Sprache schafft Chancen, Sprache verdirbt Chancen. Sprachpflege im Geschäft zahlt sich aus. Auf dem Spiel steht mehr als der Gewinn oder Verlust für ein falsch beworbenes Produkt. An der Sprache erkennt der Kunde die Unternehmenskultur, sie ist die Grundlage des Marketings. Die Muttersprache bietet handfeste Vorteile für das Marketing und die Unternehmenskultur.

Früher gab es bei der Bahn einen Schalter, der hieß Auskunft, jetzt heißt er Service Point. So kommt die Bahn ausländischen Besuchern entgegen, weil es Englisch klingt. Aber nicht ist. Gottlob sind die Ausländer weltläufig, sie begreifen trotzdem, worum es geht. Schließlich ist der Geisterfahrer auch keiner, der Gespenster durch die Gegend fährt. Ärger hat die Bahn nur mit den Kunden im Inland. Sie durchschauen, was gespielt wird, und darin liegt das Problem.

Hartmut Mehdorn möchte seine Bahn an die Börse bringen. Die Regierung hat es versprochen: „Der Kabinettsbeschluss ist ein tragender Meilenstein.“ Was immer das sein mag, ein tragender Meilenstein. Dennoch könnte das Vorhaben entgleisen, das Schienennetz darf die Bahn schon nicht mehr mitnehmen. Der Wähler, zugleich Kunde der Bahn, hat zu viele Anschlüsse verpasst, zu oft um ein Ticket angestanden, er misstraut dem Plan der Bahn, Shareholder Value und Service unter einen Hut zu bringen. Er begreift das ganze als ein geschnürtes Paket, sein Inhalt verrät sich durch die Sprache: Vorsicht, Zurück treten von der Kante!

Was Die Bahn betreibt, ist ein PR-GAU, der Größte Anzunehmende Unfug in der Öffentlichkeitsarbeit. Offenbar glaubt sie ihrem eigenen Wortgeklingel, und das eine Kardinalsünde des Marketings. Spräche sie nicht, was sie für Englisch hält, sondern Deutsch, würde sie es selbst hören: Da singt jemand laut, aber falsch.

Dass sich Widerstand organisiert, war abzusehen. Der Verein Deutsche Sprache entstand 1997, weil wir der Worthülsen hierzulande genug haben, da fehlten uns die englischen gerade noch. Was so harmlos aussieht – 6500 Anglizismen, keine zwei Prozent des Wortschatzes – ist lächerlich, manchmal ärgerlich, oft peinlich, mitunter sogar gefährlich. Was Bahn, Telekom, Post und die DAX-gelisteten Unternehmen in der Werbung anstellen, kostet viel und erbringt wenig, manchmal das genaue Gegenteil des Gewünschten.

Aufrichtiges Marketing

Tchibo bietet Handtücher von Mitch & Co als 2 Towels an: „Um kundennah aufzutreten, übernehmen wir zum Teil natürlich auch die entsprechende Sprache der Kunden,“ erwidert Tchibo den entsprechenden Kritikern in einem Standardschreiben. Falls ihr der Kunde zu nahe kommt, wird sie ihre entsprechende sprachliche Blöße mit den zwei Towels bedecken. Wen meint Tchibo? Die Jungen, die zwar so reden, aber Towel weder aussprechen noch schreiben können? Oder die Yuppies, von denen man – früher zu Recht – annahm, sie kämen ohne Business Reengineering, Benchmarking und Customer Relationship Management nicht aus dem Knick? Auch ihnen wächst das Sprachgulasch bereits zum Halse heraus. Gerade in diesem Milieu gilt der Versandhauskatalog von Manufactum wegen seiner Sprache als Kultobjekt: „Es gibt sie noch, die guten Dinge.“ Gepflegtes Deutsch ist zeitlos.

