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wo es um Sprache geht (noch im Umbau)

Harte Währung statt falscher Fuffziger beim Sprachenlernen

Donnerstag 2 Juli 2009

Englisch und Globisch sind zweierlei: Zu viel des Guten, nämlich des guten Englisch, schadet in der globalen Wirtschaft in 95 von 100 Gesprächssituationen: In allen anderen wird es nicht verstanden. Eine Lösung des Problems gibt es, sie heißt Globisch.

Die Welthandels- und Verkehrssprache ähnelt der englischen Sprache, aber sie entspricht ihr nur an der Oberfläche. Dennoch bemühen sich Wirtschaft und Gesellschaft um reines Englisch, von der Wiege bis zur Hochschule, ohne viel Nutzen für die globale Kommunikation, der zuliebe dieser ganze Aufwand getrieben wird. Leidtragende ist nicht nur die Muttersprache, die Sprache in der sowohl das kreative Denken als auch die Genauigkeit der Information und Kommunikation die beste Aussicht auf Erfolg bieten. Die Unternehmen vermissen die zweckmäßige Sprachfertigkeit, die sie benötigen, und sie vergeuden dafür Zeit und Mittel. Unangemessenes Englisch verdammt seine Benutzer zur Zweitklassigkeit im wirtschaftlichen wie im wissenschaftlichen Alltag. Eine vergleichsweise einfache, wirtschaftsverträgliche Lösung des Problems bietet sich an.

Irreführender Ehrgeiz

Geringen Nutzen, bei potenziell großem Schaden, richtet die Hinwendung der deutschen Muttersprachler zur Welthandels- und Verkehrssprache an. Nicht, dass es schlecht wäre, Englisch zu beherrschen, sondern weil es so bedingungslos wie gedankenlos angestrebt wird. Der Nutzen dieser Massenbewegung ist überschaubar, da sie fast immer zu einem minderwertigen und nur teilweise zweckmäßigen Englisch führt. David Crystal (Mitautor der Cambridge Encyclope-dia of the English Language) bemerkt: „Die Welthandels- und Verkehrssprache ist nicht Englisch, sondern schlechtes Englisch.“ Daraus entstehen ungezählte Missverständnisse in der alltäglichen Abwicklung von Geschäften. Sie ziehen einen kaum kalkulierbaren Zusatzaufwand nach sich, weil sich die Beteiligten selten bewusst sind, dass sie sich ungenügend verständigen, und wenn sie es denn ahnen, fehlt die Übersicht, was sie besser machen könnten.

Noch schwieriger kalkulierbar sind die Verluste aus entgangener Nutzung von Synergien, wenn sich Kreative (Erfinder, Innovatoren, Kommunikatoren) anschicken, komplizierte Sachverhalte in einer anderen als ihrer Muttersprache zu vermitteln; außer ihrer eigenen Denkfähigkeit behindern sie die Fähigkeit des Gesprächspartners, zum Sachverhalt maßgeblich beizutragen. Obendrein verstoßen sie gegen Gebote der Höflichkeit gerade dort, wo sie taktvollerweise annehmen, es sei freundlicher, auf Englisch zu radebrechen.

Fragwürdige Reaktion

Erschwert wird das Problem durch die – verständliche, aber zu kurz gesprungene – Spontanreaktion: „Dann müssen wir ein viel besseres Englisch lernen, und zwar schnell!“ Ein mittlerweile klassischer Vermittler dieses Bauchgefühls ist Ministerpräsident Oettinger, der sogar vom Facharbeiter Englisch als Arbeitssprache erwartet. Guten Willens, aber schlecht beraten, befördert er ein flächendeckendes Missverständnis. Es hat zwei Seiten.

Erstens kann „gutes Englisch“ (was immer das sein mag) nur würdigen, wer selber gutes Englisch beherrscht. Und das erwirbt der Fremdsprachler nur, wenn er mindestens fünf Jahre im Intensivkontakt mit gebildeten Muttersprachlern in anglophonen Ländern verbringt, die ihm kein deutsches Wort durchgehen lassen. Und selbst dann bleibt der fleißigste Lehrling dem geschulten englischen Muttersprachler unterlegen.

