begreifen, die ihm ein fortwährendes Gefühl der Unterlegenheit vermitteln.
Das Ende des Denkens
Wo diese Alltagswirklichkeit nicht länger ins globale Panorama passt und daher verdrängt wird, ereignet sich ein fataler Fehlschluss. „Wenn es so weitergeht, dann können die Deutschen in zehn Jahren nicht mehr richtig Deutsch und noch nicht richtig Englisch.“ bemerkte Walter Jens. Stellen wir uns vor, es wäre zehn Jahre so weitergegangen und wir gerieten bei dem erwähnten, komplizierten Gedanken schon auf Deutsch ins Stottern, denn die Begriffe bröckeln uns weg, da war doch was, wie hieß das bloß! Leider brächten wir den Gedanken auf Englisch aber auch nicht zustande, dazu fehlt uns das kulturelle Unterfutter, die Sprache präzise zwischen Präpositionen, Modalverben und Idiome hindurch zu steuern. Englisch ist keine leichte Sprache, nur der Einstieg ist billig zu haben.
Wer setzt sich derweil im Markt durch? Wir nicht, wir spielen dann in der zweiten Liga, und zwar in beiden Sprachen. Selbst im Binnenmarkt wartet keiner auch nur einen Tag, dass wir unseren Rückstand einholen. Aber sie ermuntern uns gerne, unsere Wettbewerber, dass wir mit Re-engineering, Benchmarking und Customer Relationship Management (CRM) unsere Gehirne eindieseln. Erklären Sie spaßeshalber Ihrer Mutter auf Deutsch, was mit CRM gemeint sein könnte, da tut sich gähnende Leere auf; ein heilsamer Vorgang, denn er schärft unsere Sinne Plattitüden als Flachsprache zu erkennen.
Geeignete Sprachen
Dass wir unsere Muttersprache auf dem Altar einer Amerikanisierung opfern, die wir uns, nett wie wir sind, als Globalisierung andrehen lassen, wäre selbst dann fragwürdig, wenn der Tausch Englisch für Deutsch gelänge. Das Typische, dem wir unseren weltweiten Ruf der Wertarbeit verdanken, tragen wir in unserer Sprache. Selbst dort, wo uns für Begriffe die Wörter fehlen, hangeln wir uns am vertrauten Sprachschatz entlang, bis wir ahnen und schließlich verstehen, was bisher unausgesprochen blieb.
Dieses Können retten wir ins Englische nicht hinüber, auch nicht durch Lesen dicker englischer Bücher, denn dort geht es in der feingekämmten Unverbindlichkeit einer Welthandelssprache verloren, die auf Präzision und Nuancen verzichten muss, damit sie Weltsprache sein kann. Für die Naturwissenschaften mag das mit aller Gewalt noch funktionieren, für die Geisteswissenschaften ist Englisch völlig ungeeignet, denn auch als Kultursprache hat es die Kanten für ein scharfes Denken bereits verloren. Die lingua franca der Wissenschaftler ist ja kein Englisch auf höchstem Niveau, sondern auf einem gemeinsamen Nenner, der zwischen Mittelmaß und angestrengter Künstelei anzusiedeln ist. Da Ingenieure und Naturwissenschaftler in der Regel keine Spitzentalente im Sprachgebrauch sind, schleichen sich in ihre Laborberichte Ungenauigkeiten und Nuancenverluste ein, die ihnen keiner ausbessert.
Vladimir Špidla, vormals Ministerpräsident unserer tschechischen Nachbarn, nun EU-Kommissar, wurde einmal gefragt, warum er nicht, wie die anderen Anwesenden, Englisch spräche. Es gebe Gedanken, sagte er, die könne man nur auf Deutsch sagen. Dem wäre nicht nur aus Höflichkeit zu erwidern, dass es Gedanken gibt, die nur auf Tschechisch, Dänisch, Italienisch einen wahren Sinn stiften. Am Amazonas sterben täglich Sprachen aus, deren Träger noch Flora, Fauna, Wetter, Heilmittel verstehen, ein Wissen um den Umgang mit der Natur, welches ein für alle Mal verloren geht, denn wir haben keine Begriffe, nicht einmal die Wörter, das Wissen dieser Menschen zu bewahren.