Trotzdem wird im Markt beherzt aneinander vorbeigeredet. Vielleicht liegt es daran, dass die Marketing- und Mediaexperten aus eben diesem Milieu nur die Wasserlöcher aufsuchen, wo sich ihr Zielwild nicht hintraut. Dabei widersprach schon David Ogilvy seinen Kollegen in der Werbung: „Wenn du neben dem Kunden stehst, brauchst du nicht zu schreien.“ Schon gar nicht in einer Sprache, die bei Vielen ein schlechtes Gewissen weckt: Ob mein Englisch wohl genügt in diesem globalen Dorf?

Ogilvy meinte übrigens auch, die Werber sollten in der Sprache der Kunden schreiben, in der Umgangssprache. In seinem Sinne ruft eine Stadtsparkasse die Jungen zu einer Party mit „Styling für dich oder deine Finanzen“. Entweder geht, vor lauter Anbiederei im Jugendjargon, der Verstand über Bord oder die Sparkasse trimmt ihre Kunden beizeiten auf innovative Finanzprodukte. Dann wäre ihr Marketing folgerichtig, und kurzsichtig. Eine Ferienhausagentur am Mittelmeer, auf der Suche nach einem Namen, mit dem auch Italiener und Spanier fertig werden, sagte ihrem Werbeberater: „Es kann ruhig ein deutscher Name sein, die englisch-angehauchten hören sich oft so austauschbar an.“

Glaubwürdiger Ausdruck

Sicher, es gibt Produkte wie Anti-Aging-Creme, aber darüber sollen sich die Kunden keine Gedanken machen: eine Creme gegen das Altern. Fehlt nur die Salbe gegen schlechte Schulnoten. Hält man die Alten wie die Jungen für schwachsinnig? Die man über das Bauchgefühl einfängt, oder was noch weiter südlich liegt? Das wäre zwar gängige Praxis, bliebe aber ein Marketing der verbrannten Erde, für jedes seriöse Angebot ungeeignet.

Darauf lässt sich zum Beispiel die Weleda nicht ein. An ihren Formulierungen spürt der Leser das Bemühen, dass sie ein Gegengewicht zu unerlässlichen Schlüsselwörtern wie Wellness und Peeling sucht: „Regelmäßige Bewegung und Entspannung, eine ausgewogene, gesunde Ernährung, genussvolle und wohltuende Hautpflege und Achtsamkeit in der Gestaltung Ihrer Beziehungen: All das trägt zu Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlbefinden bei.“ Das begriff auch der Bauchladen, ein Bautzener Geschäft für Schwangerenbedarf bei der Wahl seines Namens.

Zu Zeiten des geilen Geizes genügt es nicht, seine Sache gut zu machen. Man muss auch über die Rampe bringen, dass man zu dieser Leistung fähig ist und auch künftig noch willens sein wird. Beispielsweise Dr. Oetkers Sorge um Allergiker geht schon aus der sachlich gehaltenen, aber in warmen Tönen getroffenen Sprache hervor. Sie ermutigt zum Weiterlesen, zur Kontaktaufnahme mit Oetkers Versuchsküche.

Was meinte David Ogilvy damit: Sprecht wie Eure Kunden? Meinte er das krause Zeug, was der Volksmund in der Straßenbahn sagt? Das brachte Hanns-Dieter Hüsch auf die Kleinkunstbühne. Er stilisierte es, er fügte Satzfetzen zu Kabarettstückchen zusammen, das wurde sehr komisch. Ebenso filtert der Werbetexter aus der Umgangssprache, was für seine Zwecke verdaulich ist, alles andere entsorgt er. Mit Anglizismen, Kanaksprak, Amts- oder Soziologendeutsch kann er spielen, so lange er nur andeutet, nicht platt walzt. Würde Richard III den ganzen Abend über die Bühne hinken, würde uns sein Klumpfuß von der Tragödie ablenken. Eine ähnliche Umsicht und Behutsamkeit beim Sprachgebrauch ist in keinem Milieu vergeudet. Finanzen zu stylen bleibt ein Stilbruch, den sich ein guter Werber drei mal überlegt.

