Das Sprachgendern wird durchgesetzt – und sein Ziel verfehlen. Dabei gäbe es eine einfache Lösung, aber frau wird sie kaum mögen. Oder doch?
Shakespeares König Richard der Dritte nennt sich „lahm und verkrüppelt“, auf der Bühne sieht man ihn hinken. Für die Anmutung genüge es jedoch, notierte Max Frisch, wenn der Mime das Bein nur dann und wann nachzieht. Tut er das bei jedem Schritt, wird sein Hinken zum Gekasper. Es lenkt ab vom mörderischen Treiben des Königs.
Die Wahrheit solle man „dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen“, empfahl Frisch. So auch beim Umgang mit der Sprache. Man muss kein Sohn einer alleinerziehenden Selbständigen in den Fünfzigern gewesen sein, um der Sache der Frauen Erfolg zu wünschen, aber bitte greifbaren Erfolg: die Gleichwertigkeit der Geschlechter im Alltag. Dagegen spielen die grammatischen Geschlechter (der/die/das) nur die Rolle, die man ihnen beimisst. Das aber geschieht meistens falsch, zu häufig und ohne Rücksicht auf die Folgen.
Gutmeinende, wenn sie in Scharen vorkommen, haben unweigerlich etwas Peinliches. Wo Ausländer zu „Einwohnenden ohne deutsche Staatsbürgerschaft“ werden, machen nur Pedanten mit. Gewonnen werden mit all den belehrenden Floskeln nur die bereits Überzeugten, und die wollen dauernd darüber reden. Wie einer, der nicht mehr raucht. Langweilig. Die anderen – die Mehrheit der Erwachsenen, auch der Grünen – lehnen das Sprachgendern ab: Sie finden es übertrieben. Mehr als Lippenbekenntnisse leistet der Volksmund nicht. Das – nur scheinbar männliche – „Gegenüber“ soll nun durch die „Gegenüberin“ ergänzt werden. Da feixt der Fan, fehlt nur noch die „Fäninn“.
Will man bei dieser wesentlichen Sache so ungerecht verspottet werden? Nützt es den Frauen, wenn Wörter wichtiger erscheinen als Wege zu gleichen Chancen, gleicher Bezahlung? Wenn sogar Genderbewegte die Silben verschleifen: „Wie sollen das die Kollehn und Kollehn einsehen?“ Wenn die „Ärzte und Ärztinnen“ sowie die „Patientinnen und Patienten“ in einem Atemzug gleich dreimal beschworen werden, generiert das Groll, aber keine Bereitschaft, vielleicht doch noch bekehrt zu werden.
Wer plappert wie ein Sprechautomat, verliert seine Zuhörer. Die Leute lassen sich das Maul nicht verbieten, und wenn doch, verlegen sie ihren Widerstand in den Untergrund. Dabei täte es allen gut, nicht nur bei der Geschlechtergerechtigkeit, wenn wir sensibel, wenn wir taktvoll mit der Sprache umgingen. Zum „Zuhören statt Schreien“ ermuntert Svenja Flaßpöhler. Sie erinnerte kürzlich in Hart aber fair daran: In der DDR waren die Dreher Frauen wie Männer, das konnte jeder sehen, mithin war das Wort „Dreherin“ überflüssig.
Sprachlich gibt es keinen stärkeren Beweis der Gleichwertigkeit als Frauen, die das generische Maskulinum ganz selbstverständlich als ihres beanspruchen und besetzen. Keine Alphamänner haben es erfunden, sondern es wurde im Volksmund herausgebildet – dann von Linguisten dummerweise als „Geschlecht“ bezeichnet. Es gehört allen, es bezeichnet alle. Unterdessen rücken Frauen endlich in Stellen und Funktionen, die ihnen verschlossen blieben. In Funktionen, nicht in Wortkonstrukte. Auch die Macho-Riegen in den Vorständen werden noch begreifen, was sie versäumen: Frauen auf sämtlichen Managementebenen. Mit ihnen läuft es besser, mal einen Blick auf Norwegen riskieren.
Derweil borgen wir die Lösung unseres Genderproblems bei den Briten: Der Chef war „Mrs Prime Minister Margaret Thatcher“; dem entspricht bei uns „Frau Bundeskanzler Angela Merkel“. Das ist so einfach, es ist genial, nicht wahr Frau Verfassungsrichter, Frau Abteilungsleiter? Sollte jedoch feststehen, dass Frauen, weil sie die besseren Menschen seien, über der Grammatik stehen, dann legen wir alten, weißen Männer („Behinderte“) die Füße hoch: Freuen wir uns, dass wir so einer Erwartungshaltung nicht entsprechen müssen.
Dieser Beitrag erschien im Herbst 2020 in den Sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache (4/2020).