Kurz, knapp und klar übersetzbar ins Englische (© Fotolia)
Die Chinesen lesen und verstehen Englisch, außerdem sprechen sie es, ihre Regierung jedenfalls verlautbart auf Englisch. Oder auf Chinesisch. Oder nichts Genaues weiß man nicht? Fragen wir Einen, der dort war.

Da trägt im Chinesischen Pavillon zu Dresden ein Experte aus seiner dreijährigen China-Erfahrung vor, farbig, aufschlussreich, man merkt, er ist neugierig auf das Fremde, das Andere und er berichtet mit Rücksicht und Einsicht. Der Referent spricht Deutsch, gutes Deutsch, ein paar Gutmenschen-Anglizismen kann man ihm nachsehen.

Nicht zu übersehen sind die per Powerpoint an die Wand geworfenen Zitate aus chinesischen Quellen, darunter die Regierung; The war on Pollution liefert den Titel des Vortrags. Zu überhören sind auch nicht seine Hinweise auf die chinesischen Friends of Nature. Im Publikum wächst die Überzeugung: „China kann Englisch!“ Nun ist ja einzusehen, dass kein Europäer viel verstünde, wenn ihm diese Texte auf Chinesisch pauergepeuntet würden. Vermutlich ist deswegen alles übersetzt, ins Englische.

Der Sprecher ist übrigens in der DDR aufgewachsen, Englisch war ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein Vortrag ereignet sich in Sachsen, keine Hochburg der Englischkenner. Immerhin, die Dresdner wissen, was sie wissen und was nicht. Einen Sprachkundigen hätte jedenfalls gestört, dass der Referent im englischen Titel (Krieg gegen die Verpestung) das wichtigste Wort klein geschrieben hat. Dabei soll es ausdrücklich den Kontrast betonen zu früheren Aufrufen der Regierung. Diese galten der Harmonie, dem Traum, und nun dem Krieg: The War on Pollution, denn in englischen Titeln, liebe Englischbesserwisser, wird außer den Partikeln jedes Wort groß geschrieben. Besonders das wichtigste Wort in der ganzen Überschrift!

Eine lässliche Sünde, ein Tippfehler? Sicherlich, müsste man nicht dauernd mitanhören, wie da jemand falsch singt. Die Chinesen sprechen nicht Englisch, auch Deutsch nur ausnahmsweise, sie bedienen sich ihrer Muttersprachen – ja, da staunt der Laie. Man muss ihre Rede für unsereins übersetzen, aber warum das auf dem Umweg über Englisch besser gelingen sollte als direkt ins Deutsche, erschließt sich dem Publikum nicht.

So hat der Vortrag im Chinesischen Pavillon einen weiteren Beleg geliefert, dass unsere Sprache auf dem Rückzug in die Bedeutungslosigkeit der Ziellinie immer näher kommt. Da sagt man es lieber falsch über die englische Sprache als um Präzision bemüht in der eigenen. Na und? In einer der klügeren Wortmeldungen nach dem Vortrag fiel das Wort level, gemeint war Niveau, kurz darauf kamen „lebbel“ zur Sprache, gemeint waren labels = Etiketten, akustisch von level nicht zu unterscheiden. Nun denn, wenn wir unsere Muttersprache als entbehrlich abwerfen und ersatzhalber das Englische nur auf dem zweithöchstem Lebbel gebacken bekommen, haben wir unseren Lewwel der geistigen Bedeutungslosigkeit bereits verdient.

Wir können das Thema Muttersprache bald begraben. Die Linken und die Grünen halten die deutsche Sprache für ein bürgerliches Thema mit rechtslastiger Schieflage (ihren Marx kennen sie nicht, Brecht bedeutet nichts und von Tucholsky haben sie keine Zeile gelesen), die Christ- und die Sozialdemokraten verpennen die Sprachfrage (war da was, da war doch was, so mit Rechtschreibung, oder wie?), allen gemeinsam ist das politische Flachsprech, das mit der deutschen Sprache allenfalls die Benutzeroberfläche teilt.

Ihr werdet euch noch wundern, was Ihr mit der Muttersprache entsorgt habt. Sicher, manches im Leben ist ersetzbar, aber nicht alles. Statt Kaffee geht Tee, statt Kupfer genügt für Kabel Aluminium, statt Weizen schmeckt auch der Reis. Energie ist durch nichts ersetzbar, Sprache auch nicht. Da gibt es nur die Wahl zwischen Sprache, in der man Gedanken fasst und Taten vollbringt oder einem Wischiwaschi, das zum Leiken und Teilen genügt.


Dieser Beitrag erschien auch in den Sprachnachrichten des VDS Nr. 63 (III 2014)