Oetker genießt die Treue seiner Kunden zur Marke. Auch Eon möchte die Kunden bei der Stange halten, trotz des schlechten Rufes, der Energieanbietern anhaftet. Denn auf die Dauer kan man nur die Identität darbieten, die der Wahrheit entspricht. Deshalbb muss das Marketing mit der Unternehmenskultur versöhnt werden. Sonst landet man bei Umfragen („Wessen Service ist gut?“) auf den untersten Plätzen, bei Bahn, Post und Telekom. Deren Service ist übrigens besser als ihr Ruf, aber der Kunde vergleicht ihr öffentliches Auftreten mit der Corporate Identity (Unternehmenskultur), wie er sie erlebt. Weichen sie voneinander ab, verübelt er die Lüge mehr als er die Leistung würdigt. Solche Unternehmen reden mit ihren Kunden in der falschen Mundart. Das ist unklug, wenn man zur gleichen Zeit die alten Briefträger feuert.

Vertrauen auf Augenhöhe

Die Post wendet ein, sie sei kein deutsches Unternehmen mehr, sondern ein Global Player, folglich müsse sie sich der Welthandels- und Verkehrssprache bedienen. Auch in Weißwasser, Bottrop und Reutlingen? „Die Weltsprache ist nicht Englisch, sondern schlechtes Englisch,“ meint David Crystal, Mitverfasser der Cambridge Enzyklopädie der Englischen Sprache. Ogivly würde sich im Grabe umdrehen, da alle Zielgruppen mit der selben Fertigsoße gefüttert werden. So wird Globalisierung zu einer Art Kolonialisierung, der sich nur ideologisch getrimmte Mitarbeiter freiwillig unterwerfen. Falls aber die Post in Madrid und Berlin zweierlei Maß anlegt – sags den Spaniern auf Spanisch, den Deutschen auf Englisch – könnte das hierzulande als unfreundlicher Akt aufgefasst werden. Warum sollte der deutsche Wähler ein Briefmonopol (bei überhöhtem Porto) dulden, wenn sich die Post nicht mehr als deutsches Unternehmen versteht?

Was macht die Eon richtig? Sie vollführt mit der Sprache eine Geste, die von innen nach außen wirkt. Wer im Büro statt zum Meeting zur Besprechung eilt, der nennt auch sorgfältig verfasste Briefe an die Kunden sein eigen, wird Amtsdeutsch meiden, Fachjargon erläutern, protzige Anglizismen vor dem Gebrauch entsorgen. Der verfasst E-Mails wie handgeschriebene Briefe und gewöhnt sich an einen Tonfall, mit dem sich musizieren ließe. Mithilfe der Sprache verändert Eon seine Kultur, das Marketing kann ihr mühelos folgen. Das spart nicht nur Kosten in der Werbung, es entlastet den Betrieb, zum Beispiel weil einen die Kunden mit weniger Rückfragen plagen.

Ähnlich geht es Soli fer Solardach, einem Handwerksbetrieb für Sonnenwärmeanlagen, bereits in der Phase der Anbahnung. Seit dem Tag, als der Chef in seinen Fachvorträgen Low Flow Technology durch Trägflusstechnik ersetzte, hören seine künftigen Kunden mit gespitzten Ohren zu. Er hat daraufhin mit Fachjargon und Anglizismen gründlich aufgeräumt und die Kunden sagen: Jetzt verstehe ich, worum es geht. Soli fer holt den Kunden auf Augenhöhe mit dem Fachberater, da wird nicht imponiert, sondern informiert. Für den Kunden, der mit seiner fünfstelligen Investition immerhin den Gegenwert eines Kleinwagens auf sein Dach legen soll, wird das Risiko überschaubar. Soli fer geht einen Schritt weiter und setzt Fremdwörter grundsätzlich sparsam ein, denn bekanntlich bricht die Aufmerksamkeit des Hörers in dem Augenblick zusammen, wenn er auf ein Wort stößt, das er nicht versteht.

