Geht es um die Bewahrung der reinen Sprache, gelten Fremdwörter oft als Fremdkörper. Die Abneigung gegen ihren Gebrauch ist leicht nachzuvollziehen, wird aber meist schwach begründet.

Nichts gegen Wischwaschi! (Fotolia 40701364)

Das Bedürfnis nach einer reinen Sprache befriedigen die Isländer auf ihrer Insel, in der vieldurchquerten Mitte Europas gelingt Ähnliches nicht. Wir schauen lateinisch aus dem Fenster (fenestra), nicht durch das Windauge (window) und Sex kommt uns reizvoller vor als Geschlechtsverkehr. Es ist vielfach belegt: Die reine deutsche Sprache ist eine Vorstellung, keine machbare Sache. Zu Recht wünschen sich Sprachfreunde trotzdem, dass sie von lästigen, weil überflüssigen Fremdwörtern verschont bleiben.

Wer sie benützt, findet sie jedoch wunderbar. Alle Anderen erkennen die lästigen Fremdwörter auch ohne puristischen Eifer. Jedes Wort hat so etwas wie eine ihm eigene Wärme und einen eigenen Geruch. So umweht Nebel die dedizierten Teams, die Prozesse aufsetzen um performante Lösungen zu replizieren. Derlei bullshit bingo klingt wie Deutsch, ist aber nur Gefriersprache aus übersetztem Englisch. So etwas signalisiert den angesagten Stallgeruch: Wir können bei Opex ein paar cuts machen. Das wäre meines Erachtens der beste approach, unser headcount ist an den benchmarks gemessen ohnehin zu hoch. Anderen stinkt dieser Ton, aber aufgepasst: Die whiz kids bleiben an Bord, die Übrigen bekommen career change opportunities, im Klartext: Sie dürfen ihre Karriere woanders fortsetzen!

Bevor wir im selbstgefälligen Spott verharren, machen wir uns nichts vor: Kalt kann auch sein, was sich wie reines Deutsch anhört. Bei Tucholsky verabredet sich ein Oberbuchhalter mit seiner Freundin, die er damit sicherlich in Schwingungen versetzt: „Es wird nachher in meiner Wohnung voraussichtlich zu Zärtlichkeiten kommen.“ Immerhin hat er sich verständlich ausgedrückt.

Dennoch sind es insbesondere die lateinischen und neuerdings die englischen Fremdwörter, die das Verständnis behindern. Der Zuhörer schaltet ab, sobald sein Maß an unverstandenen und Blähwörtern voll ist. Sie rauschen von Ohr zu Ohr, ohne unterwegs eine Synapse sonderlich bemüht zu haben, und die Konzentration bricht ein. Merkt er die Absicht, dass ihm der Sprecher imponieren möchte, wird er verstimmt. Soll er zugequatscht werden, wird er sich rächen, etwa an der Wahlurne, und sei es, dass er ihr fernbleibt.

Falls ein Politiker oder Manager Wert darauf legt verstanden zu werden, muss er dafür sorgen, dass er verstanden wird. Anderenfalls misstrauen wir Zuhörer ihm und vermuten, oft zu Recht, dass er uns einen Bären aufbinden möchte. Gegen jeglichen Missbrauch der Sprache ist Widerspruch unser gutes Recht. Falls er möchte, dass wir ihm nicht so genau zuhören, ist Widerspruch sogar Bürgerpflicht.

Mehr über hier wiedergegebenen Bullshit Bingo


Nachtrag: Mehr zu diesem Thema in dem jüngeren Beitrag Die Bedeutungslosigkeit der Lücke, speziell zu dem Argument: „Dafür gibt es kein deutsches Wort!“