Für mich enthält das Deutschsein eine Reihe von Selbstverständlichkeiten. Offenbar muss ich sie trotzdem einzeln aufführen. Ich gebe zu, ich nenne sie im Zorn:
Deutschsein heißt, dass wir schon immer in der Mitte Europas lebten.
Wenige Nationen haben so viele Nachbarländer wie wir. Deshalb kann es ohne uns kein Europa geben, und ohne Europa stünden wir ziemlich bescheuert in der Mitte herum.
Deutschsein heißt, dass wir rassisch durchmischt sind, und das schon seit Jahrtausenden.
Irgendwelche Rassenreinheit ausgerechnet in der Mitte Europas zu beschwören, ist so abwegig wie die Hoffnung, dass die Sonne demnächst im Süden aufginge. Hervorgebracht haben uns Mitteleuropäer unter anderen die Germanen, Kelten, Slawen sowie römische Bürger von ziemlich bunter Herkunft aus der antiken Welt.
Deutschsein heißt, dass sich Fremde bei uns wohlfühlen, nicht nur während der Fußball-WM.
Wir sind gastfreundlich – auf unsere eigene, manchmal hölzerne Art. Da haben wir von den vielen Gastarbeitern aus dem Süden an Herzlichkeit schon etwas dazugelernt. Ach ja, vom Tourismus leben hier viele Bürger.
Deutschsein heißt, uns imponiert sonst jeder Vater, jede Mutter, die alles tun, sogar den Tod riskieren, damit ihre Familie überlebt.
In halb Afrika regieren Gangster; sie lassen ehrlichen Bürgern keine Chance. In Arabien fallen Fassbomben auf die eigenen Bürger. Im südlichen Balkan herrscht Korruption, da nagt am Hungertuch, wer nicht dazugehört. Es gibt Motive, die wir als Grund für Flucht und Asylantrag anerkennen – würden wir nicht dasselbe zu unseren Gunsten erhoffen, wenn wir auf der Flucht vor solchen Verbrechern wären?
Deutschsein heißt, dass wir über zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene integriert haben.
Mag sein, dass es den Einheimischen schwerfiel, aber wir haben nach dem Krieg den Menschen aus dem Osten zu einer neuen Heimat verholfen – was uns auf lange Sicht übrigens sehr genützt hat. Das „Wirtschaftswunder“ wäre ohne sie nicht möglich gewesen.
Deutschsein heißt, dass wir uns vor der braunen Vergangenheit nicht davonstehlen.
Ob wir zu den Guten zählen, ist sowieso fragwürdig, und unsere Nazivergangenheit wird nicht dadurch blütenweiß, dass wir Deutsch verschmähen und lieber (schlechtes) Englisch plappern. Immerhin haben wir uns hierzulande mit Judenmord und Kriegsverbrechen jahrzehntelang auseinandergesetzt – da sind wir anderen Nationen weit voraus.
Deutschsein heißt, dass die Nachbarn und wir voneinander lernen.
Dazu zählt, um ein triviales Beispiel zu nennen, die Esskultur. Vor fünfzig Jahren war der Besuch eines deutschen Restaurants ein trostloses Ereignis.
Deutschsein heißt, dass wir die Einwanderer willkommen heißen.
Wir sind klug genug zu begreifen, dass wir Millionen neue Deutsche benötigen, damit die Wirtschaft mit jungen Arbeitskräften, die Märkte mit neuen Verbrauchern aufblühen, dass unser Rentensystem wieder funktioniert, dass die Gesellschaft nicht an den Alten (meiner Generation) erstickt, die jedes Neue mit dem Beelzebub verwechseln und die neue KITA nebenan verhindern, weil ihnen keine Kinder in den Kram passen.
Deutschsein heißt, dass ich mich einer Tradition der Denker, nicht der Schwätzer verpflichtet fühle.
Ich statte mich mittels eigener Gedanken mit eigenen Überzeugungen aus; ich lehne den Kitsch des „Gesunden Volksempfindens“ ebenso ab wie den Kitsch der „Politischen Korrektheit“. Merke: Wenn es nicht wehtat, war es kein eigenes Denken, sondern das Wiederkäuen von Gedankenschnipseln anderer Leute
Deutschsein heißt, dass wir die Religionsfreiheit schätzen.
Dazu zählt die Freiheit Konfessionen auch abzulehnen. Muslime sind hier willkommen wie jeder andere, aber auch zum Islam darf hier keiner gezwungen werden, und die Scharia hat in Deutschland schon gar nichts zu suchen.
Deutschsein heißt, wir schätzen an unserem Grundgesetz, dass es weltweit keine bessere Verfassung gibt.