Angewandtes Sprachempfinden

Für sorgsame Wortwahl gibt es auch einen tieferen Grund. Jedes Wort, jeder Laut besitzt seine eigene Farbe und Temperatur. Daraus kann man einen Satz wie eine Taktfolge komponieren. Horchen wir uns hinein: Empfinden wir dasselbe, wenn wir dem Arzt unser Gefühl beschreiben, als wenn über eine Emotion informieren? Gehört nicht der Blinddarm zu mir, der Appendix in die Klinik? Arbeitet einer wirklich schöpferisch, wenn er kreativ ist? An solchen Feinheiten hängt, ob der Hörer, der Leser, mitgeht oder davonläuft.

Meistens genügt es nicht, ein Wort auszutauschen, wir müssen den ganzen Satz neu entwerfen. „Wir orientieren die Arbeitsmarktpolitik an XYZ“ rauscht vom einen Ohr zum anderen und wieder hinaus, es hinterlässt keine Spur. „Wir richten die Arbeitsmarkpoltik an XYZ aus,“ vermeidet das Fremdwort, klingt aber nach Kasernenhof. „Wir möchten von den Betroffenen erfahren, wie sich XYZ auf sie auswirkt,“ hingegen fordert den Sprecher auf, Farbe zu bekennen, das lädt ein zum Mitlesen und Mitdenken, darauf kann, wer so spricht, sogar mit einer nützlichen Antwort rechnen.

Was wir gemeinhin als Fremdwort bezeichnen, ist meist kälter als das Synonym, das wir noch als „Deutsch“ empfinden. Vielleicht stopfen wir diese wörter deshalb in Fremdwörterbücher; im Englischen kennt man solche Trennung nicht. Man schlägt nach – sieh an, das also bedeutet es – und kehrt zurück ins Vertraute. Aber würden wir der Geliebten einen Body Bag schenken, wenn wir wüssten, es ist ein Leichensack? Wieviel Fremdwörter, zumal die vielsilbigen romanischen („Ich bin emotional involviert“) und die modischen englischen („Von Feeling her habe ich ein gutes Gefühl“), verträgt ein Liebesbrief?

Mit dem, was wir kalt finden, kommen die Franzosen auch in der Liebe zurecht, aber es war ihre Landsmännin, Madame de Staël, die meinte: „Die Deutsche Sprache ist viel philosophischer als die italienische, viel poetischer in ihrer Kühnheit als die französische, dem Rhythmus der Verse viel günstiger als die englische.“ Deshalb trägt protzen weiter als imponieren, und statt zu informieren könnten wir erläutern, erklären, verdeutlichen, erzählen … und schon schenkt uns der Hörer sein Ohr.

Auf den Kitzel von Modewörtern verzichten Marketingleute ungern, schließlich stehen sie innovativ und kreativ unter Dampf. Aber jeder Reiz unterliegt dem abnehmenden Grenznutzen. Uns geht es wie mit dem Gorgonzola auf dem Brot: Doppelt so dick gestrichen schmeckt nicht doppelt so gut, bei vier mal so dick grausts einem schon. Sogar ein Hamburger zur rechten Zeit schmeckt, denn er ist mit Geschmacksverstärker angereichert. Das Natriumglutamat stumpft die Geschmacksnerven ab, bis man nichts mehr mag als den Fraß, der damit versetzt ist. Haben wir uns an Geisteskost aus Sprachhülsen erst gewöhnt, versiegt auch das Denken. Und wie man Success in Business ausspricht (oder es lieber sein lässt), haben wir dann auch verpasst.

Selbstgewisses Auftreten

Den Kunden abzuholen, wo er steht, heißt nicht, wie ein Chamäleon darauf zu warten, dass er sich in unsere Reichweite wagt. Wer etwas auf sich hält, bekennt Farbe. BMW, zum Beispiel, hat Verfahren zum Spritsparen mit eben jener Pfiffigkeit entwickelt, die man von Made in Germany kennt und erwartet, und stellt sie auf der Messe als Efficient Dynamics vor, global angepasst und anonym, als stammte die Idee aus Taipeh. Ist Deutsch den Bayern zu betulich? Wieso ducken sie sich unter die Bank, als hätten sie ihre Schularbeiten nicht gemacht? Auf Globalesisch muss doch nur auftreten, wer den BMWs nicht das Wasser reicht!

