Manche Bezeichnung ist eine glatte Beleidigung. „Putzfrau“ unterstellt, für diese Arbeit kämen nur Frauen infrage, ein „Putzmann“ sei als Wohnungsputzer undenkbar. Um solche Fossilien wird es wenig Streit geben, wenn wir unseren Wortschatz aufräumen. Alle ähnlich besetzten Wörter sind ersetzbar durch geschlechtsneutrale.
Damit müsste das Thema Gendering vom Tisch sein, wir könnten uns echten Problemen widmen. Irrtum, es gibt einen deutschen Sonderweg, den die Leute in vielen anderen Sprachen kaum nachvollziehen können. Davon lassen wir uns nicht beirren, als Steuern Zahlende gönnen wir uns Hunderte von Lehrstühlen, Tausende Gleichstellungsbeauftragte und Aufpasser, die den Steuerzahler abschaffen. Als gäbe es zwischen Gutmenschen und ihren Gegnern keinen heimischen Zoff mit höherem Kaloriengehalt. Etwa die Unterdrückung der Frau in islamischen Milieus – hierzulande!
Nein, lieber plagen wir uns mit dem Propplem, ob von Pegidisten die Pegidistinnen zu unterscheiden wären, da sind wir pingelig, wie bei Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten, auch bei Mörderinnen und Mördern achten wir auf Ausgewogenheit. Bei Vergewaltigerinnen gibt es zwar Ärger, manche behaupten, die könne es gar nicht geben, aber diese Erkenntnislücke schließt schon der SPIEGEL[1]. Übrigens stimmt, dass mehr Männer morden als Frauen. Also los, ihr Weiber! Greift zum Messer, die gespaltene Zunge hat ausgedient.
Wo waren wir? Bei der Putzfrau, die gibt es nicht mehr. Dafür haben wir jetzt zu Fuß Gehende und Mofa Fahrende. So steht es in der Straßenverkehrsordnung. Das muss man sich ausmalen: Da ziehen Hunderte von erwachsenen Abgeordneten die Gesetzgebung durch den Kakao. Als ob das ihre Aufgabe wäre. Dafür sind doch die Satire Produzierenden zuständig!
Zwar wurde längst geklärt, dass das grammatische Genus und der biologische Sexus in der Sprache zweierlei sind: Dass der Kopfsalat so wenig Männliches hat wie die Salatgurke weiblich sein kann, na ja, und Mädchen sind eines jedenfalls nicht: sächlich. Das haben uns die Linguisten eingebrockt. Hätten sie mal von roten, blauen und gelben Hauptwörtern gesprochen, müssten wir jetzt nicht die Frauen sprachlich in die Vordergründin rücken. Damit sie endlich emanzipiert werden. Was uns auch ohne Sprachverhunzung am Herzen liegt, denn was gibt es Schöneres als emanzipierte Menschen, die tun, was sie am besten können und sich dabei durchaus ihrer biologischen Vorteile bedienen und ihrer Nachteile bewusst sind (während der Schwangerschaft lässt man den Stabhochsprung einfach mal sein).
Man könnte entgegenhalten: Es ist doch egal, was die Leute quatschen. Bei dem Schwachsinn im Internet hört sich jeder sowieso nur selbst zu. Aber Sprache stiftet doch Identität! Mag sein, aber die brauchen wir nicht, im Fußball sind wir eh die Besten, siehe die vielen Flaggen auf den Autos. Außerdem sind wir Europäer, ein Blick in die Brieftasche offenbart es: Euroscheine. Und überhaupt: Was heißt Identität? In Mitteleuropa sind wir rassenvermischt seit bei uns Ackerbau und Viehzucht einzogen, seit zehntausend Jahren. Na gut, was bleibt? Die Ästhetik der Sprache, aber muss man sie ernstnehmen? Glaubt man der Wissenschaft, ist das Thema passé: Sprachgefühl ist Geschmackssache, reine Privatangelegenheit, wie das Sammeln von Gummibärchen.
So sprachlässig könnte man die Dinge sehen, gäbe es nicht den einen Umstand, der sämtliche Argumente über den Haufen wirft. Sprache und Denken sind untrennbar verknüpft. Das ist keine Glaubenssache, da kann sich Noam Chomsky auf den Kopf stellen. Liederliche Sprache gebiert wirre Wallungen im Hirn, die man mit Gedanken verwechseln könnte, aber nicht sollte. Ein Denken, das ohne Sprache auskäme, ist einer Handvoll Genies vorbehalten. Wir übrigen, die Dinge zu erfinden, Abläufe zu koordinieren, komplizierte Entscheidungen zu fällen haben, wir brauchen einen klaren Kopf mit dem angemessenen Sprachgebrauch, sonst kommt kein Denken zustande, nur Wiederkäuen von anderer Leut‘ Gedankenfetzen. Was wir daher überhaupt nicht brauchen, sind Ideologen die uns im Gebrauch der Sprache Gesinnungsfallen stellen.
Das Dumme ist: In den Ämtern wird so gesprochen, von dort sickert die Unsitte in den Alltag. Da wappnen sich Vereine, die auf öffentliche Förderung hoffen, mit der passenden Ausdrucksweise, der Antrag soll ja nirgends verschütt gehen. So breitet sich die Seuche aus, mittlerweile auch vom Schulamt über die Lehrerzimmer und Elternabende, bis in jeder Verlautbarung die „Lieben Kolle‘n und Kolleg’n!“ beschworen werden, man kann es schon nicht mehr hören, man hört nicht mehr hin. Die Sprachhülse besiegt das Durchdachte, die Floskel besiegt den Inhalt.
Als die Südafrikaner One Man One Vote forderten, haben nicht einmal die Machos unter den Schwarzen gemeint, das ginge ohne die Frauen ab.
[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/guantanamo-gefangene-von-waerterinnen-zum-sex-gezwungen-a-1013936.html
Dieser Beitrag erschien auch in den Sprachnachrichten des VDS Nr. 65 (I 2015)