Nach Berlin wandern sie aus dem sonnigen Südbaden ein, sogar aus Florenz migrieren sie hierher, und von Touristen wimmelt es. Kommen die Leute wegen der flotten Skilifte, der salzfrischen Meeresluft, der berühmten Berliner Weinberge? Nein, der Charme dieses Ortes liegt in seiner Kultur. Zu ihr zählt – das wollen wir festhalten, der Berliner, wenn er in Kneipen, Parks und S-Bahn auf Öffentlichkeit macht (irgendeiner muss es ja tun).
Mit der Kultur ist es aber so: Es gibt sie auch anderswo. Das Berliner Gemenge ist zur Zeit einmalig, da kann man sich die Erfindung künstlicher Merkmale der Alleinstellung schenken. Was also kann schiefgehen? Man stellt Berlin so dar, dass es sich von anderen Städten nicht unterscheidet. Man muss es nur auf Englisch vermarkten. Diesem Be-Berlin-Trend folgen bereits ganze Stadtteil-Biotope. Da zählt der souveräne Gebrauch von Bad Simple English zum guten Ton; denglische und hochenglische Einsprengsel kommen darin vor. Kennern kommt das ganze kurzatmig vor.
Freilich ist der baerentatze bekannt, dass Englisch (oder was sich so anhört) als Weltsprache gilt. Nur: Nicht jeder Verkäufer und Kellner spricht sie. Das ist peinlich, dem Geschäft schadet es nur wenig. Falsch (und verständlich) bleibt aber die Annahme, dass Touristen sich am liebsten auf Englisch ansprechen ließen. Falsch, weil sie erstens die Weltsprache mit weniger Begeisterung anhimmeln und zweitens, weil sie diese auch nicht besser beherrschen als wir.
Die Reisenden aus Schanghai würden am liebsten in ihren Schriftzeichen informiert, die Pariser auf Französisch und die New Yorker – wenn schon, denn schon – in korrektem Englisch. Schwachenglisch für den Umgang mit Touristen kommt daher als Zusatzangebot infrage, keinesfalls als Ersatz für Muttersprachen. Das hat die Bahn schon vor hundert Jahren verstanden, als sie mehrspachig formulierte, was man alles zu unterlassen habe: sich aus dem Fenster lehnen, die Toiletten verstopfen und so weiter.
Die Berliner, die dem internationalen Ambiente immerhin als Statisten dienen, sind eher deutschsprachig veranlagt und sie haben einen kessen Dialekt, ohne den Berlin nicht wäre, was es ist: ein Frechdachs mit Sommersprossen. Es ist doch so: Die Reisenden rechnen schon vor der Ankunft damit, dass – neben dem Außenminister – an die achtzig Millionen Menschen hierzulande Deutsch sprechen. Touristen sind keine Analphabeten, gegebenenfalls werden sie straff geführt von einem sprachkundigen Reiseleiter.
Selbstverständlich spricht vieles für multikulti verfasste Speisekarten und U-Bahnfahrpläne. Aber wie kommen sich Touristen (und Einheimische) vor, wenn sie fortwährend auf Englisch angebaggert werden? Ein paar wahre Beispiele finden Sie in dem Beitrag der Sprachnachrichten: In der Hauptstadt geht die deutsche Sprache langsam unter. Der Autor wirft dort eine weitere Frage auf, die wir hier nur zitieren:
„Vor einiger Zeit nahm die Berliner Öffentlichkeit Anstoß daran, dass in Kreuzberg und Wedding Plakate aufgehängt wurden, die ausschließlich auf Türkisch verfasst waren. Der Bildung von Parallelgesellschaften würde damit Vorschub geleistet, die Integration in die deutsche Gesellschaft behindert, wurde damals von vielen Seiten scharf kritisiert.“
Ein Fall von gespaltener Wahrnehmung, denn englischsprachige Plakate stören offenbar keinen. Manchen mag es ja verblüffen, aber so exotisch wie uns das Italienisch aus der Basilicata, so reizvoll kommt Schanghaiern unser Deutsch vor. Erwartet denn allen Ernstes irgendwer, dass er in der Fremde fehlerlos verstanden werde? Falls doch: Den wird auch mit makellosem Englisch keiner zufrieden stellen.
Reizvoll bleibt Berlin, wenn es sich fortwährend neu erfindet und sich weiterhin von anderen Städten abhebt, die mit Weinbergen oder Meeresluft angeben. Hört sich aber das Shopping in Berlin erst an wie in Bielefeld, dann können die Touristen auch in Paderborn übernachten. Englisch können die Bielefelder auch (und möchten sich von den Krefeldern unterscheiden). Reizvoll bleibt Berlin, wenn echte Submilieus seiner Bürger die Stadt in der Sprache beleben, die sie von der Mutter gelernt haben. Das gilt – klugerweise, nicht nur gerechterweise – auch für die Türken, Kurden und Zaza in Berlin. Aber die sind nicht so dumm, ihre Sprachen aufs Spiel zu setzen. Das bringt nur unsereins fertig.
Zum guten Schluss drängt sich eine weitere Frage auf: Wie kommt eine linke Stadtregierung mit einem schwulen Oberbürgermeister dazu, so vielen Minderheiten Englisch geradezu in den Rachen zu stopfen: Einwanderer, Analphabeten, Senioren und so weiter? Zumal sich diese, was Englisch angeht, sogar mit der Mehrheit einig sind: Wir möchten erst einmal auf Deutsch verstehen, was auf Deutsch gesagt wird.