Exportweltmeister war man schon, als Englisch noch kein Beweis für Weltläufigkeit war. Den Airbag hat Daimler Benz erfunden, aber alle Welt hält ihn für eine amerikanische Erfindung. Man stelle sich vor, was es kostet, einer solchen Rufschädigung durch Werbung zu begegnen. Audi wirbt mit Vorsprung durch Technik, das kann in England keiner aussprechen, aber Audi ist ein Kultauto. Ferrari bietet auf der Messe den Millechili an, so wie es Ferrari in den Kram passt, nicht als One Ton Car. Dass die Leute Millechili aussprechen, als ginge es um Peperoni, ist dem Hause Ferrari völlig egal Man wahrt seine Identität, indem man tut, was man für richtig hält. Sobald Ferrari diese Haltung aufgäbe, könnten sie in Maranello das Licht ausschalten.

Hausinterne Dialoge

Ist die Betriebstemperatur zu kalt, fühlen sich die Mitarbeiter unsicher, sie verkrampfen und leisten weniger. Ist sie zu heiß, entsteht ein Gruppenmief, in dem alles Schöpferische eingeht. Englisch bleibt, ob es dem Deutschen noch so verwandt ist, eine Fremdsprache, die von den meisten im Lande nicht beherrscht wird, selbst nicht von denen, die es sich einbilden; die Temperatur fällt. Englisch zur Konzernsprache zu erheben, bedeutet daher den Verzicht, an den fließenden Grenzen des Gedachten und Gefühlten etwas dazuzulernen, Neues mit Begeisterung zu vermitteln. Das Spannendste in der Architektur sind die Übergänge, nicht die Flächen; Neues entsteht an den Rändern, nicht im Hauptstrom der Mitläufer.

Wenn wir nicht außergewöhnlich sprachbegabt sind, fehlt uns in der Fremdsprache zum schöpferischen Denken und zum förderlichen Dialog ganz einfach das professionelle Werkzeug. Ein auf das Notwendige beschränkte, kulturell neutralisiertes Globalesisch bietet zwar Rationalisierungsvorteile: In seiner beschränkten Funktion wird aber der Einzelne durch Hart- und Weichware ersetzbar; als Person verliert er im Arbeitsleben seine Daseinsberechtigung. Ein so aufgestelltes Unternehmen ist dann auch leichter zu verschachern. Wer das Englisch der Global Player drauf hat, sonst nichts, hat gute Chancen den Eigentümerwechsel zu überstehen. Bis zum nächsten mal, dann ist auch er fällig.

Solche Aufsteiger verteidigen mit Energie ein Art Naturrecht auf schlechtes Englisch, sind aber nur denkfaul. Kommt etwas Neues auf den Markt, bildet das Wort die Synapse im Gehirn, das als erstes genannt wird. Das geschieht in Redaktionen, denen die Zeit zum Vordenken fehlt, und bei Wortschöpfern in Madison Avenue. So gab es auf einmal den Podcast, gebildet aus iPod und Broadcast = Rundfunk. Ein ausgeschlafener Journalist mit Phantasie (und Zeit) hätte daraus den Schotenfunk gemacht. Und nicht für Apple geworben. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Deshalb hätte sich Prallsack statt Airbag mühelos durchsetzen lassen, sogar in Iowa, siehe Audi.

Vollends peinlich wird es, wenn der Deutschlandfunk berichtet: „Die Deutsche Post bevorzugt Halle/Leipzig für zentrales DHL-Hub“, Hub ist dabei ausgesprochen wie in Hubraum. Sicher, hub heißt Nabe, auch Güterverteilzentrum, Drehkreuz, aber wer weiß das Was soll Information ohne Haken, an den man sie hängen kann? Sogar die Lufthansa hat das Wort Drehkreuz noch nicht aufgegeben.

