Die Bahn bedient nur einen Teil des Marktes. Von ihrem volkswirtschaftlichen Auftrag hat sie sich verabschiedet. Es ist bekannt, warum sie das tut, trotzdem ist es auch strategisch für ihr Marketing ungeschickt. Sie bedient am liebsten Bedürfnisse, die in Teilen jetzt schon, bald aber restlos überholt sein werden.

Angenommen, Energie würde teurer, viel teurer als wir sie heute bezahlen, und das lange bevor die Ölreserven erschöpft sind. Wenn sogar die Internationale Energieagentur (IEA) das Ölfördermaximum für 2020 voraussagt, wird es kaum später eintreten, eher früher. Das ist der Punkt, zu dem die Energiepreise das Welthandelsgefüge ein für alle mal neu ordnen werden. Der Transport von anderswo billig hergestellter Ware dürfte dann so kostspielig sein, dass man sie ebenso gut zuhause –“ wer weiß, vielleicht sogar in Handarbeit –“ herstellen könnte. Dass die Folgen dieses Zustandes nicht nur erschecken müssen, behandelt der Beitrag Hubbert Peak: Gute Aussichten bei steigenden Ölpreisen im Sonnenfleck.

Die intelligente Frage lautet nicht, ob wir dem Hubbert Peak ausweichen, sondern wie wir beizeiten mit seinen Begleiterscheinungen umgehen, das sind vor allem Preiskämpfe. Deren Anfänge wir bereits miterleben. Wahrscheinlich werden wir kaum noch die gewohnten Autos fahren, schon gar nicht schwere LKWs. Ein Bus befördert mit der gleichen Energiemenge soviel wie 40 PKWs. Die Bahn wird stillgelegte Strecken wieder herrichten und neue Züge bestellen. Die Züge werden langsam fahren, dafür öfter. Schnell fahren verbraucht viel Energie. Auch die aufwendigen Vorkehrungen zur Sicherheit des Verkehrs wachsen im Quadrat zur Geschwindigkeit. Nicht Pünktlichkeit, sondern Häufigkeit der Anschlüsse wird den Charme der Bahnreise ausmachen.

Daraus folgt: Teure Energie bedingt ziemlich genau das Gegenteil dessen, was die Bahn auf ihrem Weg zur Börse betreibt. Ist sie dort erst einmal angelangt, wird sie ihren Horizont vollends auf das kommende Quartalsende beschränken. Das passt zur gegenwärtigen Auffassung vom Aktionärsnutzen, aber nicht in die Landschaft, denn der Blick auf 2020 drängt Entscheidungen auf, zu deren Verwirklichung wir zehn, fünfzehn Jahre benötigen. Wir brauchen ein engmaschiges Netz von Verbindungen mit hoher Taktzahl, kein ausgedünntes Netz mit Vorrang für Hochgeschwindigkeitszüge. Zur Erinnerung: Bis zum Hubbert Peak sind es nur noch zehn, höchstens fünfzehn Jahre. Und zur Klärung: Energie wird es weiterhin geben, aus Russland, vom Meeresboden, aus zerquetschten Sonnenblumenkernen. Der Knackpunkt sind nur die Preise.

Eine Bahngesellschaft, die ausrangierte Lokomotiven lieber zersägt, als sie den jungen Wettbewerbern zu verkaufen und die das Schienennetz lieber in eigener Regie stilllegt, als es für die Zeiten teurer Energie aufzurüsten, hat vermutlich an der Börse nichts verloren. Was sie tun sollte, sollte Gegenstand einer Grübelrunde sein, einer Spinnstunde, einem Denk-Bar über das Marketing in der bereits begonnenen Zukunft.