Dazu zählt, dass unser Staat wehrhaft sein muss, damit er seine Bürger gegen jeden, aber auch jeden verfassungsfeindlichen Angriff nach Kräften beschützt, sei es durch Nationalsozialisten, durch Islamisten, durch Antifaschisten oder sonstwen. Wir sind eine Nation friedliebender Menschen, keine Zusammenrottung von Hooligans mit Testosteronproblemen.
Deutschsein heißt, Frauen und Männer genießen in dieser Republik dieselben Rechte.
Wir entfernen zur Zeit die letzten Reste der Diskriminierung von Frauen. Wer hier einwandert und seine Frau weiter unterdrückt, muss umlernen. Merke: Das Kopftuch ist in traditionell-konservativen Völkern ein bewährtes Mittel, Herrschaft über Frauen darzustellen – mit dem Islam hat das Kopftuch aber nachweislich nichts zu tun.
Deutschsein heißt, wir erkennen die Not der Menschen, deshalb: „Flüchtlinge sind willkommen!“
„Refugees welcome!“ist ein Schmarren. Die Flüchtlinge wollen nach Deutschland, hier ist die Lingua franca Deutsch, hier können die wenigsten ein belastbares Englisch, und die Flüchtlinge schon gar nicht. Die mediengeile Protzerei mit Englisch passt zur Not der Flüchtlinge wie eine offene Hose zum Besuch ihrer Notunterkunft.
Deutschsein heißt, wir haben nach unseren Erfahrungen mit Diktaturen für Bevormundung jeder Art keinen Bedarf.
Nazis haben uns nichts Bedenkenswertes mitzuteilen, dasselbe gilt indessen für Antifaschisten, für christliche und islamische Fanatiker, für Russen, die wieder an den Storch glauben, und es gilt für unsere muslimischen Mitbürger, wenn sie in ihrem Machogehabe mal wieder Kreuzberg mit Anatolien verwechseln.
Deutschsein heißt, wir erkennen unsere gemeinsame Identität in der deutschen Sprache.
Für 97 von 100 Deutschen ist die Sprache das wichtigste Kriterium für das Deutschsein: „Deutsch ist, wer Deutsch spricht.“ Die gemeinsame Sprache ist der Klebstoff, der uns zusammenhält. Sie ist nicht ersetzbar durch Gedankentreibgut, das hierzulande nur deshalb gut ankommt, weil keiner merkt, aus welchen trüben Tiefen die englischen Sprachfetzen gefischt werden.
Was Deutschsein für andere bedeutet, ist deren Sache. Ich habe meine Positionen genannt, sie sind nicht verhandelbar. Aber Ihr könnt Euch ja mit differenzierter Meinung anschließen.
Es darf jedenfalls nicht zur akzeptierten Norm erstarren, dass wir unsere Muttersprache preisgeben. Mit dieser Forderung richte ich mich erstens gegen die Arschkriecherei, mit der wir hierzulande jeden englischen Furz einem zu Ende formulierten Satz auf Deutsch vorziehen. Deutsch ist immerhin die Sprache, die wir zum Denken benötigen. Nein, Euer Englisch reicht für klares Denken nicht, vergesst es! Denken setzt Sprachbeherrschung auf hohem Niveau voraus.
Ich richte mich zweitens gegen die Gleichgültigkeit, mit der linke Intellektuelle die Muttersprache dem rechten Mob überlassen. Ihr habt wohl vergessen, wie Hitler und Goebbels die deutsche Sprache verdarben. Dieses Geschenk hat der Mob nicht verdient; das sind Menschen, die anderer Leute Gedankengut wiederkäuen ohne eine eigene Synapse auch nur gestreift zu haben. Diese Leute sind nicht Deutschland, ihnen gehört die Muttersprache nicht!
Also liebe Landsleute, lasst Euren Hochmut! Die deutsche Sprache ist das einzige, was diese Nation zu einer funktionierenden Gesellschaft zusammenfügt! Wenn Ihr diese Sprache verschmäht, seid Ihr so arrogant wie die Engländer. Sie halten sich mit Oxfordenglisch den Pöbel vom Hals, so wie Ihr Euch erhebt über Bürger, die nun mal echte Angst haben vor Hunderttausenden von Fremden. Ihr spielt die Flüchtlinge gegen diese Leute aus – wem soll das nützen?
Ich fordere von der Politik, dass sich der Staat gegen gewaltbereite Fanatiker und ihre Mitläufer mit Polizeigewalt durchsetzt. Und wenn sich diese Mitbürger nicht an die Verfassung halten, dann muss auch mal härter durchgegriffen werden, als es das Grundgesetz vorsieht. Dazu wird man mehr Polizisten benötigen.
Oliver Baer, Dresden am 28. August 2015.
Den Text habe ich nachgebessert im November 2015 und im Dezember 2017.