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Zurück vom Walkabout

Donnerstag 23 Februar 2012

Wo hat Spottolski so lange gesteckt? Er war auf Walkabout. Nicht in Australien, sondern in – England! Schwamm drüber, er ist wieder da, und die dörflichen Felinen treffen in Nachbars Scheune ein, zu hören den Rat des reiseweisen Katers.

„Die Engländer sind voll in Ordnung;“ verkündet er, „sie sind die einzigen, die Cricket erfunden haben.“ Dazu nicken die Miezen, so kennen sie ihren Spottolski, voll in die Tasten greifend. Die Jungkater blicken eifrig drein, die Altkater ein bisschen sparsamer, auch sie kennen ihn. Was Rang und Namen hat, ist in der Scheune versammelt.

„Wieso England?“ meldet sich ein Streber aus der ersten Reihe.

„Englisch ist die Weltsprache!“ ruft Spottolski. „Aber sprich mit einem Engländer, und was ist? Er versteht kein Wort.“ Er sieht zu mir herüber: „Hier, mein Chef schreibt über die Weltsprache, dicke Bücher° schreibt er; da hab ich mir gesagt, gehste mal hin: Hat der ein Rad ab, mein Chef, oder was?“

Alles paletti, versichert er: „Wem die Radkappen fehlen, das sind die Engländer.“ Bis auf einen (in Salisbury), der hatte ihm einen grünen Hering spendiert: „Kein Essig dran, eine runde Sache. Ansonsten: arme Schweine, diese Engländer.“ Er war zu Gast bei einer total netten Tante in Tottenham. Dort gab’s in der Glotze Fußball, ein Länderspiel (Mailand, Malta, Italien – weiß der Geier). Da räuspert sich die Tante und fragt, woher kommt eigentlich der Schiedsrichter. Ach, aus Holland? „Klar,“ sagt sie, „die Ausländer halten zusammen.“

Cricket: Aggressive Feldaufstellung bei einem langsamen Werfer mit hoher Seitwärtsdrehung des Balles (Bild: Fotolia)

„Beim Cricket,“ kämpft Spottolski gegen das Gemurmel der Jungkater, „beim Cricket macht die meisten Punkte, wer die Kugel im hohen Bogen über die Tribüne aus dem Stadion schlägt. Kaputte Windschutzscheibe, egal, macht sechs Punkte.“ Er hält inne. „Wer so einen Sport erfindet, damit er mitten im Spiel eine Tasse Tee bekommt, der hat Stil, oder er hat ein Rad ab.“

„Der mit seinen Rädern …“ raunt ein Alter. „Was ist nun mit ihnen,“ unterbricht ein Anderer: „Arme Schweine oder sind sie gut drauf?“

Spottolski winkt ab. Er habe den Grund entdeckt, höchstpersönlich, weshalb die englischen Medien das Kriegsende verpassen, seit 65 Jahren mindestens einmal im Jahr. „Wollt Ihr das wissen?“

„Sag schon!“

Spottolski setzt sich, er wartet bis auch die Testosteron-Riege in der ersten Reihe zur Ruhe kommt, und er sagt: „Ich sag nur ein Wort: Lebensmittelkarten.“

Da öffnen sogar die Miezen die Augen: „Waszuessn?“

Da johlen die Kater, der eine oder andere kriegt ein paar um die Ohren, die Miezen schließen wieder die Augen, schließlich fährt Spottolski fort und erklärt: „Die Engländer sind sauer auf die Krauts. Sie mussten noch auf Marken einkaufen, als wir bereits ein Wunder über die Wirtschaftsbühne zogen.“ Wieder macht Spottolski eine Kunstpause: „An eben dem Tag, als wir Weltmeister wurden, in Bern am 4. Juli 1954, durften die Engländer erstmals wieder Fleisch ohne Lebensmittelkarten kaufen.“

„Deswegen hat David Cameron der Kanzlerin neulich den Finger gezeigt, ist doch logisch!“ holt Spottolski aus. „So, und was meinst du Blödmann hier vorne, warum ich das erzähle?“

