baerentatze

wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Steht’s im Duden?

Samstag 8 Dezember 2007

Manche Texter berichten, dass ihr Kunde einer wohlüberlegten, neuen Wortschöpfung misstraut: „Steht’s im Duden?“ Nur dann sei es rechtens, sonst müsse das Wort durch ein bekanntes ersetzt werden, und sei es noch so abgelutscht.

Die Frage geht am Wesen der Sprache vorbei, und sie widerspricht der Absicht der Dudenredaktion. Wozu der Duden da ist, beschreibt Karin Rautmann von der Redaktion hier: Wie kommt ein Wort in den Duden?.

Demzufolge kommt über kurz oder lang in den Duden, was das Sprachvolk so häufig verwendet, dass man es nicht mehr übersehen kann. Nicht der Duden entscheidet, sondern wir alle zusammen. Das ist mit Demokratie aber nicht zu verwechseln, denn dazu müsste eine von zwei Bedingungen zutreffen:

Entweder es gäbe ein (demokratisch entstandenes) Gesetz, das lautet: Was Deutsch ist, bestimmt der Duden. Oder es müsste für jedes Wort ein Volksentscheid herbeigeführt werden. Beides ist nicht der Fall. Der Duden ist auch nicht die Bibel der deutschen Sprache. Er profitiert davon, dass die Leute glauben, er sei der Wahrer der Sprache. Nach dem Selbstverständnis der Redaktion ist er das aber schon gar nicht: Der Duden beobachtet, was sich in der deutschen Sprache tut und zeichnet es auf. Was davon bewahrenswert ist, beurteilt er ausdrücklich nicht.

Ob einem das passt, ist eine andere Frage. Ob ein Wort im Duden steht, kann jedenfalls nicht zu der Antwort führen: „Wenn’s im Duden steht, gibt es das Wort.“ Also, liebe Kunden: Öffnen wir unsere Fenster für Wörter, die den Leser überraschen und ansprechen (und die Redaktionen des Wahrig und des Duden verblüffen).


  1.  
    27. Februar 2008 | 06:14
     

    Die Häufigkeit ist sicher das pflegeleichteste Kriterium. Dazu braucht man keinen Menschen, der Rechner bringt die Auswahl allein zustande. Eben so viel Sinn würde es stiften, die Bücher im Regal nach der Farbe aufzustellen.

  2.  
    26. Februar 2008 | 21:01
     

    Häufigkeit kann kein Kriterium für ein Rechtschreibwörterbuch sein. Gerade seltene Wörter werfen oft die Frage nach ihrer Schreibweise auf. In den Duden (möglichst in eine vorreformierte Auflage) schaut man, wenn man wissen möchte, wie etwas geschrieben wird. Wenn ich ein Wort überall lesen kann, dann weiß ich eher, wie man es schreibt.

  3.  
    12. Februar 2008 | 10:12
     

    […] Dabei stieß ich passend zur Frage von gestern – “If it’s in the dictionary, does that make it a real word?” – auf seinen Eintrag Steht’s im Duden?. […]

  4.  
    17. Dezember 2007 | 14:12
     

    … Anders der Duden. Er erfindet keine neue Anglizismen, um sie der Sprachgemeinschaft aufzudrängen. Er geht deskriptiv vor und listet Neologismen (neue Wörter) auf, die bereits weitgehend in die Allgemeinsprache eingegangen sind. Dabei unterscheidet er
    nicht unter deutschen und Fremdwörtern; was für den Duden zählt, ist eine hohe Gebrauchsfrequenz. Weniger verbreitete fremdländische Fachwörter landen im Fremdwörter-Duden.

    Über diese deskriptive Praxis kann man sich zu Recht erregen, man kann aber auch den Spieß umdrehen und den Duden zum Kronzeugen der zunehmenden Verenglischung des Deutschen heranziehen.

    Wie oft mussten sich Anglizismenmuffel anhören, dieser und jener unnötige Anglizismus sei nur eine Eintagsfliege, die von selbst wieder verschwinde. „So redet und schreibt doch keiner“, Anglizismenkritik sei bloßer Alarmismus, „die Sprache lebt!“

    Meine Entgegnung: Doch, so schreibt und redet man, sonst stände die „Eintagsfliege“ nicht im Duden! Mir ist leider keine Untersuchung bekannt, die den Anteil der Fremdwörter der jeweiligen Dudenausgaben von den Anfängen bis heute akribisch auflistet. Ich weiß nur, dass die Anzahl der Anglizismen noch im Duden von 1961 verschwindet gering war und seither – insbesondere etwa ab Mitte der 1980er Jahre – schwindelerregend zugenommen hat.

    Nehmen wir den Duden beim (Fremd)Wort. Als Kronzeuge leistet er uns bessere Dienste denn als Sprachpanscher.

    Jupp Braun, im Klartextforum des VDS.

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