Zweitens schaden allzu gute Englischkenntnisse überall, wo im globalen Geschäft mit Leuten verkehrt werden muss, die ihrerseits ein dürftiges Englisch mitbringen – das umfasst von Chile bis China, vom Irak bis Island nahezu sämtliche Nichtmuttersprachler des Englischen. Hinzu kommen Millionen von Engländern, Kanadiern, Australiern – von Amerikanern ganz zu schweigen -, die ihrer Muttersprache keine Mühe gönnen und keinerlei Druck zu ihrer Aufwertung verspüren: „Wozu, die ganze Welt versteht uns doch!“

Irrtum, im Umgang mit ihnen muss man seine Englischkenntnisse künstlich, also bewusst zurücknehmen. Das ist für den fortgeschrittenen Sprachschüler in der Regel schwieriger als für den unbefangenen Neuling. Eine Unterscheidung in verschiedene, je nach Situation angemessene Sprachniveaus bringen viele schon auf Deutsch kaum gestemmt („Du Türke? Ich dir sagen, wo es langgeht“). In einer Fremdsprache sind sie vollends überfordert.

Kurzatmige Erziehung

Das Bild wird zusätzlich verdüstert durch den Umstand, dass alle Bemühungen um englische Frühberieselung im Kindergarten, durch Immersionsunterricht und sonstige Frühförderung der Englischkenntnisse nicht einmal das zuwege bringen, was zu ihren Gunsten behauptet wird (vornehmlich von Anbietern, die an dieser Hysterie ganz gut verdienen): Frühenglisch führt jedenfalls – so viel ist bereits erwiesen – nicht zur besseren Sprachbeherrschung. Schüler ohne Frühförderung holen die Frühstarter spätestens zur Pubertät nicht nur ein, sie überholen sie sogar. Ebenfalls belegt ist, dass zu frühes Englisch das Vorkommen von Stottern erhöht. Die Untersuchung von Langzeitschäden bei Millionen frühberieselter Versuchskaninchen müssen wir noch abwarten. Diese Aussicht könnte Eltern grübeln machen.

An dieser Stelle gehört ein Pflock eingeschlagen: Für die erste Schulklasse eignet sich Englisch besonders schlecht. Wenn ihm nicht der natürliche Erwerb der Muttersprache vorausging, gleicht Englisch als erste Fremdsprache einer Folter – die den Kindern zugute kommt wie Schläge auf den Hinterkopf. Immerhin erbrachte das alte Angstfach Latein eine späte Rendite beim Erlernen nahezu jeder Fremdsprache, auch der nicht verwandten, dank der Denkdisziplin, die man beim Lateinbüffeln erwarb. Eben dieser Effekt wird durch Englisch gestört.

Englisch ist eine besonders schwierige Sprache (nur der Einstieg ist leicht), deren Reichtum sich dem Schüler am besten erschließt, der zuvor die Disziplin einer flektierenden Sprache eingeübt hat. Die deutsche, die Muttersprache erfüllt diese Bedingung spielend, da sie die Neugier des Kindes auf das Lernen als erste befriedigt. Im Gegensatz zur Muttersprache besitzt frühes Englisch demnach keinerlei kommerziellen Wert. Im Gegenteil, zu frühes Englisch behindert, was es den verängstigten Eltern zu bieten vorgibt: einen Vorsprung bei der Vorbereitung auf die globale Wirtschaft.

Sprachniveaus

Offen bleibt demnach die Kernfrage: Wie ist damit umzugehen, dass die Welthandels- und Verkehrssprache nun mal Englisch ist, oder genauer gesagt, dass sie dem Englischen verwandter ist als jeder anderen Sprache? Die Lösung muss wirtschaftsverträglich, verständlich und anwendbar sein, sonst hat sie keine Chance gegen die massenhafte Panikmache. Dazu hilft als erstes die Analyse, was wirklich gebraucht wird.

Grob gesagt, stellen wir in der Wirtschaft zweierlei Ansprüche an Sprache, die wir – hier verkürzt – als Kreativität und Kommunikation bezeichnen. Während Kreativität meist auf sprachlich hohem Niveau verkehrt, können und müssen für die Kommunikation zweckmäßige Verhandlungsebenen unterschieden werden: Erstens eine hochsprachliche, beispielsweise um bei internationalen Joint Ventures nicht über die Kante gezogen zu werden, und zweitens eine niedersprachliche für den Alltag. Sie bildet den kleinsten gemeinsamen Nenner, der noch ohne inhaltlichen Substanzverlust definiert werden kann.