Wem solche Mätzchen wie Gehirnwäsche vorkommen, der wünscht sich für den deutschen Sprachraum Gesetze wie das Loi Toubon (Sprachgesetz, erzwingt bei fremden Wörtern, die fanzösische Übersetzung hinzuzufügen). Ob so etwas hierzulande Sinn stiftete, ob es durchsetzbar wäre, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass sich der Bürger bewegt, dass er jedem schlampigen Sprachgebrauch etwas bewusst Gewähltes entgegenhält, das von Herzen kommt und vor Gebrauch im Kopf bewegt wird. Vorangehen könnten die deutschen Volksvertreter und die Landessprache im Grundgesetz verankern. Deutsch ist immerhin die Lingua Franca der Zuwanderer untereinander und – nebenbei gesagt – die Muttersprache von über 90 Millionen Einheimischen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Davon beherrscht höchstens jeder Vierte die englische Sprache für ein einigermaßen flüssiges Gespräch. Bei Verhandlungen auf oberster Ebene ist sogar der Fortgeschrittene dem Muttersprachler unterlegen. Davor schützt nur professionelles Dolmetschen. Es mag teuer sein; der Verzicht darauf kommt aber nicht billiger. Das konnte man aus Joint Ventures in Amerika lernen.

Menschen im Wettbewerb

Sprache ist nicht nur, was man in Wörterbüchern nachschlägt. Wir verständigen uns durch Bilder, Metaphern, Idiome. Das bezeugte ein Vorstand auf seiner Hauptversammlung, als er die Entlassung von einigen hundert Mitarbeitern begründete: „It is better to cut off our hands and feets than our arms and legs.“ (Es ist besser, wir schneiden unsere Hände und Fußen ab als unsere Arme und Beine). Hätte sich dieser Deutsche der Sprache bedient, die er auf dem Schoß der Mutter hörte, ihm wäre nicht nur die Mehrzahl von Fuß ohne Blutvergießen gelungen, er hätte sich eher auf die Lippen gebissen als ein Kettensägenmassaker anzukündigen.

„Man kann sich in einer fremden Sprache nur unfrei ausdrücken. Im Zweifelsfall sagt man lieber, was man richtig und einwandfrei zu sagen hofft, als das, was man eigentlich sagen will. Oder man sagt, was man zu sagen glaubt, in der fremden Sprache, aber wird es anders verstanden, als es gemeint war,“ sagte Franz Molnár. Derlei kann uns sogar in der Muttersprache geschehen, aber da kommt uns das Sprachgefühl zu Hilfe, wir verbessern uns oder fragen den Sprecher, ob er das nun so oder so meinte. Wer soll das in einer Fremdsprache fertigbringen? Ist es praktikabel zu fordern, dass man es könne?

Ein verhandlungsfestes Englisch setzt jahrelangen Aufenthalt im passenden Ausland voraus, völliges Eintauchen in die andere Sprache, gründlicher als Jürgen Schrempp es vorweisen kann; an seinem südafrikanischen Wohnort sprach er wahrscheinlich zu viel Deutsch, zu Hause und im Büro. Schrempp war der Chief Executive Officer, der aus der deutschen Daimler-Benz und der amerikanischen Chrysler einen Englisch sprechenden Weltkonzern zusammenrührte. Fort mit Schaden (good riddance)!

Ein leitender Forscher der BASF, dem die – nur noch in Englisch verfassten – Berichte seiner Mitarbeiter über den Tisch gehen, findet darin zahlreiche Schwächen und sogar sinnentstellende Fehler. Das gab es zu Zeiten der deutschen Berichterstattung nicht; mit einem Federstrich ist die BASF in die zweite Liga abgestiegen. Mittlerweile hat dieser Bereich einen neuen Chef bekommen, der von der Forschung nichts versteht, aber die Konzernsprache drauf hat. Der Schein bestimmt das Bewusstsein.

