Zum guten Stil gehört mehr als das gewählte Wort. Um den Sprecher zu entlarven, genügt ein zweiter Blick auf seine Tätigkeitswörter: Sagt er, was er tun werde oder sieht man seinen Floskeln an, was geschieht, nämlich nichts?
„Wir sind uns unserer Verantwortlichkeit bewusst.“ Was Frau Merkel damit sagen möchte oder eher nicht, bleibt im trüben, wo es hingehört. Insofern stimmt der Ton. Form und Inhalt bilden ein vollkommenes Designprodukt nach dem Postulat fff (form follows function) von Louis Henry Sullivan: Die Form folgt aus der Funktion. Ich will nicht beim Wort genommen werden, also werfe ich Nebelkerzen.
Klarheit anstelle des Nebels entstünde, hätte Frau Merkel von Verantwortung gesprochen. Es gibt sie, mancher hat sie schon mal erlebt. Das könnte dann so lauten: „Ich bin mir der Verantwortung bewusst“. Man sieht förmlich, wie sich das Rückgrat strafft, da stellt sich einer den Dingen, wie sie sind. Politiker, wenn auf dem falschen Fuß erwischt, sagen so etwas, zum Beispiel bei Jahrhundertfluten.
Aber es geschieht nicht viel. Ein Bekenntnis höherer Ordnung müsste mehr wagen: „Ich trage die Verantwortung“ riecht nach Taten, die folgen werden. Darauf vertraut der Hörer, jedenfalls ein bisschen, denn man kennt das, erst die großen Worte und dann wars das. Aber so richtig hellhörig wird der Mensch –“ hier kommt die Stelle zum Mitschreiben –“ bei den Worten: „Wir verantworten das.“ Da liest man ein Ausrufezeichen, man schätzt den Mut dessen, der verantwortet, was er nicht verschuldet hat (die Flut an der Elbe) – der wird wiedergewählt.
Es ist das Verb, das Tätigkeits- oder auch Tuwort, in dem die Kraft steckt, der Wille zur Tat, der mehr ist als blasses Möchten. Dumm wäre dann nur, wenn immer noch nichts passierte. Aus diesem Dilemma rührt der farblose Reiz des Merkelschen „Wir sind uns unserer Verantwortlichkeit bewusst“, da kann halt nichts schiefgehen, gelogen hat man nicht…
Ist das im Marketing anders, etwa besser? Keine Bohne. Wenn ich nichts zu sagen habe, nenne ich meine Pampe Anti Aging Creme, in der Hoffnung, es werde schon keiner nachfragen, wie eine Krem das Altern verhindern werde. Aber das wäre Beckmesserei, so wars nicht gemeint, es geht um ein Fihling, oder ein Pihling, weiß der Geier.
Hauptsache, man sagts auf Englisch, dann ist es zeitgemäß, nämlich kühl, leblos. In diese Kategorie fallen neunzig von hundert Anglizismen (Ausnahme: das Händi, sehr hübsch) sowie das Amtsdeutsch und alle Blähjargons, deren Anfertigung übrigens auch ohne Englisch gelingt. Das rächt sich, etwa im hausinternen Dialog mit Kollegen und Mitarbeitern, siehe Telekom (Stichworte downsizing, outsourcing und folgerichtig: der Streik).
Das genaue Gegenteil gilt für Dinge, die man erklären muss. Sie konkurrieren im Markt mit Angeboten, die so aussehen, als leisteten sie dasselbe. Hier muss der Anbieter den Unterschied glaubhaft rüberbringen. Gefühle in der Gürtelregion gehören dazu, genügen aber nicht. Es ist die Sprache, die den Kunden auf Augenhöhe mit dem Anbieter hievt. Er soll den Verkäufer beim Wort nehmen können. Das ist zum einen eine Stilfrage, zum Beispiel der Wortwahl – siehe oben: Verben –“ und zum anderen eine Sache des Willens, man muss den Stil durchhalten wollen. Die Sprachtechnik kann man erwerben, oder Fachleute dafür mieten.
Laut Duden, der aber auch jeden Unfug aufnimmt, wenn er nur oft genug wiederholt wird, bedeutet Verantwortlichkeit das Verantwortlichsein. Aber nein doch.