Spottolski, zuständig für die Erkundung des Volksmundes und anderer Lästigkeiten, bekam von der Redaktion den Auftrag zu einer Meinungsunfrage.
„Wieder eine Kompjuta-Erhebung? Endlich!“ Nein, keine Kästchen zum Ankreuzen; er solle die Leute frei sprechen lassen: Was ihnen an der Sprache nicht gefällt, was besser sein könnte.
„Frei sprechen sollen die?“ – „So ist es, sie sollen sagen, was man wohl noch sagen dürfe.“ – „Das wird bös enden.“ – „Spotto, deine Masche zieht hier nicht: Anhauen, draufhauen, abhauen.“ – „Ist aber total angesagt.“
Kurzum, er ließ sich überzeugen. Wen er befragen solle: „Die Kunden der Friseuse?“ – „Die maßgeblichen Leute, hier von der Bäckerei bis hinauf zur katholischen Kapelle.“ – „Alles klar, die Influenzas, aber keine mit einem gelben Hund.“ Das mochte er jedoch nicht weiter ausführen.
Die Gesprächsverläufe hat Spottolski eigenhändig mit einem Schlaufon aufgezeichnet und an drahtloser Leine direkt in die Redaktion übertragen. Damit hat er bei der Mieze der Friseuse gepunktet. Das fällt unter Nebennutzen, aber sie kam nicht mit zu den Interviews, die er wie folgt eröffnete:
„Sie sind ein Influenza. Was missfällt Ihnen an der Sprache, was soll sich ändern?“
MK ♂
„Gegenfrage: Ist Influencer weiblich oder männlich? Klär das mal! … Ein linker Kater, das fehlte mir noch.“ (Geräusch eines zugeknallten Fensters)
LW ♀
„Gut, dass Sie das sagen. Wir sind gar keine Sachsen. Wir sind eigentlich vom Stamm der Thüringer, vermischt mit Slawen. Und Fremden.“ – „Was?“ – „Ausm Westen. Die reden komisch.“ – „Soll das verboten werden?“ – „Man möchte ja unter sich bleiben, oder?“
BWS ♂
„Wie war nochmal die Frage? Was mir an der Sprache nicht passt? Dazu hab ich meine eigene Meinung.“
KE ♂
„Das kann ich dir sagen. Ich und die Kollegen fordern: Dummes Geschwätz muss verboten werden. Da muss die Regierung leuchtend voranschreiten. Noch was: Die Petry muss weg!“ – „Die ist schon weg.“ – „Echt? Ist nicht wahr.“ – „Ist es.“ – „Richtig weg? Na gut, dann diese Andere, wie heißt sie nochmal.“ – Spottolski verspricht, den Namen ausfindig zu machen. KE ist es zufrieden.
SP ♂
„Ich sage nur: Jeder, dem nichts einfällt, bekommt seine eigene Verschwörungstheorie, darf er selber formulieren.“ – „Das tun die Leute bereits.“ – „Sollen sich mehr Mühe geben. Sag das der Regierung.“ – „Mach ich“, verspricht Spottolski, „gleich nachher.“
An dieser Stelle fragte Spottolski, ob er weitermachen solle. Wir ließen das nicht zu: „Du machst dich gut. Durchhalten, wir schaffen das.“
PL ♀
„Wir wollen mehr männliche Wörter: Wie ‚der Frieden‘, ‚der Anstand‘, ‚der Seehofer‘. Die Männer brauchen Selbstwertgefühl. Wär doch besser, wenn es ‚der Gefühl‘ heißt, ‚der Sex‘ und so.“ – „Sex ist bereits männlich: der Sex.“ – „Stimmt. Na, dann geht‘s ja noch. Haben Sie Hunger“ – „Ich krieg gleich Krabben. Zusatzfrage: Sie wollen aber nicht ‚der Hebamm‘, ‚der Bardame‘?“ – „Will mich da einer auf den Arm nehmen, was!“ (an dieser Stelle der Aufzeichnung ein Knirsch- beziehungsweise Knutschgeräusch;, haben wir knallhart zensiert)
GFS ♀
„Ich bin für die Umwolkung.“ – „Was meinen sie damit?“ – „Ich sag ja nichts. Ich meine bloß.“ – „Was hat das mit der Sprache zu tun?“ – „Gute Frage. Aber was anderes: Seit wann stromern Sie hier oben herum, Sie stehen doch auf die Friseuse?“ – „Dazu habe ich meine eigenen Fakten.“ – „Kann man gar nicht genug von haben.“
Darauf erneut Spottolskis an uns: Ihm stehe die Sache bis hierhin. Worauf ihm die Volontärin (das ist die mit dem kurzen Rock, mehr darüber ein andermal) Mut zusäuselt: „Spotto, Du schaffst es.“ Was Frauen halt so sagen. Und er schafft es. Schon das nächste Gespräch belebt ihn.
DD ♂
„Ich bin für die Sprache. Schreib das mal auf!“ – „Auch für Sonne im Sommer?“ – „Genau! das trifft den Nagel ins Gesicht. Und was tut die Regierung? Nichts! Gelbe Karte.“
HH ♀
„Na klar hab ich eine Meinung. Jeder soll so viel Blödsinn reden, wie er kann, Hauptsache ist am Mikrofon. Und faktenfern. Das wird man wohl noch sagen dürfen!“
KK ♀
„Gut, dass wir darauf zu sprechen kommen. Hören Sie überhaupt zu?“ Vermutlich nickt Spottolski an dieser Stelle, denn die Frau fährt fort: „Anglizismen gehören verboten, wie damals beim Führer.“ – „Da gabs keine.“ – „Sag ich doch.“ (Darauf eine sexistische Bemerkung des Katers, die wir, nach Abwägung ob sie gut klingt, gestrichen haben)
PTK ♂
„Kater, was willst du wissen, du willst die Wahrheit? Die stimmt nicht. Alles gelogen.“ – „Geht es etwas genauer? Was ist gelogen?“ – „Alles. Das weiß ich aus dem Internet.“ – „Zusatzfrage, darf ich?“ – „Nur zu!“ – „Woran erkennt man, dass wahr ist, was im Internet steht?“ – „Ich weiß, was ich weiß. Sagte schon Sokrates.“ – „Socrates, der Fußballer? Das hat der gesagt?“ – „Der Grieche.“ – „Wer behauptet denn sowas?“ – „Alle.“ – „Dann stimmt es?“ – „Dann stimmt es.“– „Er hat genau das Gegenteil gesagt: Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ – „Das ist Fäik Njuhs! Kater, du musst nicht alles glauben.“
An dieser Stelle, auf dem halben Weg zur Kapelle, kehrte Spottolski um. Wir mussten ihn mit Thunfisch laben (in Öl ohne Gemüse!) sowie Nordseekrabben und Lakritze.
Er lässt ausrichten, jetzt gehe es wieder. Bloß, dass ihn die Frauen siezen, sei neu. Wir vermuten, sie sind einfach sensibler, was die tierische Korrektheit angeht, als die Männer. Wir haben ihm versprochen, er darf demnächst dschendern: „Es ist ja angesagt.“