Sprachmanipulation macht sich auf die Dauer nicht bezahlt. Sie verführt zum Lippenbekenntnis, reizt zum Widerstand und vergeudet eine empfindliche, endliche Ressource.
Manch einem empfindsamen Mann stellt sich ein Problem, zu dessen Lösung ihm die Lust fehlt. So einer mag beispielsweise erlebt haben, wie seine alleinerziehende, geschiedene Mutter aufgefordert wurde, die Erlaubnis ihres Mannes zur Eröffnung eines eigenen Kontos vorzulegen. Dieser Junge wurde zum Feministen, da gab es diesen Begriff in seinem Wortschatz noch nicht. Seine Frau Mama hätte gebrüllt, wenn man sie in der Bank mit dem Wort Kundin statt Kunde von ihrer Kontosache abgelenkt hätte.
Da steht Mann seit Jahrzehnten für gleiche Rechte, gleiche Bezahlung, für Respekt und Taktgefühl, für sanftes Liebeswerben, und soll sich gefallen lassen, dass Feinheit und Tiefe seiner Sprache, dass ihre Les- und Hörbarkeit verloren gehen. Da kommen ein paar hundert Klageweiber wider besseres Wissen mit einer nachweislich falschen Behauptung durch: Das biologische Geschlecht gehöre – als Konstrukt der Herrschaft über die Frau – ein für allemal abgeschafft, und das grammatische gleich mit. Welcher Unfug dabei der größere ist, sei dahingestellt. Immerhin lässt sich die biologische Sache mitunter klären, wenn es zum Sex kommt oder zur Schwangerschaft. Oder wenn Medikamente angemessen zu dosieren sind (für Frauen in aller Regel schwächer als für Männer – fragen Sie ruhig Ihren Arzt!). Auf der Strecke bleibt aber die Sprache, sie kann sich nicht wehren, sie wird von jenen verraten, die behutsam damit umgehen sollten.
Das ist ein bisschen wie mit den Insekten, zumal den Bienen. „Ich mag keinen Honig“ fällt als Rechtfertigung durch, dass einem das Wohlergehen der Bienen egal ist. Wenn sie erst einmal dahingesiecht sind, brauchen wir hunderttausende Arbeitswillige, damit sie Milliarden Pflanzen per Hand bestäuben – sonst geht uns die Natur ein, die Ernährung, das Leben. Wer die Sprache zur Manipulation des Denkens und Handelns seiner Mitmenschen einsetzt, begeht gleich zwei Fehler: Irgendwann schlagen die Sprachgesteuerten zurück, nur ist uns bis dahin die Sprache abhanden gekommen.
Aber wäre es nicht, im Sinne der Frauen, das Opfer wert? Damit endlich geschieht, was schon so lange fällig ist? Nein. Erstens verkommt das Gendern zum Stammeln. „Liebe Genossen und Genossinnen!“ hört sich an wie „Liebe Gnossn und Nossn!“ Was bleibt, ist der wachsende Überdruss an der ewig weinerlichen Wiederholung von Floskeln. Zweitens werden wir denen, die sich als divers zu bezeichnen haben, mit Orwellschem Neusprech schon gar nicht gerecht. Das wissen Linguisten schon länger, bald begreifen es auch die Politiker, die sich über ihre Wähler als Wählende lustig machen. Sprache, mit Freude gepflegt, bleibt ein Kulturgut, eine unersetzbare Ressource des Geistes. Aber mit normierender Verbissenheit reguliert, taugt Sprache nur zum Verkehr der Roboter untereinander. Wem wohl käme das zupass?
Dieser Beitrag wurde im Frühjahr 2019 in den Sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache (1/2019) veröffentlicht, und hier im Blog der baerentatze umständehalber erst heute.