Da das hochsprachliche Niveau praktisch nur von gut ausgebildeten Dolmetschern und Übersetzern erreicht wird, bietet sich Teil Eins der Lösung von selbst an: Auf dem oberen Niveau brauchen wir einige Zigtausend mehr von ihrer Sorte. Schließlich kämen wir auch nicht auf die Idee, in Peking auf höchster Ebene ohne Dolmetscher aufzukreuzen. Die Kosten für ausgezeichnete Übersetzungsleistungen – um der Bauchreaktion des Controllers gleich zu widersprechen – liegen um das vieltausendfache niedriger als die Opportunitätskosten mangelhafter Verständigung. Die geplatzte Ehe zwischen Daimler und Chrysler hat Milliarden verpulvert, da die Konzernsprache den kulturellen Bedürfnissen nur der einen Seite entgegenkam und damit beide (!) Seiten behinderte.

Teil zwei der Lösung betrifft das niedersprachliche Niveau. Es muss den Bedürfnissen der alltäglichen Abwicklung von Geschäften dienen, sonst nichts. Verständigung darf nicht durch Vieldeutigkeiten, Wortspielereien, Redewendungen und dergleichen erschwert werden. Kenner wissen: Gerade die englische Sprache strotzt nur so von Mehrdeutigkeiten; Wortspielereien bilden das Rückgrat des vielgerühmten englischen Humors; keine andere Weltsprache lebt in so hohem Maße von der Lebendigkeit der Redewendungen. Tatsächlich ist Englisch – das gebildete Kulturenglisch – eine besonders schwer zu beherrschende Sprache, als Welthandels- und Verkehrssprache nützt es nur den englischen Muttersprachlern – bei strengerem Hinsehen schadet es sogar diesen, weil sie als letzte bemerken, wo sie unverstanden bleiben.

Einfache Umgangssprache

Tatsächlich besteht die Welthandels- und Verkehrssprache nicht aus Kulturenglisch, sondern aus einem Soziolekt der englischen Sprache, genauer: aus einer Vielzahl von Varianten eines Soziolektes, die man unter dem Oberbegriff Simple English gruppieren kann: einfaches Englisch. Die Alltagskommunikation auf Simple English ist umso erfolgreicher, je gründlicher auf die Säulen des Kulturenglisch verzichtet wird. Simple English ist herzlos, es ist praktisch, es ist weltweit verbreitet, wenn auch in wuchernder Vielfalt.

Seine Verbreitung liefert die Begründung, weshalb jede Debatte um eine Plansprache, zum Beispiel Esperanto, müßig ist. Sie müsste erst durchgesetzt werden – ein seit Jahrzehnten hoffnungsloses Unterfangen. Man mag es bedauern, denn intellektuell gesehen wäre Esperanto eine vernünftige Lösung gewesen, aber es lässt sich nicht ändern.

Die Lingua franca der Welt ist Simple English, nicht jenes Englisch, mit dem sich Kinder, Schüler, Mitarbeiter, Chefs, Studenten, Lehrer und Professoren herumplagen. Aber die Lingua franca ist vorderhand mit einem Problem behaftet: Noch ist sie es nicht, sie ist auf dem Weg zur akzeptierten – oder sagen wir: akzeptablen – und einheitlichen Weltsprache. Am klügsten ist es, wenn wir sie als eine eigene Sprache gelten lassen, so wie sich C+++ oder Pascal von der Alltagssprache unterscheiden. Linguistisch mag das fragwürdig sein; wirtschaftlich ist es praktisch, denn dem einfachen Englisch fehlt nur noch ein beherztes Aufräumen. Es hat bereits begonnen. Mittlerweile gibt es mindestens zwei bemerkenswerte Ansätze. Der eine kann im Internet unter dem Stichwort „Simple English“ ergugelt werden (nicht zu verwechseln mit Ogden’s Basic English). Der andere Ansatz ist mit dem naheliegenden Wort „Globisch“ verknüpft; Globisch ist der weiter entwickelte Ansatz und wird deshalb hier skizziert.

Wirtschaftsverträgliche Lösung

Mit Globisch ahben wir ein fix und fertiges Sprachangebot, es kann ersetzen, was unter „Geschäftsenglisch für Mitarbeiter“ firmiert. Es enthält, was dem Chaos der Welthandels- und Verkehrssprache fehlt: Ein einfaches Regelgerüst und ein ausgesuchter Wortschatz. Jean Paul Nerrière hat es in seinem französisch verfassten Buch, Don’t Speak English – Parlez Globish! vorgestellt. Es besteht im Wesentlichen aus

  • einem begrenzten Wortschatz von 1500 Vokabeln
  • Anweisungen zum Bau verständlicher Sätze
  • Regeln zur Vermeidung von Zweideutigkeiten
  • zur deutlichen Formulierung von Verneinungen
  • zur strikten Vermeidung von Redewendungen
  • und einiges dergleichen mehr

Schon diese Übersicht zeigt: Dem Globischen fehlt alles, was die Sprache Steinbecks und Shakespeares zur Kultursprache macht, alles was an Sprachen das Herz und den Verstand erfreut. Globisch ist praktisch, sonst nichts. Globisch gefährdet daher auch keine Muttersprache, und es nimmt auch den Druck von der englischen Hochsprache.

