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Der Ton macht die Musik

Mittwoch 9 November 2016

Durch's Dorf getrieben  (Bild ® Behland )

Durchs Dorf getrieben (Bild ® Behland )

Eines zum Abhaken vorweg: Zorn ist an sich nichts Böses. Dass einem der Hut hochgeht, kann passieren. Ein gut gepflegter Zorn mag der blinden Wut sogar vorbeugen. Aber unterscheiden müssen wir zwischen Zorn und Kritik, und mit Wut sollte sie schon gar nicht verwechselt werden.

In den Medien und auf der Straße, nun auch im US-amerikanischen Wahlkampf beobachten wir nicht nur den Verlust aller Manieren der Zivilgesellschaft. Wir erleben Menschen, die auf die Zukunft pfeifen. Wie soll es morgen weitergehen, wenn wir heute so hasserfüllt aneinander vorbeireden, wenn wir auf jede Vermutung abfahren als sei sie tatsächlich eine Tatsache? Die Gesellschaft gleicht nun mal keiner Ehe, wo Versöhnung gelegentlich im Schlafzimmer stattfindet.

Nehmen wir die Pegidisten und gleich auch ihre Gegner, einschließlich der in diesen Dunstkreisen wirkenden Mitschimpfer über die deutsche Sprache. Sie schimpfen, sie halten ihr Gepöbel für Kritik. Da wird das Wort Kritik falsch verwendet. Was tut der Literaturkritiker? Grundsätzlich verreißen, was ihm vor die Augen gerät? Keineswegs, selbst der gefürchtete Marcel Reich-Ranicki fand Gutes, Gelungenes, Erfreuliches zu erwähnen. Kritik ist nichts Böses; Kritik kann, muss aber nicht auf den Zorn des Kritikers beschränkt bleiben.

Kritik im eigentlichen Sinne fußt auf einer Bedingung, die in Vergessenheit gerät: dass ich den Standpunkt des anderen würdige, auch wenn er mir nicht passt. Schließlich hat er einen Grund dafür, auch wenn er sich irrt oder nur ungeschickt ausdrückt, was ihn stört. Missachte ich das Recht des anderen auf seinen Standpunkt, auch sein Recht auf Irrtum, so fehlt mir das Recht ihn zu kritisieren.

Klarstellung: Nur Dreck schleudert, wer Kritik nicht in diesem Sinne leistet. Damit kann man Wahlen gewinnen, aber nicht die Zukunft. Auch Gegenpöbelei baut keine Brücken. Daher dieser Vorschlag zur Güte: Setzen wir zum Maßstab unseres Verhaltens die kleine Feier in unserem Wohnzimmer. Wer dort nicht aufhört zu pöbeln, riskiert den Rausschmiss, jedenfalls wird er nicht mehr eingeladen. Das ist das Recht und die Pflicht des Hausherrn. Er muss, bei aller Streitkultur, eine Grenze ziehen. Wem das nicht passt, der kann sich wie – die klügeren – Hooligans zur herzhaften Schlägerei im Wald verabreden. Eine Zivilgesellschaft, in der wir darauf verzichten einander mit Knüppeln zu überzeugen, kann sich den Ton nicht leisten, der im Internet herrscht und von Populisten, Pegidisten und ihren Gegnern aufgegriffen wird.

Geht es hier nur darum den Knigge wiederzubeleben? Nein, lasst uns bedenken, dass wir einander wiederbegegnen könnten. Dass wir eine Brücke wieder aufzubauen haben, um ein wenig Brüderlichkeit zurückzugewinnen. Dieser Gedanke ist selbstverständlich in den Wind gerufen. In Pöbelei steckt mehr Lustgewinn. In der Anwendung des Verstandes steckt nur stille Befriedigung.


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