baerentatze

wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Sprache mit der Mistgabel verwechseln

Donnerstag 25 Februar 2016

„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ (Loriot) (© Bild Behland)

Über Frau Merkels Fehlgriffe kann man streiten. Mit „Volksverräterin!“ ist jedoch eine Grenze überschritten. Solche Worte sind wie der erste Schlag einer Kneipenprügelei.

Angefangen haben allerdings die Politiker, sie reden offenbar in der Gewissheit, was sie sagen, habe eh nichts zu bedeuten. Angela Merkel (CDU) trägt eine Mitschuld: „Man kann sich nicht darauf verlassen, dass das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt.“ Franz Müntefering (SPD) hält es sogar für „unfair, wenn wir an den Wahlversprechen gemessen werden.“ Hoppla, woran denn sonst? In der repräsentativen Demokratie ist der Wähler nur alle paar Jahre gefragt. Ausgerechnet dann darf man ihn belügen?

„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!“ sagte eben dieser Müntefering. Was immerhin ein konsequenter Standpunkt wäre. Wer es jedoch ernst meint, müsste dann auch die Arbeitsplätze garantieren. Weil das offenbar nicht so einfach geht, kommt Münteferings Zungenschlag ziemlich zynisch rüber.

Perfekten Vertrauensverlust in die Politik besorgte einst Sozialminister Norbert Blüm (CDU): „Eins ist sicher: die Rente.“ Dabei war ihm bekannt, dass die Altersbezüge an das Gehalt gebunden sind. Nanu? Eins und Eins macht Drei? Schwer zu übertreffen war auch Walter Ulbrichts Klassiker: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“ Da hat er seine Glaubwürdigkeit glatt aufs Spiel gesetzt.

Dass Helmut Kohl (CDU) versprach, die neuen Bundesländer „in blühende Landschaften zu verwandeln“, kann man noch verstehen. Er ahnte nicht, was er redet. Bemerkenswert die Haltung seiner Experten, die es besser wussten – und so ganz demokratisch die Klappe hielten. Apropos Haltung: Borniertheit ist mit Dummheit gepaarte Arroganz. Hart an der Grenze bewegte sich der Forschungsminister Hans Matthöfer (SPD), als er 1976 versicherte: „Atommüllbeseitigung ist technisch gelöst.“ Na, Gott sei Dank!

Beenden wir die Sammlung mit einem Klops aus höchstem Munde: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Das geht hier nicht als Rechtschreibfehler durch, Herr Wulf. Sicher gehören die Muslime, die wir riefen, zu Deutschland, auch die Flüchtlinge, die wir aufnehmen, gehören zu Deutschland. Bevor jedoch der Islam zu Deutschland gehört, werden ein paar Jahrhunderte vergehen und dann wird er so bedeutungslos sein, wie sich die christlichen Kirchen bis dahin ihrerseits demontiert haben.

Das Recht die Sprache zu missbrauchen, beansprucht offenbar nur, wer glaubt, dass die Geräusche nichts ausmachen, die aus seinem Gesicht quellen. Dann hätte er besser geschwiegen. Wer erwartet, dass er die Sprache wie eine Mistgabel schwingen darf, soll sich nicht über Pegida wundern, über den Hass im Internet, den von jedem Denken befreiten Umgang mit der Sprache, den er selber gesellschaftsfähig gemacht hat.

Merke: Umsonst gibt es nichts, jeder Folge geht Ursache voraus. In der Demokratie hat der Wähler den Anspruch, ernst genommen zu werden. Andernfalls, warnte Kurt Tucholsky, „unterschätze nie die Macht dummer Leute, die einer Meinung sind!“ – übrigens ein Linker, der die deutsche Sprache trotzdem zu schätzen wusste, wie auch Bertolt Brecht. Tja, dann müsst ihr mal nachschlagen, wer diese Leute waren!


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