Globisch erübrigt Milliarden für jahrelange, enttäuschende Bemühungen um besseres Englisch, das anschließend die wenigsten ausschöpfen können und dürfen (!) und das dem eigentlich benötigten einfachen Englisch im Wege steht. Globisch kann mühelos von Oberklässlern oder Erwachsenen gelernt werden. Und es erfordert nur einen kleinen Schritt vom gegenwärtigen, weltweiten Sprach-Chaos zu einer Lingua franca, mit der man umgeht wie mit HTML und CSS zum Bau seiner Seiten im Internet. Derart kodifiziert, wird Globisch selber bereits zum Bestandteil von Programmen der Textverarbeitung, ähnlich der Rechtschreibüberprüfung: Das Programm schlägt Formulierungen vor, wo ein Wort, ein Idiom, eine doppelte Verneinung „unglobische“ Missverständnisse auslösen könnte.

Verständlicher Widerstand

Globale Sprachprobleme lassen sich mit schlechtem Englisch schlecht lösen, da hilft nur die geschickte Kombination der beiden Komponenten: hier Globisch, dort Übersetzerexpertise. Beide sind harte Währung statt falscher Fuffziger, je nach ihrem Verwendungsort.

Widerstand gegen Globisch ist leicht zu verstehen, er kommt vom Herzen: Wer mit Mühe, Fleiß und Zeit gutes Englisch erworben hat, möchte seine Sprachfertigkeit vorweisen; es schmerzt ihn, das Niveau zu senken. Globisch bietet aber auch ihm eine Perspektive: Indem er sich – neben seiner hochsprachlichen Fertigkeit – auf Globisch wie auf eine zweite Fremdsprache einlässt, verbessert er seine Kommunikation ohne an Würde einzubüßen.


Redigierte und etwas erweiterte Wiedergabe des Artikels in den Betriebslinguistischen Beiträgen – Zeitschrift für Unternehmenskommunikation des Instituts für Betriebslinguistik, Paderborn, Juli 2009, Heft 7, 11. Jahrgang.


Nachtrag

Mittlerweile liegt ein Buch vor, das David Hon zusammen mit Jean-Paul Nerrière verfasst hat, und zwar von Anfang bis Ende auf Globisch, mit dem Titel: „Globish The World Over“. Den anspruchsvollen Englischkenner mag es ein bisschen langweilen, aber es stellt das Thema in vollgültiger Ausdrucksweise vor: Globisch hat mit Pidgin nichts gemein. Tatsächlich hat schon vor Jahrzehnten der Linguist Frederick (eigentlich Friedrich) Bodmer eine Welthilfssprache im Umfang von 1700 bis 1800 Wörtern für möglich und sinnvoll gehalten.

Was tun?

Die Argumente dieses Beitrages sind durch eigene Erfahrung gestützt. Der Autor hat Englisch erst mit dreizehn Jahren gelernt; er hat dennoch im Johannesburger Geschäftsleben mit Texten in englischer Sprache gut verdient, im Auftrag englischer Muttersprachler. In Zusammenarbeit mit dem Paderborner Institut für Betriebslinguistik (IFB), steht der Autor zur Verfügung, um Ihnen Ansatz und Methodik zu vermitteln, die einen zweifachen Vorteil einbringen: Für Ihre Kommunikation das angemessene Zweckenglisch, und für Ihr Weiterbildungsbudget eine spürbare Entlastung. Den Umständen entsprechend, kann Sie diese Beratung in den Stand versetzen, mit Bordmitteln zu kostensparenden Erfolgen zu gelangen. Gegebenenfalls ist auch eine zeitweise Begleitung möglich.


Aus diesem Aufsatz ist mittlerweile ein Buch geworden: Von Babylon nach Globylon, 392 Seiten (mit Anlagen), ISBN 978-3-942409-12-4, IFB Verlag, Paderborn, 19,60 €. Bestellen Sie bitte beim IFB Verlag, Paderborn, im Buchhandel, auch bei Amazon, wo es auch als E-Buch für den Kindle erhältlich ist.


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