baerentatze

wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Neues Argument ausgegraben

Montag 11 Juni 2012

Hand sucht zwischen SteinenIn seinem Streben nach Klarheit respektive Wahrheit ist Spottolski auf ein frisches Argument für gegenderte Sprache gestoßen. Zur Erläuterung für die am Dienstag Abwesenden: Da geht es um die Dinger mit dem Binnen-I wie in MitarbeiterInnen oder die so beliebte Nennung beider Geschlechter. Was meist so rüberkommt: „Liebe Gnossen und Nossn!“

Das – bislang vollkommen unverbrauchte – Argument von Frau Dr. Annette Hartmann trifft auf eine klaffende Streitkultur. Sie beklagt, dass der Verein Deutsche Sprache (VDS) die identitätsstiftende Wirkung von Sprache zwar predige, diese aber nicht den Frauen zugestehe (1):

„… bei der Geschlechteridentität ist offenbar bei manchen Vereinsmitgliedern Schluss mit der Bewusstseinsarbeit?“

Da schütteln die Ohorner Miezen ja sowas von den Kopf: Recht hat sie, wie kommt er dazu. Wer? Der Verein.

Sehen Sie, das müssen Sie langsam lesen, sonst wird ein Text wie dieser hermetisch.

Tatsächlich gibt es sogar fertige Regelwerke, wie man geschlechtsneutral zu formulieren habe. In solchen Anleitungen findet sich meist, will sagen fast immer ein Satz wie dieser:

„… geschlechtsneutrale Formulierung … bleibt aber eine Alibi-Handlung, wenn inhaltlich die [geschlechtsneutrale] Berücksichtigung fehlt.“

Recht hat auch die Autorin dieser Zeilen, das bestätigen die Miezen. Wo kämen wir denn hin? Offenbar gibt es da ein Problem, folgert Spottolski, sonst würde es unerwähnt bleiben, nämlich: Lippenbekenntnisse genügen den Frauen nicht.

Aber nein.
Aber ja.

Sparsame Sprache

Klarer Fall, sagt Spottolski, Scherz beiseite: Der Kampf um gegenderte Sprache lenkt ab von der Sache an sich, er lenkt ab vom Respekt der Geschlechter voreinander. Schon wieder nicken die Miezen, sie sind ja nicht bescheuert.

Zurück aber zur Hartmannschen: Sie vergleicht Identität mit Identität, ein anscheinend legitimer Vorgang, betont Spottolski, vorausgesetzt es handelt sich um ein- und dieselbe Kategorie. Das ist hier aber nicht der Fall: Bei ihr steht Identität durch Sprache vis-à-vis der geschlechtlichen Identität.

Wache Leser erkennen hier den Zipfel des Problems: Identität durch etwas vis-à-vis einer Identität als solcher – da hakt etwas, das will so nicht!

Hier hätte uns warmduschende Frauenversteher die gute Frau Hartmann fast an den Weichteilen gepackt. Wir würden ja gerne für Jahrhunderte der Unterdrückung der Frauen Buße tun. Aber dem müsste schon eine ordentliche Beweisführung vorangehen, wir wollen einen rauchenden Colt sehen. Sie aber sitzt einem Fehler auf: Ihr Vergleich der Identitäten läuft nicht, er geht nicht, er fällt flach.

Liegt Klarheit in der Wahrheit? Oder umgekehrt: Seit wann wird der Wein im Fischteich gekühlt? Die Suche nach Argumenten dauert an. (Bild: Baer)

Grundsätzlich kann man alles vergleichen, auch wenn die Leute sagen: „Das kann man nicht vergleichen!“ Doch, kann man, man muss es sogar. Wie sonst stellte sich heraus, ob etwas „nicht vergleichbar“ ist? Äpfel und Birnen bieten – unter dem Titel Obst – einigen Anlass: Etwa den Säuregehalt oder die Versaftungsfähigkeit kann man messen und einander gegenüberstellen. Vergleichen wir aber Wattestäbchen mit Weltraumfahrt, haben sie das große W gemeinsam, sonst nichts.

Keimende Zweifel mannhaft bekämpfen

Zurück zur Sache. Spottolski benötigt keinen Spiegel, um sich seiner männlichen Identität zu vergewissern. Da kommt, er kann es wenden und drehen wie er will, einfach kein Zweifel auf. Sieben Milliarden Menschen sowie einer total unzählbaren Zahl von Katzen geht es wie ihm: Sie haben mit dem anderen sowie mit dem eigenen Geschlecht zwar viele Probleme, nur eines nicht: ein Problem mit der Identität.

Zu einer sinnvollen Abwägung von Interessen kommt es nur, wenn diese derselben Kategorie angehören. Das tun sie hier nicht. Die geschlechtliche Identität (2) haben wir, sie ist ungefährdet. Die sprachliche Identität hingegen hängt in der Luft; ganz besonders in einem Land, dessen Bewohner mieses Englisch für schicker halten als die Sprache, die sie von ihrer Mutter hörten. Die Gender-Identität ist auch dann gesichert, wenn alle den Mund halten. Die Identität durch Sprache hingegen bedarf der Sprache, damit sie einem überhaupt bewusst wird.

Alter Unfug (zum Beispiel „Putzfrau“) lässt sich durch neuen Blödsinn („Raumpflegefachkraft“) nicht ungeschehen machen. Recht entsteht nicht aus doppelt Unrecht (3). In Wirklichkeit brauchen nicht länger die Mädchen besondere Förderung, sondern die Jungen. Das ist bekannt, aber wer auf Gleichstellung hält, prügelt den immer gleichen Popanz. Um mehr geht es bei der Genderei nicht: Es ist ein Machtkampf um Deutungshoheit. Gott, wie prickelnd!

Da nun auch die Ohorner Miezen betreten dreinschauen, bietet Spottolski folgenden Ausweg an: Frau Hartmann möge ihren Namen ändern, nicht in Hartfrau, sondern in Hartperson. Frau Dr. Annette Hartperson – das wäre folgerichtiges Tun! Anschließend überdenken dann alle ihren Standpunkt. Und tauschen ihn aus: Wir übernehmen den von Frau Dr. Hartperson und sie den von uns. D’accord?


(1) Zitat aus Annette Hartmanns Beitrag Deutscher Michel oder deutsche Michaela? in der Ausgabe II/2012 der Sprachnachrichten des VDS.

(2) gender (engl.) = Geschlecht („Genus“ aus dem Lateinischen bezeichnet das grammatische Geschlecht)

(3) Ex iniuria ius non oritur, römischer Rechtsgrundsatz.


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