Das Vereinigte Königreich verlässt die Europäische Union. Darüber wollen wir hier nicht streiten. Übrig bleibt jedenfalls eine EU mit Sprachfehler.

Auf dem Kontinent die letzte Zuflucht der englischen Sprache (Bild Behland)
In keinem ihrer Mitgliedsländer gilt die englische als erste Amtssprache, nicht einmal in Irland mit 4,7 Millionen und in Malta mit 400.000 Einwohnern. Dagegen gilt Tschechisch als Amtssprache für 10,5 Millionen Bürger im Herzen Europas; Tschechisch hätte demnach einen doppelt so hohen Anspruch, neben Französisch und Deutsch zur dritten Arbeitssprache der Union aufzurücken. Dazu wird es nicht kommen, Englisch wird den Brüsseler Institutionen erhalten bleiben.

Dafür sprechen mehrere Gründe, nur kein vernünftiger, während zwei Überlegungen dagegen stehen. Erstens ist das Brüsseler Euroenglisch so etwas wie ein Soziolekt, es wird verstanden von Menschen eines bestimmten Milieus – mit einem gemeinsamen technokratisch-politischen Stallgeruch – sowie von Engländern, die sich mehr oder minder denken können, was mit dem Brüsseler Geschwurbel gemeint sein könnte. Nicht zu vergessen sind ferner die Dolmetscher und Übersetzer, die den Eurojargon verarbeiten müssen.

Zweitens gelingt den Sprechern dieses Spezialenglisch ein uralter Trick zur Manipulation von Verhandlungen: Wer schreibt, der bleibt. In welcher Sprache werden die Ideen, die Pläne, die Tischvorlagen, die Widersprüche und Entscheidungspapiere formuliert? In dem Brüsseler Euroenglisch, welches generell mit gutem Englisch verwechselt wird. Briten wissen am besten, wie sie die gängigen Sprachhülsen so verknüpfen, dass am Ende am besten durchblickt, wer schon ein überlegenes Englisch mitbringt. Das wiederum sind die gut geschulten Juristen aus dem United Kingdom, sowie je eine Handvoll aus Stockholm, Frankfurt und Amsterdam. Dieser Umstand wird weitgehend ignoriert, und zwar von allen, außer den Briten; diese wissen ihren fortwährenden Heimvorteil zu genießen. Deshalb müssen sie auch nicht scharf auf den Verbleib in der Union sein, sie regieren sowieso mit. Weil ihnen alle Welt, nicht nur Europa, auf den Leim geht.

Was heißt da auf den Leim gehen? Englisch ist doch die Weltsprache, und nicht mehr wegzudenken! Nun ja, World Standard Spoken English ist so viel oder so wenig Englisch wie Kiezdeutsch mit Deutsch zu verwechseln ist. Im Gegensatz zu diesem muss man es im Repertoire haben, keine Frage, aber als Arbeitssprache sollte für eine Union ohne die Briten doch lieber eine seriöse Sprache verwendet werden.

Wie wäre es mit Italienisch? Eine Sprache mit wundervoller Tiefe und Poesie, mit leicht erlernbarer Rechtschreibung, und sie wird geliebt von Millionen Menschen voller Sehnsucht nach gutem Essen. Nebenbei würde die Wahl ihrer Sprache die Italiener davon ablenken, im europäischen Haus zu zündeln. Aber das hat mit der Sprache wenig zu tun, also streichen wir diese Bemerkung. Malen wir uns aus, in welch sinnlicher Stimmung verhandelt würde – auf Italienisch. Wir würden die Briten umso weniger vermissen.


Dieser Beitrag wurde im Winter 2018 in den Sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache (4/2018) veröffentlicht, und hier im Blog der baerentatze umständehalber erst heute.