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wo es um Sprache geht (noch im Umbau)
Sprache der Unterdrücker

Sonntag 16 Mai 2021

Ganz Südafrika ist schwarz. Ganz Südafrika? (Bild Fotolia)

Was aus den Muttersprachen wird, ist im südafrikanischen Kapland möglicherweise bereits zu beobachten. Englisch ist Lingua franca und Medium der Eliten, von Afrikaans gibt es bereits mindestens einen Jargon.

Nachvollziehbar ist das im Original der weltweit gelesenen Krimis des Kapstädters Deon Meyer. Geradezu liebevoll bringt er uns die Mischung der Ethnien nahe, wobei er den gängigen Versöhnungskitsch weitgehend vermeidet. Statt in der Weltsprache schreibt er in seiner afrikaansen Muttersprache, in der Sprache der Buren, aller Welt bekannt als Instrument der Unterdrücker. Seine Mutter- statt der Weltsprache verwendet Meyer mit offenbar hintersinniger Freude. So kann er eine Farbenvielfalt darstellen, die in den Übersetzungen verblasst. Urwüchsig ist der Jargon der Kapstädter „Braunen“. Dazu muss man wissen, für zwanzig Millionen ist Afrikaans die zweite Lingua franca Südafrikas, für sechs Millionen ist es die Muttersprache, davon zählen mehr als die Hälfte zu den Unterdrückten.

Zumal im Kapland nennen sich die Farbigen (coloureds) selber bruin. Waren sie früher nicht genügend wit, sind sie im Regenbogen-Südafrika nicht swart genug, stets stehen sie zwischen besetzten Stühlen. Ihnen, den Meistbetrogenen der Wende, gilt Meyers besondere Sympathie, aber auch die Übrigen im Polizeiapparat kommen gut weg: die Gewinner, zumal die Zulu und Xhosa, aber auch die Verlierer, die sogar als alte Hasen ihres Faches der sogenannten positiven Diskriminierung unterliegen. Meyer erzählt von dennoch wachsendem Respekt, sogar Zuneigung unter den gemischten Kollegen im Polizeialltag, und von ihren Begegnungen mit so manchem Verdächtigen oder Zeugen, dem das Regenbogensüdafrika nicht in den Kram passt. Mitunter idealisiert Meyer, trotzdem stimmen seine Bilder, man muss ihn nur zu Ende lesen – am besten im Original.

Eine Zumutung? Aber Neugierige werden mit herrlichen Dialogen belohnt. Typisch für die schwarzen Polizisten ist ihr bemühter Gebrauch eines gewählten Englisch, welches er bewusst unübersetzt lässt. Die Braunen im Kapland bewegen sich, je nach Milieu, zwischen einem wildwüchsigen bis hin zu einem gebildeten Afrikaans. Ihre Rede strotzt vor englischen Redensarten, zwischen zwei Satzzeichen wechseln sie auch mehrmals die Sprache. Das ist komisch, saftig, echt. Man genießt das Einfühlungsvermögen des Autors in das ethnische Gemisch seiner Heimat, wo zur gleichen Zeit die nicht mehr Aparten zusammenfinden, und andere ihre Vorurteile weiter pflegen.

Zur Echtheit des Ambientes zählt, wie unbefangen Meyer vor keinem der – auch in Südafrika schon immer – verpönten Wörter zurückschreckt. Wie sonst soll man Chauvinisten darstellen, jene die am liebsten unter sich bleiben, als in ihrer authentischen Wortwahl? Ein Bonus für beharrliche Sprachfreunde sind die Funde an Wörtern, die uns altertümlich vorkommen: misdaad für Verbrechen, die Verzweiflung ist wanhoop, die Begeisterung geesdrif. Wie mag sich hierzulande das einfache Volk ausgedrückt haben, als Entlehnungen aus dem Lateinischen und Französischen nur den Gebildeten geläufig waren?

So bebildert Meyer Umgebungen, in denen sich Wandel tatsächlich vollzieht, bevor er die Sprache prägt, die der Unterdrücker wie der Unterdrückten. Wie sprachlicher Zwang Trotz gebiert. Im neuen Südafrika tummeln sich die Eliten und Aufsteiger in der Weltsprache der Kolonialisten. Vielleicht ahnen sie, was ihnen entgeht, denn menschliche Wärme liegt in den Dialekten, in den Jargons, wo die Leute reden, wie der Schnabel gewachsen ist, was sie sich zu eigen machen, und was sie am Aufstieg auch zu behindern droht. Deutsch ist auf einem ähnlichen Weg wie Afrikaans, von anglophilen Eliten verpönt, im Prekariat immer weniger geschätzt und Neuankömmlinge zweifeln, wozu sie es überhaupt noch lernen sollten. Es gäbe einigen Anlass beizeiten zu vermitteln, statt mit forcierter Redeweise die Gesellschaft bekehren zu wollen. Insofern dienen ausgerechnet Krimis aus Afrika als Fingerzeig und Warnung zugleich.


Dieser Beitrag wurde im Frühjahr 2021 in den Sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache (2/2021) veröffentlicht.


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