baerentatze

wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Lernen durch Schreiben

Sonntag 12 November 2017

Die arg strapazierten Grundschüler noch mit der Schreibschrift plagen, ist das zeitgemäß? Mittlerweile tippt doch jeder die Buchstaben einzeln auf seinen gläsernen Bildschirm, WhatsApp schlägt gleich ganze Wörter vor, sogar in der korrekten Rechtschreibung (oder auch nicht). Bald lassen wir das Tippen sein, da sprechen wir in das Flachfon, die Äpp wandelt das Gehörte in lesbaren Text um.

Wozu also vergeuden wir die Lernlust unserer Kinder damit, das Schreiben überhaupt zu lernen, geschweige denn mit der Hand? Ob in Buchstaben oder Wörtern, zusammenhängend oder getrennt, wen juckt es? Wer mit der Zeit geht, behält den Akkustand im Auge, er hofft auf Frieden rings um die Sendemasten, und dass in der Disco keiner das Flachfon klaut. Womit die griffigen Motive für eine Welt ohne digitale Krücken bereits genannt sind. Mit nassem Holz Feuer machen ohne Streichhölzer, das muss heute nicht mehr jeder können. Eigenes Denken wäre aber ganz nützlich, wenn auch nicht im Sinne der Anbieter nutzloser Produkte, denn dumme Kunden kaufen, was jeder kauft, man muss sie nur dumm halten. Dem steht eines im Weg: Eltern und Lehrer halten es lieber mit der Klugheit.

Ich kann vollkras schreim (® Fotolia)

Längst ist bewiesen, dass die Handschrift unverzichtbar ist. Kitakinder mussten Buchstaben auf dem Papier nachfahren und auf einer Spezialtastatur eingeben. An die selbst gemalten Buchstaben erinnerten sie sich besser. Das gilt auch für Erwachsene, jeder kann es zuhause probieren: Schreiben Sie Zeichen aus einer fremden Schrift auf Papier, tippen sie andere auf einer Tastatur ein. Welche bleiben stärker in Erinnerung? Wer kennt noch das Vokabelheft, in dem wir jedes neue fremde Wort notierten? Auch der Sinn und die Zusammenhänge sind besser erfassbar, wenn der Text mit eigener Hand geschrieben ist. Das konnte an Studenten nachgewiesen werden, die ihre Vorlesungsnotizen mit der Hand notierten. Sie schnitten besser ab als die mit dem Tastaturgeklapper.

Das Schreiben orientiert sich nicht an Buchstaben, sondern an Silben und Morphemen. Beim Schreiben können Kinder motorische Bewegungen ausführen, die sprachlich bedeutsamen Einheiten entsprechen. Kopf und Hand arbeiten nun mal zusammen, zu beiderseitigem Nutzen. Insofern geht es nicht nur darum, eine Kulturtechnik zu bewahren, es geht ganz handfest darum, dass motorische und kognitive Fähigkeiten trainiert werden. Das Gehirn muss schon im Alter der größten Lernwilligkeit, nämlich in der Grundschulzeit, regelrecht strapaziert werden.

Leisetreterei durch Vereinfachung, die Verschonung der Kinder vor Anstrengung führen nur dazu, dass sie als Schulabgänger weder vernünftig schreiben noch rechnen oder in größeren Zusammenhängen denken können. Je komplizierter die Abläufe im Gehirn beim Lernen sind, desto mehr wird im Gedächtnis abgespeichert. Beim Tippen von Buchstaben bleibt weniger hängen. Wer viel auf Tatstaturen schreibt, sollte es auch als Erwachsener wieder mit der Füllfeder in der Hand versuchen. Am besten rechtzeitig, bevor das Diktat das Tippen ersetzt, oder die wachsende Lust an der Gewalt den Frieden um die Sendemasten gefährdet.

In diesem Sinne lobenswert und rechtzeitig kommt die Initiative der Zeitung Deutsche Sprachwelt aus Erlangen, der Aktion Deutsche Sprache (ADS) aus Hannover und der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft (NFG) aus Köthen (Anhalt). Sie haben gemeinsam Unterschriften für eine Petition zur Rettung der Schreibschrift gesammelt und der Präsidentin der Kultusministerkonferenz Dr. Susanne Eisenmann überreicht. „Gut dem Dinge!“ hätte Walter Kempowski dazu gesagt.


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