Auf niederer Ebene wird diese Tendenz bei der Advanced Micro Electronics (AMD) bestätigt, die sich in Dresden nicht wegen der Staatsknete niederließ (die gabs anderswo auch), sondern weil da Fachkräfte aus DDR-Zeiten leben. Teilnehmer eines Englischlehrgangs, Fachleute der Elektronik, berichten, dass AMD als erstes ihre Kenntnisse im Englischen prüft. Wer durchfällt, könne gleich nach Hause gehen, die fachliche Qualifikation werde nicht erst erfragt.

Muttersprache ein Muss – Weltenglisch ein Plus

Englisch besetzt nun den Raum, ob wir es wollen oder nicht, den Esperanto besser ausgefüllt hätte. Schon allein, weil sich mit Esperanto keiner falsche Vorstellungen machte, man verstünde einander, bloß weil der andere nicht widerspricht. Aber Esperanto hat keine Chance. Also, was sollten wir tun?

Klären wir, wozu sich die Welthandels- und Verkehrssprache eignet und wofür nicht. Sie ist glatt, das erleichtert den Umgang und den Zugang. Zugleich fehlt ihr die Genauigkeit einer kantigen Sprache (welche das Hochenglisch besitzt, aber das ist mit Globalesisch nicht zu verwechseln). Auf die Dauer ist es auch nicht im Sinne der Amerikaner und Engländer, wenn sie ihren Vorteil der Muttersprachlichkeit auf Kosten aller anderen ausspielen. Sie genießen die Überlegenheit auf abschüssiger Bahn, denn so wie der kulturelle Beitrag aus den übrigen Muttersprachen verfällt, wird die Welt insgesamt verarmen, auch ihre. Außerdem spaltet sich die globalesische Sprache bereits in immer mehr Dialekte. Das kann nur gut finden, wer noch nicht bemerkt hat, dass zum Fortschritt eine farbige Vielfalt jeder Monokultur vorzuziehen ist.

„Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest, aber Englisch wird die Arbeitssprache,“ ließ ein deutscher Ministerpräsident hören. Er irrt, die Weltsprache ist ein Zerrbild. Angenommen, die Deutschen würden dennoch und mit Gewalt Englisch zur neuen Muttersprache erklären: Wie lange würde es dauern, bis eine Mehrheit der Kinder hierzulande mit einem Englisch auf muttersprachlichem Niveau aufwächst? Mindestens eine Generation, und im Verlauf dieser zwanzig Jahre müsste auf alles Erreichte verzichtet werden, auf Vorsprung durch Technik, aber BSE hätten wir (Bad Simple English).

Das verdeutlichte Porsche-Chef Wiedeking: „Natürlich können sich die Manager in Englisch verständigen. Aber das ist nicht auf allen Arbeitsebenen der Fall. Ganz schwierig wird es, wenn es um Details geht, um die Einzelteile eines Motors beispielsweise, doch gerade bei diesen Themen müssen sich die Mitarbeiter perfekt verständigen.“ Wir würden uns bald auf chinesischem Lohnniveau befinden, natürlich ohne Sozialstaat, den könnte sich die Volkswirtschaft nicht mehr leisten.

Lassen wir uns nicht auf falsche Vorstellungen ein, globales Englisch ist unser Esperanto, mehr nicht. Wir wollen uns weltweit verständigen und unsere Fähigkeit zum schöpferischen Denken erhalten. Dazu müssen wir die Muttersprache, alle Muttersprachen, die noch zu retten sind, davor schützen, dass sie für ein Linsengericht verhökert werden. Jede Muttersprache besitzt Vorzüge, wir müssen sie nutzen, dann schätzen wir sie, dann fällt uns ihre Pflege und weitere Entwicklung nicht schwer. Gemeinsinn gedeiht, wo wir das Anderssein würdigen, nicht verdrängen. Werden alle Sprachen gewürdigt, haben alle viel zu bieten.


Leicht redigierte Fassung des Beitrags in der Festschrift zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins Deutsche Sprache e.V.

Leicht redigierte Fassung des Beitrags in der Festschrift zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins Deutsche Sprache e.V.