Total kein Gendern mehr, wie abgeschnitten. (Bild © Oliver Baer)

Aus dem Sprachgendern wird auf die Dauer nichts, man kann dem Scheitern bereits zusehen. Ähnlich geht es zu beim Sprachkampf gegen Rassismus.

Während ein von faschistischen, total durchgedrehten Drogendealern regiertes Land die Panzer und Raketen seiner friedlichen Nachbarn ins Land lockt, um sie dort sogleich zu überfallen, befassen wir uns weiterhin mit dem Thema Sprache. Muss sein, es gibt nun mal, bevor wir uns den handfesten Zeitfragen zuwenden, ein paar Dinge abzuhaken – ein für allemal. Übrigens, wer diesen Beitrag liest, bestätigt durch konkludente Handlung, dass er/sie/es darin keinen Beweis für Frauenfeindlichkeit oder Vorbehalte gegenüber LGBTQ+ vorfindet. Feministen und Antirassisten dürfen also weiterlesen, es geht nicht gegen ihre Sache, es geht gegen die Art und Weise, wie sie ihre Ziele durchboxen.

  1. Ihr Sprachkampf gegen die alten weißen Männer (AWM) steht auf dünnstem Eis. Ob im Marketing oder im Krieg, als erstes gilt es die gegebenen Mehrheiten zu würdigen. Außer den AWM sind nämlich auch Frauen mehrheitlich gegen das Gendern, sogar die tendenziell links-grünen Wählerinnen sind bestenfalls zur Hälfte beim Gendern dabei. Erkenntnis: Offenbar gibt es einige Millionen Mitläufer:innen, sie sind mit Dingen befasst, die mehr pressieren (bezahlbarer Wohnraum, Heimbeschulung der Kinder?) als Straßendemos gegen Gendersternchen zu bevölkern. Vorsicht: Wehe, wenn diese Damen (und ihre Männer) mal aufmucken!
  2. Propaganda mit Symbolen kann gelingen, wenn man sie sparsam, nämlich gezielt ins Spiel bringt. Beispiel einer Spitzenpeinlichkeit: Die taz veröffentlichte in einem Beitrag 23 mal „:innen“, drei sogar im Schleppzug: „Linguist:innen“, „Ak­ti­vis­t:in­nen“ und „Dokumentarist:innen.“ Das ist trotzig, mutig, heldenhaft, und es versenkt das eigene Schiff – na gut, kann mal passieren. Auch Anbieter im Markt beweisen mit Genderwashing Ihren Kampfesmut: Seht her, wie geschlechtsneutral wir sind!
  3. Die Bilderstürmerei der Puritaner war dagegen harmlos. Da schnauzen zwei Antirassisten im Kieler Restaurant „Zum Mohren“ den kaffeefarbigen Mitarbeiter an: Wie er als Schwarzer für so einen Rassisten arbeiten könne? Sie wünschen sofort den Chef zu sprechen. Das jedoch ist der soeben Angeschnauzte; die Antirassisten können es nicht glauben. Sie glauben auch nicht, dass er als Chef das Recht hätte, seinen Laden zu nennen wie es ihm behagt. Aber man kann sogar Kunstmenschen gendern: „Roboter:innen“, kein Witz! Derweil wird in Leitfäden für gendersensible Sprache vor der Endung „er“ gewarnt. „Jeder“ muss durch „alle“ ersetzt werden, denn „bei Pronomen schleicht sich oft die männliche Form ein“. Gott, wie eklig, und das geht schon seit Jahrhunderten so!
  4. Offenbar teilt sich die Menschheit in Realos und Fundis. Alles gut, so lange sie um Kompromisse ringen, aber wenn zuerst die Gesinnung zu bedienen ist, bevor man die Vernunft in Gang setzen darf, kommt es auch zu Bücherverbrennungen. 1933 hat sich die akademische Jugend daran gerne beteiligt. Der Vergleich tut weh, das soll er und vor der Teilnahme an Massenbewegungen warnen. Ein unfairer Vergleich? Wirklich?
  5. Der Sprachkampf befasst sich mit Abstrakta. Der Mord neben dem Polizeiauto war griffig, real. Die Antwort „Südseekönig“ statt „Negerkönig“ ist irreal, ausgedacht, sogar kontraproduktiv. Eine der wirkstärksten Geschichten gegen Rassismus war und ist noch immer Mark Twains „Huckleberry Finn“, darin wurde das Wort „Nigger“ über 200 mal gefunden.
  6. Ausgerechnet Frauen sind es, die den Kampf um korrekte Sprache anführen. Das ist für die besagten Millionen der vielleicht weniger emanzipierten (aber selbstverständlich mitgemeinten) Frauen und ihre beflissenen Männer fragwürdig. Was ihre Vorkämpfer:innen da anrichten, ist im Porzellanladen zu sehen: ein Haufen Kollateralschaden, null Nützliches. Keinen Millimeter Geländegewinn bringt der Sprachkampf um die Gerechtigkeit unter den Geschlechtern, den Ethnien und so weiter. Aber er befeuert den Gegenschlag der rachsüchtigen Unbelehrbaren, beispielsweise gegen LGBTIQ+ in Russland, in Ungarn, in Polen. Die Einzigen, denen der Sprachkampf etwas nützt – Geltung und sichere Arbeitsplätze – sind die in Gender Studies untergekommenen Akademikerinnen und in den Gemeinden die Gleichstellungsbeauftragten.
  7. Wie kommen sie, wie kommen wir aus der Nummer wieder heraus? Mit den Vorkämpfer:innen wird es zu keiner Exitstrategie kommen. Zwar könnten die Sprachpuristen zur Lösung beitragen, indem sie sich mäßigen, aber sie werden es nicht fertigbringen. Die Lösung formuliert Navid Kermani so: „Da ich mich nicht dazu entschließen kann, das üblich gewordene, semantisch jedoch falsche und dazu unschöne Partizip ,Studierende‘ zu verwenden, ist es also notwendig, beide Geschlechter zu nennen.“ Nämlich fallweise, wo das Taktgefühl funktioniert. Man nennt das die „moderate Beidnennung“, wo wir Sprachempfindsamen das sachlich Falsche ausnahmsweise zulassen, indem wir es in unserem Bewusstsein als Falsches erinnern – um des lieben Friedens willen!
  8. Übrig bleibt die Begrenzung des Schadens an den Kindern. In allen Punkten, sofern sie sich nicht wie die Sternchen von alleine erübrigen, muss zurückgerudert werden. „Alle“ ist nun wirklich kein Ersatz für „Jeder“; Partizipien brauchen wir für Klarheit der Ausdrucksweise; Passivkonstruktionen zählen zum Grausamsten, was man mit Sprache anstellen kann.

Mit anderen Worten, wir können die Hysterie auch sein lassen, konzentrieren uns lieber auf Taten für die tägliche, die greifbare Gerechtigkeit, zum Beispiel die gleiche Bezahlung. In der DDR war mit „Dreher“ jeder Dreher gemeint, ob Mann oder Frau. Als „bester Biathlet aller Zeiten“ gilt aktuell Marte Olsbu Røiseland, zuvor war das Ole Einar Björndalen. Jeder Versuch dieses generische Maskulinum zu gendern, würde Frau Røiselands wie auch Herrn Björndalens Leistung schmälern. Spielen wir lieber das Lied vom Ende des Genderns!


Dieser Beitrag wurde im Winter 2022 in den Sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache (I/2022) veröffentlicht.