Mit der Kultursprache Englisch, der Sprache Shakespeares, hat die – am besten Globisch zu nennende – Weltsprache ohnehin wenig gemeinsam. Shakespeare wurde bereits aus den englischen Schulplänen gestrichen. Immerhin kommt auch im Mutterland der Sprache, die dabei ist, die Sprachen der europäischen Nachbarn zu verdrängen, eine Debatte um Sprachverlust und Kulturverfall in Schwung. (Siehe Death Sentences – How Clichés, Weasel Words and Management-Speak Are Strangling Public Language, von Don Watson)
Das nationalsozialistische Erbe
Unser Selbsthass auf die Sprache der Nationalsozialisten übersieht, dass es vor dem Tausendjährigen Reich viele Jahrhunderte gab, in denen die Menschen deutscher Zunge noch die friedlichsten waren. Als etwa ein Herder dafür plädierte, das Litauische zu bewahren, sonst ginge der Menschheit ein wahrer Schatz verloren. Als Shakespeare von Schlegel und Tieck genial ins Deutsche übersetzt wurde, worauf ihn die Engländer, die ihn schnöde vergessen hatten, wieder auf ihre Bühnen brachten.
Dennoch, das Dritte Reich hat, neben viel Schlimmerem, eine peinliche Tatsache hinterlassen. Sie nährt unser Unbehagen, ohne dass wir uns bewusst sind, was geschieht: Wir haben die Sprache des Dritten Reichs nämlich nicht abgelegt. Wir setzen Menschen ein, wir setzen Lösungen um, wir ziehen Themen groß auf. Wir feiern immer noch, in aller Ahnungslosigkeit, ein mechanistisches Weltbild, worin der Mensch so ersetzbar wie einsetzbar ist. Viktor Klemperer nannte sie die LTI, Lingua Tertii Imperii (die Sprache des Dritten Reichs). Da wird nicht gedacht, nur gemacht. Da erörtern wir die Neuausrichtung der Familienpolitik, als hätten wir sie wie einen LKW einzuparken. Da bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit, als könnte man dem Wandel mit der Keule begegnen. Wer soll eine Sprache noch schätzen, die tagein, tagaus zur Anfertigung von Lügen geprügelt wird?
„Es ist keineswegs gleichgültig, wie wir die Dinge benennen,“ sagt Karl Jaspers: „Der Name schon bringt eine Auffassungstendenz mit sich, kann glücklich treffen oder in die Irre führen. Er legt sich wie Schleier oder Fessel um die Dinge.“ Dazu bedarf es keiner Entlehnung aus dem Englischen, lähmen lässt sich der Verstand auch mit hausgemachten Wortgetümen wie der Verselbständigkeitsanalyse oder der Grunddienstbarkeitsbewilligungserklärung. So kehren wir einen wunderbaren Vorzug der deutschen Sprache in sein Gegenteil: Die Fähigkeit, neue Wörter durch Verschmelzung zu bilden, die sich von selbst erklären, wie der Zwischenkieferknochen, da weiß man, wo der zu suchen wäre. Oder der Schmollwinkel, der Prinzipienreiter. „Manche dieser Wörter verdienen es gar, in einen kleinen goldenen Rahmen gesteckt und an die Wand gehängt zu werden“, zitiert Dieter E. Zimmer die englische Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Fraser.
Der Sünden sind noch mehr: Da erhöht keiner die Steuern, den man zur Verantwortung ziehen könnte, sondern sie werden erhöht. Weil man sich hinter dem Passiv besser verstecken kann – ich war’s nicht, es waren die da. Oder die Weglassung von Tätigkeitswörtern, zum Beispiel bei der Aufrechterhaltung unserer Forderung zur Wiederherstellung der Geltung der Deutschen Sprache – wer so redet, möchte nicht beim Wort genommen werden, denn am Anfang steht der Logos, der hat etwas damit zu tun, dass man tut, was man sagt. „Aber wo keine inneren Bilder durch die Worte entstehen, wird auch keine Schöpferenergie in Bewegung gesetzt. Mit bildhafter, verständlicher Sprache, die alle nachvollziehen können und deren Inhalt am eigenen Körper spürbar ist, lassen sich Bilder erzeugen, die Überzeugen überflüssig machen.“ (Sabine Mühlisch)
Logos – Wort und Tat
Was wir denken und was wir sagen, bedingt einander wie die Henne und das Ei. Die Flucht in ein verarmtes, aber modisches Globisch gibt uns den Anstrich, zu einer schickeren Welt zu zählen. Schade nur, dass wir schon jetzt kaum noch entziffern, was Schiller in seinen Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen schrieb. Mehr brauchte man zur Führung von Mitarbeitern nämlich nicht zu studieren. Ich kenne zu Marketing und Management kein englisch geschriebenes Paper, das ich freiwillig zu Ende gelesen hätte.
Entdecken wir unsere Kultur wieder, sie ist der Quell unserer Energie und mit der Sprache, mit dem Logos, können wir getrost beginnen. Wer sich seiner Sprache bewusst wird, darf sie nämlich auch strapazieren, beispielsweise um zu erklären, dass wir Produkte und Dienste anbieten, die mehr Wert besitzen und ihn auch besitzen müssen. Sonst könnten wir gleich Mandarin lernen, statt unsere Zeit mit Englisch zu vergeuden.