„Wegen der Radkappen!“

„Weil Audi in England auf Deutsch wirbt.“

„Und? Dürfen die das nicht?“

„Doch, aber hört euch das an: Vorsprung durch Technik.“

„Hört sich an wie Deutsch.“

„Das ist Deutsch. So wirbt Audi in England – mit Erfolg.“

Hinten hat Einer nicht aufgepasst: „Ich dachte, die sprechen dort Englisch!“ Vorne fragt ein Gefleckter, wo die Radkappen abgeblieben sind, der hat doch Radkappen gesagt …

„Das ist das Geniale an der Audi-Werbung,“ schreit Spottolski.

„Dass die dort Englisch können?“

FAZ, Rubrik Technik & Motor, Ausriss vom 7.2.2012

„Nein: Dass sie einen deutschen Slogan daherbeten – wie einen Zauberspruch.“

„Wasndaransogeil?“

„Sie kriegen ihn kaum über die Lippen. Aber sie quälen sich und sagen ihn immer wieder, jeden Tag im Fernsehen.“

„Audi quält seine Kunden: Dassollgeilsein?“

„Für den R8 zitiert sich Audi sogar selber: Vorsprung’s finest hour.“

„Toll! Und wo steckt die Pointe?“ – „Wo bleibt das Rad?“ – „Wir wollen Rad-Kap-Pen!“, aber Spottolski wartet bis wieder Ruhe herrscht:

„Der Knüller ist: Die Engländer haben den Deutschen nichts verziehen; trotzdem kann Audi – mitten in England – ungestraft auf Deutsch werben.“

„Na und?“

„Doppelte Pointe: Bei uns bietet Audi seine Technik auf Englisch an. Luftfederung haben viele, adaptive air suspension gibt es nur bei Audi.“

„Das ist kreative Kundenverarschung“. Die Jungkater sind restlos aus dem Häuschen: „Beforespring by technique!“ Ein paar rätseln noch: „Die Sache mit den Rädern ist mir noch unklar.“ – „Wann gehst du wieder auf Tour?“ erkundigen sich die aus dem Oberdorf, als die Katzen den Heimweg antreten.

Spottolski weiß schon, warum er heimgekehrt ist: so ein dankbares Publikum.


° Bücher

Titelbild

Vorläufig ist es nur ein Buch. 400 Seiten stark ist Von Babylon nach Globylon, davon alleine 80 Seiten am Ende für die Anmerkungen und Quellenangaben, die man, wie bei Victor Klemperer, als parallelle Geschichte lesen kann. Für die Anlagennichtleser sind es netto 300 Seiten – sie sind bis auf den etwas trocken geratenen Abschnitt zum Globischlernen recht unterhaltsame Seiten. Und in der Kindleausgabe spielt die Seitenzahl keine Rolle …


Über Walkabout

Film von Nicolas Roeg, DVD-Hülle

Spottolski war also auf Walkabout. Dazu hatte er sich eine Aufgabe gestellt. Er wollte erfahren: Stimmt die Wirklichkeit noch mit sich selbst überein? Und wenn ja, wie kommt sie darauf?

Apropos: Walkabout ist ein Wort, wofür es keine Entsprechung im Deutschen geben kann, denn dieses Phänomen gab und gibt es nur in Australien, es wurde von den kolonisierenden Engländern beschrieben und in unserem Kreis von Kulturen kennen wir keinen annähernd ähnlichen Begriff, den wir dahingehend biegen könnten, dass er eine verwandte oder abgeleitete solche Bedeutung annähme. Weltenwanderung wäre sicher zu üppig. Ein – dem Englischen vielleicht vorzuziehendes – Wort käme aus der Sprache der australischen Ureinwohner: ein Lehnwort wie Bumerang. Eine Ahnung dessen, worum es beim Walkabout tatsächlich geht, vermittelt der Film von Nicolas Roeg.


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