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wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Starke und schwache Worte aus dem Bundestag

Donnerstag 26 Oktober 2017

Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Johannes Singhammer (CSU), hat mit seinen Kollegen Axel Schäfer (SPD) und Gunther Krichbaum (CDU) einen neuen Kurs zur Stärkung der deutschen Sprache verlangt.

Insbesondere vier „Punkte mit Symbolwirkung“ nannten sie, drei davon betreffen Deutsch an den Hochschulen: Forschungsergebnisse, die mit Bundesgeldern gefördert werden, müssten demnach immer auch in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Tagungen in Deutschland dürften mit deutschem Steuergeld nur dann finanziert werden, wenn Deutsch zumindest eine der Konferenzsprachen ist. Vorlesungen und Prüfungen bei den Master-Studiengängen in den deutschen Exzellenzuniversitäten sollten immer auch in deutscher Sprache angeboten werden. Harmlose Forderungen, keiner verlangt Englisch von den Universitäten zu verbannen. Die Abgeordneten bitten darum, dass Deutsch wenigstens an zweiter Stelle stehen möge.

Regierung wiegelt ab

Von den Besten nichts Neues (® Fotolia)

Wie üblich lässt sie die Regierung auffahren. Deutschland profitiere von einem intensiven internationalen Austausch, so Kanzleramtsminister Altmaier, die Internationalisierung habe einen großen Anteil am Renommee deutscher Forschungsund Bildungseinrichtungen im Ausland.

Die immer gleiche verlogene Litanei. Hat irgendwer behauptet, der Austausch würde Deutschland schaden? Und was bedeutet Internationalisierung? Dass sie nur auf Englisch stattfindet, nämlich auf schlechtem Englisch? Dass sie nur gelingt, wenn die Universitäten auf Deutsch verzichten, weil es im Wege steht? Das ist so dürftig durchdacht, es ist peinlich. Es beweist, dass zum Denken mehr gehört als die spontanen Reflexe des Politikers. Herr Altmaier, selbst wenn alle Beteiligten ausgezeichnetes Englisch beherrschten, wäre eine geistige Monokultur abzulehnen. Sie entsteht bereits, da die Hochschulen auf die Weltsprache Englisch setzen. Sie verkennen, dass die verschleifte Weltsprache für den akademischen Diskurs nicht genügt. Englisch ist nicht wie Englisch. Und selbst wenn: Das ist, als würden wir nur Mais anpflanzen, den kann man wahlweise essen oder verheizen, wunderbar, und vergessen wir die Vitamine, die höheren Nährwerte!

Noch einmal, zum Mitschreiben

Wissenschaft blüht in der Vielfalt. Amerikaner denken anders als Deutsche, und das ist gut so: Denken und Sprache wirken aufeinander ein. Auf Englisch oder Deutsch zu Ende gedacht, kommen zum selben Problem ungleiche Lösungen zutage. Der Forschung und Lehre schadet es, wenn wir den Horizont durch einen Tunnel betrachten.

Selbst wenn wir das trotzdem für richtig hielten: Das Englisch der Wissenschaftler genügt nicht, um den Austausch auf höchstem Niveau (auf dem muttersprachlichen Niveau) zu gewährleisten, und dieser Mangel lässt sich auch mit Zwang nicht hinlänglich verbessern; Ausnahmen bestätigen die Regel. Dass Wissenschaftler mit ihrem Stummelenglisch mehr als einen zweitklassigen Austausch hinbekämen, gleicht einer Fata Morgana. Zehntausend handverlesene Dolmetscher und Übersetzer auszubilden (die ihren Beruf wie ein Geiger üben: täglich stundenlang) ist realistischer als die gesamte Wissenschaftsgemeinde auf ein Niveau zu heben, wo sie den Austausch auf Augenhöhe mit englischen Muttersprachlern betreibt.

Worauf alle gern hereinfallen

Woran liegt die Fehleinschätzung, der nicht nur Peter Altmaier verfällt? Mit seiner Illusion lebt, wer zu dem Problem nicht weiterdenkt. Das hat vier Ursachen. Man weiß es nicht besser, woher auch, wie viele Abgeordnete kennen sich in der Forschung aus? Sodann verwechseln auch Wissenschaftler die Fähigkeit zu lesen mit der des Schreibens. Dass sie einen englischen Fachartikel begreifen, ist kein Beweis, sie könnten ihn selber geschrieben haben. Sodann gilt es auch ihnen, wenn die Brüsseler Dolmetscher den Gebrauch der Muttersprache anmahnen: „Dann verstehen wir, was Sie meinen und können es übersetzen“ – vergebens, es wird weiter auf Englisch gestümpert. Womöglich wiegt am schwersten die sprachliche Eitelkeit der alten Männer, und die Frauen sind gerade zum Gendern draußen. Übrigens ein Vorgang, der den Gebrauch der deutschen Sprache unter dem Schirm englischer Begriffe wie „Gender Studies“ zu regulieren sucht.

Eine Wissenschaft, die auf ihre Terminologie in der Muttersprache verzichtet, amputiert sich selbst. Zugleich geht ihr die Fähigkeit verloren, komplizierte Vorgänge (wofür die Begriffe noch fehlen) so bildhaft zu beschreiben, dass aus dem Austausch frische Ansätze für den Erkenntnisgewinn entstehen. Offenbar begreift nur eine Handvoll universitär vernetzter Politiker, was auf dem Spiel steht. Alle Beschwichtigungen beweisen nur, dass die Bundesregierung keine Lust auf dieses Thema hat. Und so mancher Wähler keine Lust auf diese Regierung.


Nachgedruckt in Sprachnachrichten Nr. 75 des Vereins Deutsche Sprache


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